BVerfG Beschluss v. - 2 BvL 4/18

Besoldung der Richter und Staatsanwälte im Land Berlin in den Besoldungsgruppen R 1 bis R 3 in den Jahren 2009 bis 2015 nicht amtsangemessen und daher mit Art 33 Abs 5 GG unvereinbar - Neuregelung mit Wirkung spätestens vom zu treffen

Leitsatz

1. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG zählt das Alimentationsprinzip. Es verpflichtet den Dienstherrn, Richtern und Staatsanwälten nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Damit wird der Bezug der Besoldung sowohl zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung als auch zur Lage der Staatsfinanzen hergestellt.

2. Diese Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot.

3. Der Besoldungsgesetzgeber verfügt über einen weiten Entscheidungsspielraum. Dem entspricht eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte verfassungsgerichtliche Kontrolle. Ob die Bezüge evident unzureichend sind, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden.

4. Diese Gesamtschau vollzieht sich in zwei Schritten: Auf der ersten Prüfungsstufe wird mit Hilfe von fünf in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip angelegten Parametern ein Orientierungsrahmen für eine grundsätzlich verfassungsgemäße Ausgestaltung der Alimentationsstruktur und des Alimentationsniveaus ermittelt (Vergleich der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifentlohnung im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex sowie des Verbraucherpreisindex, systeminterner Besoldungsvergleich und Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder).

5. Beim systeminternen Besoldungsvergleich ist neben der Veränderung der Abstände zu anderen Besoldungsgruppen in den Blick zu nehmen, ob in der untersten Besoldungsgruppe der gebotene Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau eingehalten ist. Ein Verstoß gegen dieses Mindestabstandsgebot betrifft insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Gesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Die indizielle Bedeutung für die verfassungswidrige Ausgestaltung der zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppe ist dabei umso größer, je näher diese an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt und je deutlicher der Verstoß ausfällt.

6. Auf der zweiten Prüfungsstufe sind die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe mit den weiteren alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung zusammenzuführen. Werden mindestens drei Parameter der ersten Prüfungsstufe erfüllt, besteht die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation, die im Rahmen der Gesamtabwägung sowohl widerlegt als auch erhärtet werden kann. Werden umgekehrt bei allen Parametern die Schwellenwerte unterschritten, wird eine angemessene Alimentation vermutet. Sind ein oder zwei Parameter erfüllt, müssen die Ergebnisse der ersten Stufe, insbesondere das Maß der Über- beziehungsweise Unterschreitung der Parameter, zusammen mit den auf der zweiten Stufe ausgewerteten alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen der Gesamtabwägung eingehend gewürdigt werden.

7. Ergibt die Gesamtschau, dass die zur Prüfung gestellte Besoldung grundsätzlich als verfassungswidrige Unteralimentation einzustufen ist, bedarf es auf der dritten Stufe der Prüfung, ob dies im Ausnahmefall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann.

Gesetze: Art 33 Abs 5 GG, Art 125a Abs 1 S 1 GG, § 85 BBesG, Anl 4 Nr 4 BBesG vom , Anl 2 BesNG BE, Anl 1 Nr 4 BesVersAnpG BE 2010/2011, Anl 1 Nr 4 BesVersAnpG BE 2012/2013, Anl 16 Nr 4 BesVersAnpG BE 2012/2013, Anl 1 Nr 4 BesVersAnpG BE 2014/2015, Anl 15 Nr 4 BesVersAnpG BE 2014/2015

Instanzenzug: Az: 2 C 56/16 2 C 57/16 2 C 58/16 Vorlagebeschluss

Gründe

A.

1Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Besoldung der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Landes Berlin in den Besoldungsgruppen R 1 bis R 3 in den Jahren 2009 bis 2015 amtsangemessen war.

I.

21. Seit Anfang der 1970er Jahre bis zum Jahr 2003 war allein der Bundesgesetzgeber für die Besoldung der Richter und Staatsanwälte zuständig. Er hatte von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in Art. 74a Abs. 1 GG a. F. für die Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes (eingefügt durch Art. 1 Nr. 1 des Achtundzwanzigsten Gesetzes zur Veränderung des Grundgesetzes vom <BGBl I S. 206>) durch den Erlass des Bundesbesoldungsgesetzes abschließend Gebrauch gemacht. Bis zum Jahr 2003 war auch die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung (sogenanntes Weihnachtsgeld) und eines jährlichen Urlaubsgeldes bundeseinheitlich geregelt. Das Urlaubsgeld wurde letztmalig im Jahr 2003 ausgezahlt (vgl. zu den Einzelheiten BVerfGE 139, 64 <73 ff. Rn. 6 ff.>).

3Im Anschluss daran wurde das Besoldungsrecht föderalisiert. Nachdem der Bundesgesetzgeber den Ländern bereits im Jahr 2003 die Befugnis eingeräumt hatte, die jährliche Sonderzahlung unter Beachtung eines bundeseinheitlichen Höchstbetrags abweichend zu regeln (vgl. zu den Einzelheiten BVerfGE 139, 64 <76 ff. Rn. 12 ff.>), ging infolge einer Grundgesetzänderung die Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung der Landesbeamten (einschließlich der Richter) mit Wirkung vom auf die Länder über (vgl. BVerfGE 139, 64 <85 f. Rn. 29 f.).

42. Die Besoldung der Richter und Staatsanwälte des Landes Berlin entwickelte sich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von 2009 bis 2015 wie folgt:

5a) Bis zum ergab sie sich im Wesentlichen aus der zu § 37 Abs. 1 Satz 2 BBesG erlassenen Anlage IV Nr. 4 in der Fassung des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2003/2004 (BBVAnpG 2003/2004) vom (BGBl I S. 1798 - Anhang 27 Nr. 4: Grundgehaltssätze der Bundesbesoldungsordnung R ab dem ). Hinsichtlich der Grundgehaltssätze für die R-Besoldung hatte der Landesgesetzgeber zunächst keine Regelung getroffen, sodass die bundesrechtlichen Bestimmungen auf der Grundlage von Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 85 BBesG in der am geltenden Fassung des BBVAnpG 2003/2004 fortgalten. Davon ausgenommen war lediglich der Familienzuschlag, der bereits durch Art. I des Gesetzes zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom (GVBl S. 272) in einer eigenen Anlage III zum Landesbesoldungsgesetz geregelt wurde, welche die bis dahin fortgeltende Anlage V zu § 40 BBesG ersetzte.

6b) Durch § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung für Berlin 2010/2011 (BerlBVAnpG 2010/2011) vom (GVBl S. 362) wurden die Grundgehaltssätze aller Anlagen zum Bundesbesoldungsgesetz in der am geltenden Fassung sowie der Familienzuschlag zum um 1,5 % erhöht (vgl. Anlage 1 Nr. 4 und Anlage 2 zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 BerlBVAnpG 2010/2011). Zur Begründung des Umfangs der Erhöhung wurde ausgeführt, dass auf diese Weise den aktuellen Entwicklungen der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen unter Berücksichtigung der weiterhin angespannten Haushaltslage Berlins Rechnung getragen werde. Seit den Jahren 2004 und 2006 leisteten die Beamten, Richter und Versorgungsempfänger des Landes Berlin wichtige Beiträge zur notwendigen Konsolidierung des Landeshaushalts (vgl. AbgH-Drs 16/3242, S. 10).

7c) Das Land Berlin machte mit Wirkung vom von der durch Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumten Ersetzungsbefugnis umfassend Gebrauch. Durch Art. III § 1 Nr. 3 des Zweiten Dienstrechtsänderungsgesetzes vom (GVBl S. 266) wurde § 1b des Landesbesoldungsgesetzes (im Folgenden: LBesG BE) eingefügt. Danach gelten die bundesrechtlichen Besoldungsbestimmungen (nach Maßgabe der bereits angeordneten landesrechtlichen Modifikationen) als Landesrecht fort. Durch Art. I § 1 Nr. 6 Buchstabe a des Gesetzes zur Besoldungsneuregelung für das Land Berlin (BerlBesNG) vom (GVBl S. 306) wurde der auf diese Weise in Landesrecht transformierte § 37 BBesG dahingehend geändert, dass sich die Grundgehaltssätze der Landesbesoldungsordnung R aus Anlage 2 zum BerlBesNG ergeben. Diese fasste die Grundgehaltssätze zum - unter Umstellung auf Erfahrungsstufen - neu, wobei die Erhöhung für diejenigen Richter und Staatsanwälte am höchsten ausfiel, die bereits zuvor die Endstufe erreicht hatten. Beim Familienzuschlag verblieb es bei der ursprünglich vorgesehenen Erhöhung um 2 % (vgl. Anlage 16 zu § 2 Abs. 3 BerlBVAnpG 2010/2011). Die Gesetzesbegründung erläuterte lediglich die Überleitung in Landesrecht (AbgH-Drs 16/3242, S. 10). Eine Auseinandersetzung mit der Höhe der nun geltenden Besoldungssätze fand nicht statt.

8d) Durch das Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2012/2013 (BerlBVAnpG 2012/2013) vom (GVBl S. 291) wurden die Grundgehaltssätze sowie der Familienzuschlag zum und zum jeweils um 2 % erhöht (vgl. Anlage 1 Nr. 4 und Anlage 2 zu Art. I § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 und zu Nr. 5 BerlBVAnpG 2012/2013 beziehungsweise Anlage 16 Nr. 4 und Anlage 17 zu Art. I § 2 Abs. 3 BerlBVAnpG 2012/2013). Die Gesetzesbegründung wies darauf hin, dass die Anpassung der Bezüge auch im Hinblick auf die Entwicklung im Tarifbereich erfolge. Für die Tarifbeschäftigten sei eine Rückkehr in den Flächentarifvertrag der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und als erster Schritt eine Anhebung der Entgelte auf 97 % des dortigen Niveaus vereinbart worden (AbgH-Drs 17/0450, S. 9 f.); im Übrigen entspricht die Begründung derjenigen zum BerlBVAnpG 2010/2011.

9e) Schließlich wurden durch das Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2014/2015 und zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften (BerlBVAnpG 2014/2015) vom (GVBl S. 250) die Grundgehaltssätze und der Familienzuschlag zum um 3 % erhöht, wobei beim Familienzuschlag Erhöhungsbeträge für die unteren Besoldungsgruppen eingeführt wurden (vgl. Anlage 1 Nr. 4 zu Art. I § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 beziehungsweise Anlage 2 zu Art. I § 2 Abs. 2 BerlBVAnpG 2014/2015). Zum wurden die Grundgehaltssätze sowie der Familienzuschlag um weitere 3,2 % erhöht. Zugleich bestimmte Art. I § 2 Abs. 6 BerlBVAnpG 2014/2015 jedoch, dass diese Erhöhung der Bezüge nach Maßgabe des § 14a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 BBesG in der Überleitungsfassung für Berlin vermindert werde. Das bedeutet, dass die Bezüge effektiv statt um 3,2 % nur um 3 % erhöht und die Einsparungen der Versorgungsrücklage zugeführt wurden. Die Höhe der Bezüge wurde in Anlage 15 Nr. 4 und Anlage 16 zu Art. I § 2 Abs. 4 BerlBVAnpG 2014/2015 ausgewiesen. Die Gesetzesbegründung führte zur Höhe der Besoldungsanpassung aus: Auf Grund des Alimentationsprinzips dürften die Beamtenbezüge gegenüber der materiellen Ausstattung der sonstigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht greifbar zurückbleiben. Es bestehe jedoch keine Verpflichtung, die Ergebnisse von Tarifverhandlungen spiegelbildlich zu übertragen. Mit Blick auf die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse komme dergleichen auch nicht in Betracht. Das Besoldungsniveau in den anderen Ländern und beim Bund habe im Oktober 2013 durchschnittlich rund 7 % über dem des Landes Berlin gelegen. Unter Berücksichtigung der Inflationsrate sei die vorgeschlagene Anpassung der Bezüge unumgänglich, um eine Wirkung auf die Realeinkommen zu erzielen. Damit werde der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse unter Berücksichtigung der weiterhin angespannten Haushaltslage Rechnung getragen (AbgH-Drs 17/1677, S. 46 ff.).

10f) Das Recht der Sonderzahlung entwickelte sich wie folgt: Nach dem bis zum Jahr 2002 auch für die Richter und Staatsanwälte des Landes Berlin maßgeblichen Sonderzuwendungsgesetz des Bundes belief sich die Sonderzuwendung auf einen bestimmten Prozentsatz der monatlichen Bezüge. Das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung (SZG) vom (GVBl S. 538) reduzierte diese auf einheitlich 640 Euro (§ 5 Abs. 1 SZG). Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Sonderzahlungsgesetzes vom (GVBl S. 271) wurde die Sonderzahlung abweichend von dieser Regelung für die Kalenderjahre 2008 und 2009 auf jeweils 940 Euro angehoben (§ 5 Abs. 1 Satz 2 SZG). In den Jahren 2010 bis 2015 betrug sie wie zuvor 640 Euro.

II.

111. Das Bundesverwaltungsgericht hat drei Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Ihnen liegen die folgenden Sachverhalte zugrunde: Der Kläger des Verfahrens 2 C 56.16 trat im Jahr 2008 in den Berliner Landesdienst ein und wurde später vom Richter am Amtsgericht (Besoldungsgruppe R 1) zum Vorsitzenden Richter am Landgericht (Besoldungsgruppe R 2) befördert. Der Kläger des Verfahrens 2 C 57.16 steht seit 1995 als Richter am Landgericht (Besoldungsgruppe R 1) im Dienst des Landes Berlin. Die Klägerin des Verfahrens 2 C 58.16 ist die Rechtsnachfolgerin ihres im Juli 2015 verstorbenen Ehemanns. Dieser war 1988 in den Berliner Justizdienst eingetreten und seit 1999 als Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin (Besoldungsgruppe R 2) tätig. Im Mai 2015 war er zum Vorsitzenden Richter am Kammergericht (Besoldungsgruppe R 3) ernannt worden.

12Die erstmals im Jahr 2009 gegen die Besoldungshöhe erhobenen Widersprüche der Kläger blieben ebenso wie ihre nachfolgenden Klagen vor dem Verwaltungsgericht erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wies ihre Berufungen mit im Wesentlichen gleichlautenden Urteilen vom zurück.

132. Das das Revisionsverfahren ausgesetzt, um dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die Besoldung im Land Berlin in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 sowie in der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar sei. Die von den Klägern berechtigterweise begehrte Feststellung, dass dies nicht der Fall sei, könne nicht getroffen werden, ohne die Gültigkeit der maßgeblichen Besoldungsgesetze in Frage zu stellen. Deshalb sei die Richtervorlage unumgänglich.

14Das Bundesverwaltungsgericht ist von der Verfassungswidrigkeit der sich für die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nach den vorgelegten Besoldungsvorschriften ergebenden Besoldung überzeugt. Die jüngere Besoldungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei so zu verstehen, dass sich die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation auch ergeben könne, wenn nur zwei der fünf vom Bundesverfassungsgericht für die Prüfung auf der ersten Stufe benannten Parameter erfüllt seien, dies aber in besonders deutlicher Weise. Auch dann sei eine umfassende Gesamtabwägung geboten. Im vorliegenden Fall hätten mit der Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den Tarifergebnissen im öffentlichen Dienst und derjenigen zur Entwicklung der Verbraucherpreise zwei maßgebliche Parameter sehr deutlich und über Jahre hinweg über dem vom Bundesverfassungsgericht als maßgeblich erachteten Grenzwert von 5 % gelegen. Die Gesamtabwägung aller alimentationsrelevanten Kriterien auf der zweiten Prüfungsstufe ergebe ein einheitliches Bild: Die R 1-Besoldung sei weder in der Lage, ihre qualitätssichernde Funktion sicherzustellen oder die Verantwortung des Amts zu wahren, noch halte das Besoldungsniveau einem Vergleich mit dem Gehaltsniveau in der Privatwirtschaft stand. Dieser Befund werde durch Entwicklungen im Bereich anderer Alimentationsleistungen nicht entkräftet, sondern verstärkt. Der Gesamtbefund einer Unteralimentierung gelte wegen des Abstandsgebots ebenso für die Richter der Besoldungsgruppe R 2 und für das - insoweit allein streitbefangene - Jahr 2015 auch der Besoldungsgruppe R 3. Anhaltspunkte für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Unteralimentation seien nicht ersichtlich. Es sei nicht erkennbar, dass die Unterschreitung des amtsangemessenen Besoldungsniveaus Teil eines umfassenden Gesamtsparkonzeptes des beklagten Landes sei. Entsprechendes könne weder den Gesetzgebungsmaterialien entnommen werden, noch habe das beklagte Land ausreichende Anhaltspunkte dafür benannt. Aus den defizitären Gesetzesbegründungen folge zugleich, dass die prozeduralen Anforderungen nicht eingehalten worden seien, die jedenfalls seit der Klarstellung in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur W-Besoldung hätten bekannt sein müssen. Darüber hinaus habe die Besoldung den erforderlichen Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau nicht gewahrt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts habe die Einhaltung dieses Mindestabstands auch bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation für Ämter aus höheren Besoldungsgruppen Bedeutung. Wegen des Abstandsgebots führe die Fehlerhaftigkeit des Besoldungsniveaus in unteren Besoldungsgruppen jedenfalls so lange auch zu einem Mangel bei den höheren Besoldungsgruppen, wie keine gesetzgeberische Entscheidung über eine Neuordnung der Abstände vorliege. In den fraglichen Jahren habe das Nettoeinkommen auf Grundlage der niedrigsten Besoldung das zum Vergleich heranzuziehende Grundsicherungsniveau einer vierköpfigen Familie nur knapp überschritten, so dass der Mindestabstand deutlich verfehlt worden sei.

III.

15Zu den Vorlagen haben die Bundesregierung, der Senat von Berlin, die Niedersächsische Landesregierung, die Staatsregierung des Freistaates Sachsen, die Regierung des Saarlandes, der Deutsche Richterbund, der Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen, die Neue Richtervereinigung, der dbb beamtenbund und tarifunion, der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie ver.di schriftlich Stellung genommen.

IV.

16Auf Bitten des Bundesverfassungsgerichts hat die Bundesagentur für Arbeit eine Auswertung der ihr vorliegenden statistischen Daten über die bei Partner-Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern anerkannten Bedarfe (Kosten der Unterkunft und Heizung, Mehrbedarfe, mehrtägige Klassenfahrten) vorgelegt. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin hat über die ihr vorliegenden Daten zu den Bedarfen für Bildung und Teilhabe (§ 28 des Zweiten Sozialgesetzbuchs <SGB II>) berichtet. Der Verband der Privaten Krankenversicherung hat eine Auskunft zur durchschnittlichen Höhe der Beiträge einer vierköpfigen Familie für eine das Berliner Beihilferecht ergänzende private Krankenversicherung erteilt. Die Verfahrensbeteiligten haben hierzu Stellung nehmen können.

B.

17Die Vorlage ist zulässig.

18Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung gestellten Vorschriften dargelegt. Soweit das Land Berlin zu bedenken gibt, dass der ursprüngliche Kläger des Verfahrens 2 C 58.16 erst im Mai 2015 in ein Amt der Besoldungsgruppe R 3 befördert worden und im Juli 2015 verstorben ist, und daraus folgert, dass die Verfassungsmäßigkeit der Besoldung nach der Besoldungsgruppe R 3 nur für den Zeitraum Mai bis Juli 2015 streitgegenständlich ist, trifft dies nicht für das Vorlageverfahren zu. Denn bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation betrachtet das Bundesverfassungsgericht aus Gründen der Praktikabilität die Besoldung eines Kalenderjahres als Einheit. Das bedeutet für das fachgerichtliche Verfahren, dass sich zwar der Umfang der den klagenden Richtern oder Staatsanwälten zustehenden Besoldung nach den im jeweiligen Zeitabschnitt anwendbaren Besoldungsvorschriften einschließlich derjenigen zur Dauer des Besoldungsanspruchs bestimmt. Die Prüfung, ob die Grundgehaltssätze den allgemeinen Anforderungen des Alimentationsprinzips genügen, muss aber notwendig auf das Gesamtjahr erstreckt werden, und zwar auch dann, wenn die Kläger des Ausgangsverfahrens durch später im Jahr erfolgende Besoldungserhöhungen oder -verminderungen selbst nicht betroffen sind.

19Das Bundesverwaltungsgericht hat auch seine Überzeugung davon, dass die Besoldung der Kläger der Ausgangsverfahren in den streitgegenständlichen Jahren den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, hinreichend dargelegt. Es hat mit ausführlichen und nachvollziehbaren Erwägungen begründet, warum es die von Art. 33 Abs. 5 GG geschützte amtsangemessene Alimentation nicht mehr gewahrt sieht.

C.

20Die im Tenor näher bezeichneten Vorschriften sind, soweit sie die Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 sowie die Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 betreffen, mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar.

I.

21Der verfassungsrechtliche Maßstab, an dem die Rechtsgrundlagen für die Besoldung der Richter und Staatsanwälte zu messen sind, ergibt sich aus Art. 33 Abs. 5 GG. Danach ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

221. a) Zu den vom Gesetzgeber wegen ihres grundlegenden und strukturprägenden Charakters nicht nur zu berücksichtigenden, sondern zu beachtenden (vgl. BVerfGE 8, 1 <16>; 117, 330 <349>; 119, 247 <263, 269>; 130, 263 <292>; 139, 64 <111 Rn. 92>; 140, 240 <277 Rn. 71>; 141, 56 <69 Rn. 34>; 145, 304 <324 Rn. 64>; 149, 382 <391 Rn. 15>; 150, 169 <178 Rn. 25>) hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt das auch für die Besoldung der Richter und Staatsanwälte maßgebliche (vgl. BVerfGE 12, 81 <88>; 55, 372 <392>; 107, 218 <238>) Alimentationsprinzip. Art. 33 Abs. 5 GG ist unmittelbar geltendes Recht und enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber sowie eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums (vgl. BVerfGE 106, 225 <232>; 117, 330 <344>; 130, 263 <292>; 139, 64 <111 Rn. 92>; 140, 240 <277 Rn. 71>). Des Weiteren begründet Art. 33 Abs. 5 GG ein grundrechtsgleiches Recht der Richter und Staatsanwälte, soweit deren subjektive Rechtsstellung betroffen ist (vgl. BVerfGE 99, 300 <314>; 107, 218 <236 f.>; 117, 330 <344>; 119, 247 <266>; 130, 263 <292>; 139, 64 <111 Rn. 92>; 140, 240 <277 Rn. 71>).

23b) Das Alimentationsprinzip wird von verschiedenen Determinanten geprägt. Es verpflichtet den Dienstherrn, Richter und Staatsanwälte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Damit wird der Bezug der Besoldung sowohl zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung als auch zur Lage der Staatsfinanzen, das heißt zu der sich in der Situation der öffentlichen Haushalte ausdrückenden Leistungsfähigkeit des Dienstherrn, hergestellt (vgl. BVerfGE 8, 1 <14>; 107, 218 <238>; 117, 330 <351>; 119, 247 <269>; 130, 263 <292>; 139, 64 <111 f. Rn. 93>; 140, 240 <278 Rn. 72>; 149, 382 <391 f. Rn. 16>; 150, 169 <180 Rn. 28>).

24Die prägenden Strukturmerkmale des Berufsbeamtentums stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern sind eng aufeinander bezogen (zu Lebenszeit- und Alimentationsprinzip vgl. BVerfGE 119, 247 <263>; 121, 205 <221>; zu Treuepflicht und Alimentationsprinzip vgl. BVerfGE 21, 329 <345>; 44, 249 <264>; 130, 263 <298>; zu Treue- und Fürsorgepflicht vgl. BVerfGE 9, 268 <286>; ferner auch BVerfGE 71, 39 <59 f.>). Die Besoldung stellt in diesem Zusammenhang kein Entgelt für bestimmte Dienstleistungen dar. Sie ist vielmehr ein "Korrelat" des Dienstherrn für die mit der Berufung in das Richter- und Beamtenverhältnis verbundene Pflicht, unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit - grundsätzlich auf Lebenszeit - die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und gemäß den jeweiligen Anforderungen die Dienstpflichten nach Kräften zu erfüllen (vgl. BVerfGE 39, 196 <200 f.>; 121, 241 <261>; 139, 64 <123 Rn. 123>; 140, 240 <292 Rn. 106>; 145, 1 <14 Rn. 32>; 150, 169 <180 Rn. 28>). Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position, zu der die individuelle Garantie einer amtsangemessenen Besoldung und Versorgung durch das Alimentationsprinzip und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung wesentlich beitragen, bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot, während diese umgekehrt eine gerichtliche Kontrolle der Alimentation erfordern; diese Strukturprinzipien sind untrennbar miteinander verbunden (vgl. BVerfGE 8, 1 <17>; 44, 249 <264>; 119, 247 <264>; 148, 296 <347 Rn. 121; 364 Rn. 152>).

25Im Rahmen seiner Verpflichtung zu einer dem Amt angemessenen Alimentation hat der Gesetzgeber auch die Attraktivität der Dienstverhältnisse von Richtern und Staatsanwälten für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 44, 249 <265 f.>; 99, 300 <315>; 107, 218 <237>; 114, 258 <288>; 130, 263 <292>; 139, 64 <111 f. Rn. 93>; 140, 240 <278 Rn. 72>; 149, 382 <392 Rn. 16>). Für die Beurteilung der Angemessenheit der Alimentation kommt es auf deren Gesamthöhe an, zu deren Ermittlung neben dem Grundgehalt auch weitere Besoldungsbestandteile wie Sonderzahlungen oder Stellenzulagen (vgl. BVerfGE 99, 300 <321>) heranzuziehen sind, auch wenn diese für sich betrachtet nicht den verfassungsrechtlichen Schutz eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG genießen (vgl. BVerfGE 83, 89 <98>; 117, 330 <350>; 130, 52 <67>; 139, 64 <111 f. Rn. 93>; 140, 240 <278 Rn. 72>).

26c) Bei der Umsetzung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentation besitzt der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 8, 1 <22 f.>; 114, 258 <288>; 117, 372 <381>; 121, 241 <261>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <278 f. Rn. 73>). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Struktur als auch hinsichtlich der Höhe der Besoldung (vgl. BVerfGE 81, 363 <375 f.>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <278 f. Rn. 73>); diese ist der Verfassung nicht unmittelbar, als fester und exakt bezifferbarer Betrag, zu entnehmen (vgl. BVerfGE 44, 249 <264 ff.>; 117, 330 <352>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <278 f. Rn. 73>). Insofern stellt die in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Garantie eines "amtsangemessenen" Unterhalts lediglich eine den Besoldungsgesetzgeber in die Pflicht nehmende verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive dar (vgl. BVerfGE 117, 330 <352>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <279 Rn. 73>). Innerhalb des ihm zukommenden Entscheidungsspielraums muss der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen. Die von ihm jeweils gewählte Lösung - hinsichtlich Struktur und Höhe der Alimentation - unterliegt allerdings der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerfGE 139, 64 <112 Rn. 94>; 140, 240 <279 Rn. 74>).

27Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat (vgl. BVerfGE 103, 310 <320>; 117, 330 <353>; 121, 241 <261>; 130, 263 <294>; 139, 64 <112 Rn. 95>; 140, 240 <279 Rn. 75>). Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers entspricht vielmehr eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung (vgl. BVerfGE 65, 141 <148 f.>; 103, 310 <319 f.>; 110, 353 <364 f.>; 117, 330 <353>; 130, 263 <294 f.>; 139, 64 <113 Rn. 96>; 140, 240 <279 Rn. 75>). Im Ergebnis beschränkt sich die materielle Kontrolle dabei auf die Frage, ob die Bezüge der Richter und Staatsanwälte evident unzureichend sind. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden (vgl. BVerfGE 44, 249 <263, 267 f.>; 114, 258 <288 f.>; 130, 263 <295>; 139, 64 <113 Rn. 96>; 140, 240 <279 Rn. 75>).

28d) Diese Gesamtschau vollzieht sich in zwei Schritten: Auf der ersten Prüfungsstufe (vgl. Rn. 29 ff.) wird mit Hilfe von aus dem Alimentationsprinzip ableitbaren und volkswirtschaftlich nachvollziehbaren Parametern ein durch Zahlenwerte konkretisierter Orientierungsrahmen für eine grundsätzlich verfassungsgemäße Ausgestaltung der Alimentationsstruktur und des Alimentationsniveaus ermittelt. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip sind fünf Parameter angelegt, denen eine indizielle Bedeutung bei der Ermittlung des verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentationsniveaus zukommt (vgl. BVerfGE 139, 64 <113 Rn. 97>; 140, 240 <279 f. Rn. 76>). Die Heranziehung dieser volkswirtschaftlichen Parameter dient vor allem der Rationalisierung der verfassungsrechtlichen Prüfung, darf aber nicht dahin missverstanden werden, dass sich die Höhe der amtsangemessenen Besoldung unter Rückgriff auf statistische Daten exakt berechnen ließe. Mit der Heranziehung dieser Parameter kann es schon deshalb nicht sein Bewenden haben, weil sich der Inhalt des Alimentationsprinzips nicht allein nach volkswirtschaftlichen Kriterien bemisst. Die erste Prüfungsstufe bereitet die auf der zweiten Prüfungsstufe (vgl. Rn. 86 ff.) stets gebotene Gesamtabwägung aller alimentationsrelevanten Aspekte (vgl. BVerfGE 139, 64 <120 Rn. 116>; 140, 240 <289 Rn. 99>) vor, ersetzt sie aber nicht.

292. Der Gesetzgeber muss den für die Bemessung der amtsangemessenen Alimentation relevanten Kriterien sowohl bei strukturellen Neuausrichtungen im Besoldungsrecht als auch bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung über die Jahre hinweg Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 130, 263 <292 f.>; 139, 64 <113 Rn. 98>; 140, 240 <280 Rn. 77>). Ebenso wenig wie die exakte Höhe der amtsangemessenen Besoldung lässt sich dabei der Zeitpunkt, zu dem diese als gerade noch amtsangemessen anzusehen ist, unmittelbar der Verfassung entnehmen. Ob der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Anpassung der Alimentation an die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse bei der Fortschreibung der Besoldungshöhe nachkommt, zeigt sich vielmehr erst anhand einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung einerseits mit verschiedenen Vergleichsgrößen andererseits über einen aussagekräftigen Zeitraum hinweg.

30a) Die hierbei regelmäßig heranzuziehenden Schwellenwerte, bei deren Überschreitung eine erkennbare Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung oder -höhe und der Vergleichsgröße vorliegt, haben lediglich Orientierungscharakter (vgl. BVerfGE 139, 64 <113 f. Rn. 98>; 140, 240 <280 Rn. 77>). Sie sollen vor allem Indizien für eine Unteralimentation identifizieren. Vor diesem Hintergrund haben die Erstellung der Indices und die Berechnung der Parameter möglichst einfachen und klaren Regeln zu folgen. Eine "Spitzausrechnung", bei der insbesondere alle Veränderungen der Besoldung, aber auch der Tariflöhne minutiös abgebildet werden, würde der ersten Prüfungsstufe eine vermeintliche Objektivität zumessen, die ihr gerade nicht zukommt. Die Parameter sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Senats verkennen.

31aa) Im Ausgangspunkt genügt es daher, die von den Besoldungsgesetzgebern im Regelfall für alle Besoldungsgruppen gleichermaßen vorgenommenen linearen Anpassungen der Bezüge um einen bestimmten Prozentwert zu erfassen. Es stellt die Aussagekraft der Parameter auch nicht in Frage, wenn unterjährige Besoldungsanpassungen dabei so behandelt werden, als seien sie zu Jahresbeginn erfolgt. Der Senat verkennt nicht, dass sich der Zeitpunkt der Besoldungsanpassung darauf auswirkt, was den Richtern und Staatsanwälten in einem Besoldungsjahr zur Deckung ihres Lebensbedarfs tatsächlich zur Verfügung steht. Einer ungleich aufwendigere "Spitzausrechnung" bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn die jeweiligen Schwellenwerte ohnehin überschritten werden. Wenn diese bei einer für die Entscheidung erheblichen Zahl von Parametern knapp unterschritten werden oder Besonderheiten der (Besoldungs-)Entwicklung im Raum stehen, kann jedoch Anlass bestehen, diesen Umständen im Rahmen der Gesamtbetrachtung der Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 139, 64 <132 f. Rn. 148>; für den Nominallohnindex BVerfGE 139, 64 <115 f. Rn. 104>; 140, 240 <282 f. Rn. 83>). Aus dem gleichen Grund sind auch sonstige Besoldungsveränderungen wie namentlich Veränderungen der besonderen Bezügebestandteile (Sonderzahlungen, Urlaubsgeld) sowie nichtlineare Besoldungserhöhungen durch Sockelbeträge oder Einmalzahlungen für die hier angewandten Parameter nur dann bereits auf der ersten Prüfungsstufe zu berücksichtigen, wenn von vornherein feststeht, dass sie einen erheblichen Einfluss auf die Besoldungsentwicklung haben können (vgl. BVerfGE 139, 64 <129 Rn. 135>). Die notwendige Typisierung legt es schließlich nahe, bei nichtlinearen Besoldungsveränderungen den in die Berechnung des Besoldungsindex einzustellenden Prozentwert einheitlich anhand der höchsten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe (vgl. BVerfGE 99, 300 <321>) zu ermitteln.

32bb) Entsprechendes gilt auch für die Ermittlung der Vergleichsgrößen: So erfasst der durch das Statistische Bundesamt ermittelte Tariflohnindex (vgl. BVerfGE 139, 64 <130 Rn. 141>; 140, 240 <300 Rn. 125>) allein lineare Tariferhöhungen; Sockelbeträge, Einmalzahlungen sowie Veränderungen der Sonderzahlungen bleiben ebenso außen vor wie der Zeitpunkt der Tariferhöhung. Auch bei der Gegenüberstellung des bruttolohnbasierten Nominallohnindex mit der Veränderung der Bruttobesoldung sind Verzerrungen infolge der Steuerprogression oder der Belastung mit Sozialabgaben nicht auszuschließen (vgl. BVerfGE 139, 64 <115 f. Rn. 104>; 140, 240 <282 f. Rn. 83>).

33Wie bei der Ermittlung der Besoldungsentwicklung geht es auch hier nicht um die exakte Berechnung der Tariflohnentwicklung, sondern um Orientierungswerte für die erforderliche Gesamtabwägung. Einer "genaueren" Berechnung stehen auch praktische Schwierigkeiten entgegen. Wollte man beispielsweise die Veränderungen der Sonderzahlungen beim Übergang vom Bundesangestelltentarif (BAT) zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) abbilden, deren Bemessungsgrundlagen sich seither je nach Entgeltgruppe unterscheiden, müsste der zu prüfenden Besoldungsgruppe eine konkrete Tarifentgeltgruppe als Vergleichsmaßstab zugeordnet werden. Eine solche drängt sich bei den Besoldungsordnungen R und W nicht auf. Aber auch für die Besoldungsordnung A kann nicht ohne Weiteres von einem Gleichlauf der Besoldungs- und Tarifentgeltgruppen ausgegangen werden, unter anderem weil für bestimmte Tarifbeschäftigte gesonderte Entgeltordnungen einschlägig sind (z.B. für Ärzte, Krankenpfleger sowie den Schul- und Erziehungsdienst). Gravierenden Verzerrungen, welche die Aussagekraft eines Vergleichs nachhaltig erschüttern würden, kann im Rahmen der Gesamtbetrachtung Rechnung getragen werden.

34b) Eine deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den Tarifergebnissen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst im betroffenen Land oder - bei der Bundesbesoldung - auf Bundesebene ist ein wichtiges Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes (erster Parameter: vgl. BVerfGE 139, 64 <114 Rn. 99>; 140, 240 <281 Rn. 78>).

35Bezugsrahmen für die Amtsangemessenheit der Alimentation sind zunächst die Einkommen der Arbeitnehmer mit vergleichbarer Ausbildung und Tätigkeit innerhalb des öffentlichen Dienstes (vgl. BVerfGE 114, 258 <293>; 139, 64 <114 f. Rn. 100>; 140, 240 <281 Rn. 79>). Dem Einkommensniveau dieser privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer kommt eine besondere Bedeutung für die Bestimmung der Wertigkeit des Amtes und damit der Angemessenheit der Besoldung zu (vgl. BVerfGE 114, 258 <293 f.>; 139, 64 <114 f. Rn. 100>; 140, 240 <281 Rn. 79>), zumal die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst ein gewichtiges Indiz für die Entwicklung sowohl der (sonstigen) allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse sowie des allgemeinen Lebensstandards einerseits als auch der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes oder des Bundes andererseits sind. Zwar ist der Besoldungsgesetzgeber - auch angesichts der grundsätzlichen Unterschiede zwischen der Tarifentlohnung und der Beamtenbesoldung - von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, bei Anpassungen der Bezüge eine strikte Parallelität zu den Tarifergebnissen des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 139, 64 <114 f. Rn. 100>; 140, 240 <281 Rn. 79>; 145, 304 <339 Rn. 110>). Er darf die Tarifergebnisse bei der Festsetzung der Beamtenbesoldung aber nicht in einer über die Unterschiedlichkeit der Entlohnungssysteme hinausgehenden Weise außer Betracht lassen. Wird bei einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung mit der Entwicklung der Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst eine Abkopplung der Bezüge der Amtsträger hinreichend deutlich sichtbar, steht dies im Widerspruch zur Orientierungsfunktion der Tarifergebnisse (vgl. BVerfGE 139, 64 <114 f. Rn. 100>; 140, 240 <281 Rn. 79>).

36Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Differenz zwischen den Tarifergebnissen und der Besoldungsanpassung mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung beträgt (vgl. BVerfGE 139, 64 <115 Rn. 101>; 140, 240 <281 f. Rn. 80>). Ausgehend vom verfahrensgegenständlichen Kalenderjahr ist die Betrachtung dabei auf den Zeitraum der zurückliegenden 15 Jahre zu erstrecken, um einerseits zufällige Ausschläge aufzufangen und andererseits eine methodische Vergleichbarkeit noch zu gewährleisten. Ergänzend ist gegebenenfalls für einen weiteren gleichlangen Zeitraum, der auch den Zeitraum der fünf Jahre vor Beginn des oben genannten 15-jährigen Betrachtungszeitraums abdeckt und sich mit diesem Zeitraum überlappt, eine Vergleichsberechnung durchzuführen. Durch eine derartige Staffelprüfung wird sichergestellt, dass etwaige statistische Ausreißer bereinigt werden (vgl. BVerfGE 139, 64 <115 Rn. 102>; 140, 240 <282 Rn. 81>).

37c) Eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Nominallohnindex im jeweils betroffenen Land ist ein weiteres Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes (zweiter Parameter: vgl. BVerfGE 139, 64 <115 Rn. 103>; 140, 240 <282 Rn. 82>).

38Die Verpflichtung zur Anpassung der Besoldung an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. BVerfGE 114, 258 <287>; 119, 247 <269>; 130, 263 <292>) erfordert, dass die Besoldung der Richter und Staatsanwälte zu der Einkommenssituation und -entwicklung der Gesamtbevölkerung in Bezug gesetzt wird (vgl. BVerfGE 107, 218 <238>; 139, 64 <115 f. Rn. 104>; 140, 240 <282 Rn. 83>). Zur Orientierung eignet sich insoweit der Nominallohnindex, der ein allgemein anerkannter Indikator für die Einkommens- und Wohlstandsentwicklung der abhängig Beschäftigten in Deutschland ist. Dieser Index misst die Veränderung des durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes inklusive Sonderzahlungen der vollzeit-, teilzeit- und geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer. Er ist weitgehend repräsentativ für die Verdienstentwicklung und bildet sie transparent, exakt, zeitnah und in regelmäßigen Zeitabständen ab (vgl. BVerfGE 139, 64 <115 f. Rn. 104>; 140, 240 <282 f. Rn. 83>). Beträgt die Differenz zwischen der Entwicklung des Nominallohnindex und der Besoldungsentwicklung bei Zugrundelegung eines Zeitraums von 15 Jahren bis zu dem verfahrensgegenständlichen Zeitabschnitt sowie in einem überlappenden gleichlangen Zeitraum in der Regel mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung, ist dies ein weiteres Indiz für die evidente Unangemessenheit der Alimentation (vgl. BVerfGE 139, 64 <116 Rn. 105>; 140, 240 <283 Rn. 84>).

39d) Eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Verbraucherpreisindex in dem jeweils betroffenen Land oder - bei der Bundesbesoldung - auf Bundesebene ist ebenfalls ein Indiz für eine Verletzung des Kerngehalts der Alimentation (dritter Parameter: vgl. BVerfGE 139, 64 <116 Rn. 106>; 140, 240 <283 Rn. 85>). Der Verbraucherpreisindex bemisst die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen (Mieten, Nahrungsmittel, Bekleidung, Kraftfahrzeuge, Friseur, Reinigung, Reparaturen, Energiekosten, Reisen etc.), die von privaten Haushalten für Konsumzwecke in Anspruch genommen werden (vgl. BVerfGE 139, 64 <116 f. Rn. 107>; 140, 240 <283 f. Rn. 86>).

40Der Gesetzgeber hat bei der Bemessung der Besoldung zu berücksichtigen, dass diese dem Richter oder Staatsanwalt über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus einen seinem Amt angemessenen Lebensunterhalt ermöglichen muss (vgl. BVerfGE 8, 1 <14>; 44, 249 <265 f.>; 117, 330 <351>; 119, 247 <269>; 130, 263 <292>). Das Alimentationsprinzip verlangt - parallel zu der Konstellation eines familiär bedingten Unterhaltsbedarfs (vgl. BVerfGE 44, 249 <275>; 81, 363 <378>; 99, 300 <316>; 117, 330 <351 f.>) -, durch eine entsprechende Bemessung der Bezüge zu verhindern, dass das Gehalt infolge eines Anstiegs der allgemeinen Lebenshaltungskosten aufgezehrt wird und dem Richter oder Staatsanwalt infolge des Kaufkraftverlustes die Möglichkeit genommen wird, den ihm zukommenden Lebenszuschnitt zu wahren. Zur Ermittlung der wirtschaftlichen Situation des Richters oder Staatsanwalts ist der Entwicklung seines Einkommens die allgemeine Preisentwicklung anhand des Verbraucherpreisindex gegenüberzustellen (vgl. BVerfGE 139, 64 <116 f. Rn. 107>; 140, 240 <283 f. Rn. 86>).

41Beträgt die Differenz zwischen der Entwicklung des Verbraucherpreisindex und der Besoldungsentwicklung bei Zugrundelegung eines Zeitraums von 15 Jahren bis zu dem verfahrensgegenständlichen Zeitabschnitt sowie in einem überlappenden gleichlangen Zeitraum in der Regel mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung, ist dies ein weiteres Indiz für die evidente Unangemessenheit der Alimentation (vgl. BVerfGE 139, 64 <117 Rn. 108>; 140, 240 <284 Rn. 87>).

42e) Der vierte Parameter ergibt sich aus einem systeminternen Besoldungsvergleich (vgl. BVerfGE 139, 64 <117 Rn. 109>; 140, 240 <284 Rn. 88>).

43Die Amtsangemessenheit der Alimentation der Richter und Staatsanwälte bestimmt sich auch durch ihr Verhältnis zur Besoldung und Versorgung anderer Beamtengruppen (vgl. BVerfGE 130, 263 <293 f.>; 139, 64 <117 Rn. 110>; 140, 240 <284 Rn. 89>). Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die "amts"-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung (vgl. BVerfGE 114, 258 <293>; 117, 330 <355>; 130, 263 <293>; 139, 64 <118 Rn. 111>; 140, 240 <284 f. Rn. 90>). Die Organisation der öffentlichen Verwaltung stellt darauf ab, dass in den höher besoldeten Ämtern die für den Dienstherrn wertvolleren Leistungen erbracht werden. Deshalb muss im Hinblick auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter eine Staffelung der Gehälter einhergehen. Vergleiche sind dabei nicht nur innerhalb einer Besoldungsordnung, sondern gerade auch zwischen den verschiedenen Besoldungsordnungen geboten (vgl. BVerfGE 130, 263 <293>; 139, 64 <118 Rn. 111>; 140, 240 <285 Rn. 90>). Amtsangemessene Gehälter sind auf dieser Grundlage so zu bemessen, dass sie Richtern und Staatsanwälten eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung ihres jeweiligen Amtes entspricht (vgl. BVerfGE 117, 330 <355>; 139, 64 <118 Rn. 111>; 140, 240 <285 Rn. 90>).

44Das Ergebnis des systeminternen Besoldungsvergleichs kann in zweifacher Hinsicht indizielle Bedeutung dafür haben, dass die Besoldung hinter den Vorgaben des Alimentationsprinzips zurückbleibt.

45aa) Im ersten Fall ergibt sich die indizielle Bedeutung aus dem Umstand, dass es infolge unterschiedlich hoher linearer oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen zu einer deutlichen Verringerung der Abstände zwischen zwei zu vergleichenden Besoldungsgruppen kommt. Diese Schwelle ist nicht erst dann überschritten, wenn die Abstände ganz oder im Wesentlichen eingeebnet werden. Das wäre mit dem Abstandsgebot als eigenständigem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums unvereinbar (vgl. BVerfGE 145, 304 <328 f. Rn. 74 ff.>; 150, 169 <183 f. Rn. 34, 191 Rn. 60>). Ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden (vgl. BVerfGE 139, 64 <118 Rn. 112>; 140, 240 <286 Rn. 92>).

46bb) Im zweiten Fall folgt die indizielle Bedeutung aus der Missachtung des gebotenen Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau in der untersten Besoldungsgruppe.

47(1) Beim Mindestabstandsgebot handelt es sich - wie beim Abstandsgebot - um einen eigenständigen, aus dem Alimentationsprinzip abgeleiteten Grundsatz. Es besagt, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss (vgl. BVerfGE 81, 363 <378>; 99, 300 <321 f.>; 140, 240 <286 f. Rn. 93 f.>). Dieser Mindestabstand wird unterschritten, wenn die Nettoalimentation (unter Berücksichtigung der familienbezogenen Bezügebestandteile und des Kindergelds) um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt (vgl. BVerfGE 81, 363 <382 f.>; 99, 300 <321 f.>; 140, 240 <286 f. Rn. 93 f.>). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass - zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder - eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann, so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf (vgl. BVerfGE 44, 249 <272 f.>; 81, 363 <377 f.>; 99, 300 <315 f.>). Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung. Auch hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfügt der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 44, 249 <267>; 81, 363 <376>; 99, 300 <315>). Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr steht es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen.

48(2) Wird bei der zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppe der Mindestabstand zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht eingehalten, liegt allein hierin eine Verletzung des Alimentationsprinzips. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation einer höheren Besoldungsgruppe, bei der das Mindestabstandsgebot selbst gewahrt ist, lässt sich eine solche Schlussfolgerung nicht ohne Weiteres ziehen. Eine Verletzung des Mindestabstandsgebots betrifft aber insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Besoldungsgesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Das für das Verhältnis zwischen den Besoldungsgruppen geltende Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber dazu, bei der Ausgestaltung der Besoldung ein Gesamtkonzept zu verfolgen, das die Besoldungsgruppen und Besoldungsordnungen zueinander in Verhältnis setzt und abhängig voneinander aufbaut. Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts als verfassungswidrig, weil für die unterste(n) Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen des Mindestabstandsgebots missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen.

49Allerdings hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, wie er bei der Festsetzung der Bezüge den Anforderungen des Gebotes eines Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau Rechnung trägt. Neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilferecht kommt insbesondere auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht (vgl. BVerfGE 140, 240 <287 Rn. 94>). Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt. Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können. Die Verletzung des Mindestabstandsgebots bei einer niedrigeren Besoldungsgruppe ist daher (nur) ein Indiz für die unzureichende Ausgestaltung der höheren Besoldungsgruppe, das mit dem ihm nach den Umständen des Falles zukommenden Gewicht in die Gesamtabwägung einzustellen ist.

50(3) Das zur Bestimmung der Mindestalimentation herangezogene Grundsicherungsniveau umfasst alle Elemente des Lebensstandards, der den Empfängern von Grundsicherungsleistungen staatlicherseits gewährt wird, unabhängig davon, ob diese zum von Verfassungs wegen garantierten Existenzminimum (vgl. BVerfGE 125, 175 <221 ff.>; 137, 34 <72 Rn. 74>) zählen oder über dieses hinausgehen und ob zur Befriedigung der anerkannten Bedürfnisse Geldleistungen gewährt oder bedarfsdeckende Sach- beziehungsweise Dienstleistungen erbracht werden.

51(a) Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, die derzeit zusammen mit den Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII den Kern des Grundsicherungsniveaus bilden, beruhen nur teilweise auf gesetzgeberischen Pauschalierungen (so etwa hinsichtlich der Regelbedarfe, §§ 20, 23 SGB II und §§ 27a ff. SGB XII i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz vom <BGBl I S. 453>); im Übrigen knüpft der Sozialgesetzgeber an die tatsächlichen Bedürfnisse an (insbesondere bei den Kosten der Unterkunft, § 22 SGB II). Deshalb divergiert die Höhe der Gesamtleistungen bei gleicher Haushaltsgröße erheblich.

52Ist der Gesetzgeber gehalten, den Umfang der Sozialleistungen realitätsgerecht (vgl. BVerfGE 66, 214 <223>; 68, 143 <153>; 82, 60 <88>; 87, 153 <172>; 99, 246 <260>; 99, 300 <1. Leitsatz>) zu bemessen, kann dies nicht ohne vereinfachende Annahmen gelingen. Die zu berücksichtigenden Positionen müssen notwendigerweise typisiert werden (vgl. BVerfGE 99, 246 <261>). Weder der in erster Linie zur Durchführung einer entsprechenden Berechnung berufene Besoldungsgesetzgeber noch das zur Nachprüfung berufene Bundesverfassungsgericht muss sich an atypischen Sonderfällen orientieren. Die Herangehensweise muss jedoch von dem Ziel bestimmt sein, sicherzustellen, dass die Nettoalimentation in möglichst allen Fällen den gebotenen Mindestabstand zu dem den Empfängern der sozialen Grundsicherung gewährleisteten Lebensstandard wahrt (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 99, 246 <261>). Damit kommt eine Orientierung an einem Durchschnittswert jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Varianz so groß ist, dass er in einer größeren Anzahl von Fällen erkennbar nicht ausreichen würde (vgl. BVerfGE 120, 125 <160>). Zwar hat der Senat dem Steuergesetzgeber in der Vergangenheit unter Durchbrechung des Grundsatzes, dass kein Steuerpflichtiger infolge einer Besteuerung seines Einkommens darauf verwiesen werden dürfe, seinen existenznotwendigen Bedarf durch Inanspruchnahme von Staatsleistungen zu sichern, zugebilligt, sich bei einem erheblichen Preisgefälle auf dem Wohnungsmarkt hinsichtlich der Wohnkosten bei der Bemessung des Grundfreibetrags an einem "unteren Wert" zu orientieren. Er hat dies aber unter der Bedingung getan, dass der Gesetzgeber zugleich zur ergänzenden Deckung des Bedarfs nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie etwa ein Wohngeld, zur Verfügung stellt (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>). Weil die Besoldung der Beamten und Richter nicht dem Gewährleistungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG entzogen werden kann, darf der Besoldungsgesetzgeber sie, wenn es um die Einhaltung der aus dem Alimentationsprinzip folgenden Mindestanforderungen geht, indes nicht auf den Bezug von Sozialleistungen verweisen. Allenfalls dürfen tatsächlich bezogene Sozialleistungen auf die Bezüge angerechnet werden (vgl. BVerfGE 44, 249 <269 f.>; 70, 69 <81>). Anderes gilt nur für das Kindergeld (vgl. BVerfGE 81, 363 <375 f.>; 99, 300 <315, 321>), weil mit ihm im Ausgangspunkt die - bei der Ermittlung des Nettogehalts ohnehin zu berücksichtigende - verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes bewirkt wird (vgl. BVerfGE 99, 246 <265>) und es daher nur in bestimmten Fällen und in unterschiedlichem Umfang den Charakter einer Sozialleistung hat (vgl. BVerfGE 82, 60 <78 f.>).

53Die nachfolgenden Ausführungen stellen keine für den Besoldungsgesetzgeber in jeder Einzelheit verbindliche Berechnungsgrundlage dar. Ihm stünde es insbesondere frei, die Höhe des Grundsicherungsniveaus mit Hilfe einer anderen plausiblen und realitätsgerechten Methodik zu bestimmen (vgl. BVerfGE 137, 34 <75 f. Rn. 82 ff.>). Ihn trifft jedoch die Pflicht, die ihm zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich der Höhe der Grundsicherungsleistungen auszuschöpfen, um die Entwicklung der Lebensverhältnisse zu beobachten und die Höhe der Besoldung an diese Entwicklung kontinuierlich im gebotenen Umfang anzupassen (vgl. BVerfGE 117, 330 <355>; 130, 263 <302>; 137, 34 <76 Rn. 85>; 146, 164 <197 Rn. 85>). Stellt er dabei eine erhebliche (regionale) Spreizung innerhalb seines Verantwortungsbereichs fest, kann er darauf mit einer regionalen Differenzierung der Beamtenbesoldung reagieren.

54(b) Gemäß § 20 SGB II wird zur Befriedigung des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts ein monatlicher Pauschalbetrag anerkannt, dessen Höhe regelmäßig neu festgesetzt wird. Dabei wird typisierend für unterschiedliche Lebensumstände ein unterschiedlicher Regelbedarf angenommen. Für in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Erwachsene gilt gemäß § 20 Abs. 4 SGB II die Bedarfsstufe 2. Für Kinder richtet sich die Zuordnung zu einer Regelbedarfsstufe nach dem Lebensalter. Insofern kann auf die im Existenzminimumbericht der Bundesregierung etablierte Berechnungsmethode zurückgegriffen werden, bei der die Regelbedarfssätze mit der Anzahl der für die einzelnen Regelbedarfsstufen relevanten Lebensjahre gewichtet werden (vgl. BTDrucks 19/5400, S. 6).

55(c) Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft bietet sich ein Rückgriff auf die von der Bundesagentur für Arbeit statistisch ermittelten Werte an.

56(aa) Eine Übernahme der in den Existenzminimumberichten angewandten Methode kommt nicht in Betracht. Im streitgegenständlichen Zeitraum wurden darin neben dem gesamtdeutschen Mietenniveau der Wohngeldempfänger der für die Mietenstufen I bis IV nach Fallzahlen gewichtete Durchschnittswert zugrunde gelegt (vgl. BTDrucks 16/11065, S. 3; BTDrucks 18/3893, S. 4; nunmehr aber BTDrucks 19/5400, S. 5) und damit gerade die Mieten der (damals) höchsten Mietenstufen V und VI nach § 12 WoGG außer Ansatz gelassen (vgl. Modrzejewski, Existenzsicherung in Ehe und Familie im Einkommensteuerrecht, 2018, S. 138). Dass die Auffassung der Bundesregierung, diese Methodik sei auch für die Bestimmung der Mindestalimentation heranzuziehen, nicht zutreffen kann, folgt schon daraus, dass sie in ihrer Stellungnahme die Beamten ausdrücklich auf den Wohngeldbezug verweist. Der Besoldungsgesetzgeber kann sich seiner aus dem Alimentationsprinzip ergebenden Verpflichtung aber nicht mit Blick auf Sozialleistungsansprüche entledigen; die angemessene Alimentation muss durch das Beamtengehalt selbst gewahrt werden (vgl. BVerfGE 44, 249 <269 f.>; 70, 69 <81>).

57(bb) Um der verfassungsrechtlichen Zielsetzung, das Grundsicherungsniveau als Ausgangspunkt für die Festlegung der Untergrenze der Beamtenbesoldung zu bestimmen, gerecht zu werden, muss der Bedarf für die Kosten der Unterkunft so erfasst werden, wie ihn das Sozialrecht definiert und die Grundsicherungsbehörden tatsächlich anerkennen. Auch muss der Ansatz so bemessen sein, dass er auch in den Kommunen mit höheren Kosten der Unterkunft das Grundsicherungsniveau nicht unterschreitet.

58§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sieht vor, dass Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Solange nicht aufgrund von § 22a Abs. 1 in Verbindung mit § 22b Abs. 1 SGB II durch Satzung (oder Verordnung) bestimmt wird, welche Kosten der Unterkunft beziehungsweise welche Wohnfläche entsprechend der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes als angemessen anerkannt werden, muss die Angemessenheit der Kosten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einer mehrstufigen Einzelfallprüfung ermittelt werden: Zunächst ist die sogenannte abstrakte Angemessenheit der Miete zu bestimmen, für die es auf Wohnfläche, Wohnstandard (insbesondere Lage und Ausstattung) und örtliches Preisniveau ankommt. Nach der sogenannten Produkttheorie ist eine Unterkunft angemessen, deren Kosten dem Produkt aus angemessener Wohnfläche einerseits und dem im Vergleichsraum für Wohnungen einfachen Standards ermittelten Mietzins pro Quadratmeter andererseits entspricht (vgl. B 7b AS 18/06 R -, juris, Rn. 20). Der Vergleichsraum ist ausgehend vom Wohnort zu bestimmen, wobei es darauf ankommt, welche Orte aufgrund ihrer räumlichen Nähe, der Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl. -, juris, Rn. 18 m.w.N.). Dabei kann der Grundsicherungsempfänger seinen Wohnort frei wählen: Nach einem Umzug über die Grenzen des kommunalen Vergleichsraums hinaus sind die anzusetzenden Kosten der Unterkunft nicht auf die Aufwendungen am bisherigen Wohnort begrenzt (vgl. -, juris, Rn. 18 ff. unter Verweis auch auf Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 GG). Die anzusetzende Wohnfläche wird aus den im jeweils fraglichen Zeitraum geltenden landesrechtlichen Vorgaben für den sozialen Mietwohnungsbau abgeleitet (vgl. -, juris, Rn. 18). Der Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards ist auf der Grundlage eines überprüfbaren, schlüssigen Konzepts zur Datenerhebung und -auswertung zu ermitteln, das die Gewähr dafür bietet, die Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts in einem bestimmten Zeitraum wiederzugeben (vgl. BSG, Urteil vom 22. Septem- ber 2009 - B 4 AS 18/09 R -, juris, Rn. 17 ff.). Überschreiten die tatsächlichen Aufwendungen den nach diesen Maßgaben bestimmten abstrakt angemessenen Betrag, wird im Verfahren nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II geprüft, ob im konkreten Einzelfall eine bedarfsgerechte und kostengünstige Wohnung tatsächlich verfügbar und zugänglich ist. Ist dies nicht der Fall, sind die höheren Kosten anzuerkennen (vgl. -, juris, Rn. 21 ff.).

59(cc) Die Höhe der grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft wird realitätsgerecht erfasst, wenn die von der Bundesagentur für Arbeit länderspezifisch erhobenen und in ihrer Auskunft übermittelten Daten über die tatsächlich anerkannten Bedarfe (95 %-Perzentil) zugrunde gelegt werden. Hierbei handelt es sich um den Betrag, mit dem im jeweiligen Jahr bei rund 95 % der Partner-Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern der anerkannte monatliche Bedarf für laufende Kosten der Unterkunft abgedeckt worden ist. Der Anteil der Haushalte, bei denen ein noch höherer monatlicher Bedarf für die laufenden Kosten der Unterkunft anerkannt worden ist, liegt bei unter 5 %. Auf diese Weise werden die tatsächlich als angemessen anerkannten Kosten der Unterkunft erfasst, während zugleich die statistischen Ausreißer, die auf besonderen Ausnahmefällen beruhen mögen, außer Betracht bleiben. Damit wird sichergestellt, dass die auf dieser Basis ermittelte Mindestbesoldung unabhängig vom Wohnort des Beamten ausreicht, um eine angemessene Wohnung bezahlen zu können.

60(dd) Anders als die Regierung des Saarlandes in ihrer Stellungnahme ausführt, kann der Dienstherr nicht erwarten, dass Beamte der untersten Besoldungsgruppe ihren Wohnsitz "amtsangemessen" in dem Ort wählen, der landesweit die niedrigsten Wohnkosten aufweist. Diese Überlegung entfernt sich unzulässig vom Grundsicherungsrecht, das die freie Wohnortwahl gewährleistet, insbesondere auch den Umzug in den Vergleichsraum mit den höchsten Wohnkosten. Unabhängig davon dürfen Beamte weder ihre Dienststelle noch ihren Wohnort beliebig wählen. Der Bestimmung der Dienststelle durch den Dienstherrn können nur schwerwiegende persönliche Gründe oder außergewöhnliche Härten entgegengehalten werden (vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, § 28 Rn. 76 <November 2009> m.w.N.). Die Beamten sind zudem auch ohne ausdrückliche Anordnung einer Residenzpflicht verpflichtet, ihre Wohnung so zu nehmen, dass die ordnungsmäßige Wahrnehmung ihrer Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt wird (vgl. § 72 Abs. 1 BBG sowie § 69 LBesG BE).

61Der Besoldungsgesetzgeber ist allerdings nicht verpflichtet, die Mindestbesoldung eines Beamten oder Richters auch dann an den regionalen Höchstwerten auszurichten, wenn dieser hiervon gar nicht betroffen ist. Der Gesetzgeber muss nicht pauschalieren, sondern kann den maßgeblichen Bedarf individuell oder gruppenbezogen erfassen (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>). Insbesondere ist er frei, Besoldungsbestandteile an die regionalen Lebenshaltungskosten anzuknüpfen, etwa durch (Wieder-)Einführung eines an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlags (vgl. hierzu BVerfGE 117, 330 <345 ff.>), wie es derzeit regelmäßig bei einer Auslandsverwendung (vgl. § 1b Abs. 1 Nr. 1 LBesG BE i.V.m. § 52 Abs. 1 BBesG i.d.F. vom ) und teilweise auch innerhalb eines Landes (vgl. Art. 94 BayBesG) praktiziert wird. Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>). Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit.

62(d) Zum grundsicherungsrechtlichen Bedarf zählen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch Heizkosten, sofern sie angemessen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können dem bundesweiten Heizspiegel, der jährlich nach Energieträger und Größe der Wohnanlage gestaffelte Vergleichswerte ausweist, Richtwerte entnommen werden. Nur wenn die Heizkosten das Produkt aus der angemessenen Wohnfläche und dem Höchstwert des Heizspiegels übersteigen, besteht Anlass dazu, die Aufwendungen konkret auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen (vgl. -, juris, Rn. 30; Urteil vom - B 14 AS 60/12 R -, juris, Rn. 22).

63Die Berechnungen des Bundesverwaltungsgerichts beruhen auf diesen Vorgaben und können deshalb als realitätsgerechter Ansatz übernommen werden. Dass dabei auf bundeseinheitliche Werte des Heizspiegels abgestellt wird, steht nicht im Widerspruch zur Föderalisierung des Besoldungsrechts, weil das Grundsicherungsrecht insofern keine Regionalisierung vorsieht.

64(e) Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene hat der Gesetzgeber über den Regelbedarf hinaus Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (im Folgenden: Bildung und Teilhabe) gesondert erfasst. Auch sie zählen zum sozialhilferechtlichen Grundbedarf (vgl. BVerfGE 137, 34 <95 ff. Rn. 130 ff.>).

65Bis 2011 wurden insbesondere ein fester Betrag von 100 Euro für den persönlichen Schulbedarf pro Schuljahr (§ 24a SGB II a.F.) und der Ersatz der erforderlichen Ausgaben für mehrtägige Klassenfahrten (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II a. F.) anerkannt. Von 2011 bis 2015 wurden in § 28 SGB II folgende Bedarfe erfasst: Leistungen für Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen (§ 28 Abs. 2 SGB II), persönlicher Schulbedarf (§ 28 Abs. 3 SGB II), Kosten der Schülerbeförderung, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es nicht zumutbar ist, sie aus dem Eigenbedarf zu bestreiten (§ 28 Abs. 4 SGB II), angemessene Kosten der Lernförderung, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen (§ 28 Abs. 5 SGB II), Mehraufwendungen für die Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung von Schülern und von Kindern, die in Tageseinrichtungen oder in der Kindertagespflege betreut werden (§ 28 Abs. 6 SGB II), sowie Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (§ 28 Abs. 7 SGB II). Pauschaliert sind lediglich der persönliche Schulbedarf (100 Euro pro Schuljahr) und die Aufwendungen für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (zehn Euro pro Monat bis zum 18. Lebensjahr), wobei seit 2013 in Ausnahmefällen auch die (höheren) tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt werden können (§ 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II). Im Übrigen werden im Grundsatz die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt.

66Die Bundesregierung legt ihren Berechnungen in den einschlägigen Existenzminimumberichten (BTDrucks 16/11065, S. 5; 17/5550, S. 5; 17/11425, S. 5) nur "typische Bedarfspositionen" zugrunde, wobei sie hierunter Leistungen versteht, deren Höhe sich aus den entsprechenden sozialrechtlichen Regelungen ergebe. Sie berücksichtige daher jährlich 100 Euro für den Schulbedarf, monatlich drei Euro für Ausflüge von Kindern in Schulen und Kindertageseinrichtungen sowie monatlich zehn Euro für die Teilnahme an Angeboten zur Freizeitgestaltung. Dieser Ansatz ist in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich: Das dort gewählte Kriterium einer unmittelbar im Gesetz erfolgten Bezifferung passt mit dem Ansatz, typischerweise anfallende Bedarfsposten zu erfassen, nicht zusammen. Abgesehen davon, dass es mit Blick auf die Tagesausflüge nicht konsequent durchgehalten wird, ist nicht nachvollziehbar, warum Klassenfahrten, die aufgrund der schulrechtlichen Bestimmungen erfahrungsgemäß mehrmals im Laufe der Schullaufbahn anfallen und erhebliche Kosten verursachen, außer Betracht bleiben sollten. Vergleichbares gilt angesichts der zunehmenden Ganztagsbetreuung für die Mittagsverpflegung.

67Für die Bestimmung des Grundsicherungsniveaus sind vielmehr im Ausgangspunkt alle Bedarfe des § 28 SGB II relevant. Nur wenn feststeht, dass bestimmte Bedarfe auf außergewöhnliche Lebenssituationen zugeschnitten sind und deshalb tatsächlich nur in Ausnahmefällen bewilligt werden, können sie außer Ansatz bleiben. Danach dürften der persönliche Schulbedarf, Aufwendungen für Schulausflüge, Klassenfahrten und das Mittagessen in Gemeinschaftsverpflegung sowie die Kosten der Teilhabe bei sozialen, sportlichen und kulturellen Aktivitäten dem Grunde nach zu berücksichtigen sein. Um einen realitätsgerechten Wert zu ermitteln, sind die Ausgaben mit der Zahl derjenigen ins Verhältnis zu setzen, die den jeweiligen Bedarf auch tatsächlich geltend machen. Fallen bestimmte Bedarfe nur in bestimmten Altersstufen an, wie etwa der Schulbedarf oder Klassenfahrten, ist wie bei den Regelsätzen ein gewichteter Durchschnitt zu bilden.

68(f) Nach § 21 SGB II sind bestimmte Mehrbedarfe anzuerkennen, die auf besondere Lebensumstände zurückzuführen sind. Aus der Statistik der Bundesagentur für Arbeit geht hervor, dass seit 2011 zwar der Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserversorgung in nennenswerter Häufigkeit anfällt, im Durchschnitt aber nur mit weniger als einem Euro monatlich. Mehrbedarfe im Bagatellbereich können bei der Typisierung außer Ansatz bleiben.

69(g) Der Lebensstandard der Grundsicherungsempfänger wird nicht allein durch als solche bezeichnete Grundsicherungsleistungen bestimmt. Ihnen werden - in letzter Zeit vermehrt - vornehmlich Dienstleistungen zu einem vergünstigten "Sozialtarif" angeboten, etwa im Bereich der weitverstandenen Daseinsvorsorge (öffentlicher Nahverkehr, Museen, Theater, Opernhäuser, Schwimmbäder usw.). Von erheblicher praktischer Bedeutung sind auch die Kosten für die Kinderbetreuung. Seit dem dürfen von Grundsicherungsempfängern für die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege keine Beiträge mehr erhoben werden (vgl. § 90 Abs. 4 SGB VIII i.d.F. des Art. 2 Nr. 2 Buchstabe c des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung vom <BGBl I S. 2696>; die Gegenfinanzierung erfolgt im Rahmen des Finanzausgleichs <vgl. Art. 3 und Art. 4 des zuletzt genannten Gesetzes>). Dabei handelt es sich - anders als beim Kindergeld - nicht um eine Vergünstigung, die allen Kindern zuteil wird. Eltern, die keine Sozialleistungen beziehen, müssen diese Leistungen (zumindest teilweise) bezahlen.

70Diese geldwerten Vorteile werden nicht in der Statistik der Grundsicherungsbehörden erfasst. Gleichwohl können sie bei einer realitätsgerechten Ermittlung des den Grundsicherungsempfängern gewährleisteten Lebensstandards nicht unberücksichtigt bleiben. Es handelt sich um Bedürfnisse, deren Erfüllung die öffentliche Hand für jedermann als so bedeutsam erachtet, dass sie Grundsicherungsempfängern entsprechende Leistungen mit Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage kostenfrei oder vergünstigt zur Verfügung stellt und hierfür öffentliche Mittel einsetzt.

71Weil die gewährten Vorteile überwiegend regional und nach den Lebensumständen der Betroffenen höchst unterschiedlich ausfallen, ist es für Gerichte kaum möglich, hierzu - zumal rückwirkend - Feststellungen zu treffen. Hinzu kommt, dass noch aufzuklären wäre, inwiefern bei der Ermittlung der Regelsätze diese Vergünstigungen berücksichtigt worden sind. Solange aber auch ohne Berücksichtigung etwaiger geldwerter Vorteile feststeht, dass der Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau nicht gewahrt ist, sind Feststellungen zu Art und Umfang der genannten geldwerten Vorteile mangels Entscheidungserheblichkeit entbehrlich. Auch insoweit ist in erster Linie der Besoldungsgesetzgeber gefordert, die Entwicklung der Lebensverhältnisse zu beobachten, um Art und Ausmaß der geldwerten Vorteile zu ermitteln und die Höhe der Besoldung diesen kontinuierlich im gebotenen Umfang anzupassen (vgl. BVerfGE 117, 330 <355>; 130, 263 <302>; 137, 34 <76 Rn. 85>; 146, 164 <197 Rn. 85>).

72(4) Dem Grundsicherungsniveau gegenüberzustellen ist die Nettoalimentation, die einer vierköpfigen Familie auf Grundlage der untersten Besoldungsgruppe zur Verfügung steht.

73(a) Bezugspunkt ist das Gehalt als Ganzes (vgl. BVerfGE 44, 249 <272>). Neben dem Grundgehalt sind daher solche Bezügebestandteile zu berücksichtigen, die allen Beamten einer Besoldungsgruppe gewährt werden (vgl. BVerfGE 99, 300 <321>; 139, 39 <112 Rn. 93>; 140, 240 <278 Rn. 72>).

74Maßgeblich ist die niedrigste vom Dienstherrn für aktive Beamte ausgewiesene Besoldungsgruppe. Sind Besoldungsgruppen nur noch für die Berechnung von Versorgungsbezügen relevant, weil durch gesetzliche Bestimmung das Eingangsamt für die erste Laufbahngruppe angehoben (vgl. § 2a LBesG BE) oder ein entsprechender Vermerk in der jeweiligen Besoldungsordnung aufgenommen worden ist (vgl. Anlage I zum LBesG BE, Vorbemerkung Ziff. 2), und sind auch tatsächlich keine aktiven Beamten mehr vorhanden, werden sie nicht berücksichtigt.

75Abzustellen ist auf die niedrigste Erfahrungsstufe, weil angesichts der Vielgestaltigkeit der Erwerbsbiographien und im Hinblick auf die angehobenen Einstellungshöchstaltersgrenzen nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass ein verheirateter Beamter mit zwei Kindern noch in der ersten Erfahrungsstufe eingeordnet ist.

76(b) Bei der Ermittlung des Nettoeinkommens sind die Kosten einer die Beihilfeleistungen des Dienstherrn ergänzenden Krankheitskosten- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen (vgl. BVerfGE 140, 240 <286 f. Rn. 94 f.>; vgl. auch BTDrucks 18/9533, S. 36 f.). Gewährt der Dienstherr freie Heilfürsorge oder erhöht er den Beihilfesatz (vgl. BVerfGE 140, 240 <287 Rn. 94>), wirkt sich dies auf die Höhe des Nettoeinkommens aus.

77Gemäß § 193 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) vom (BGBl I S. 2631) ist jede Person mit Wohnsitz im Inland, die nicht gesetzlich versichert oder anderweitig abgesichert ist, verpflichtet, eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen. Aus § 23 Abs. 1 SGB XI folgt die Verpflichtung, sich auch für das Eintreten des Pflegefalls zu versichern. Gemäß § 26 SGB II sind angemessene Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversicherung als Bedarf der Grundsicherungsempfänger anzuerkennen. Die Aufwendungen für eine private Kranken- und Pflegeversicherung sind daher auch Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums, soweit sie zur Erlangung eines von der Grundsicherung gewährleisteten Versorgungsniveaus erforderlich sind (vgl. BVerfGE 120, 125 <161>).

78Eine Beschränkung der zu berücksichtigenden Aufwendungen entsprechend § 26 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB II, wonach die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung nur bis zur Höhe des nach § 152 Abs. 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes beziehungsweise § 110 Abs. 2 Satz 3 des Elften Sozialgesetzbuchs ermäßigten Beitrags anerkannt werden, scheidet aus. Diese Regelung vermindert nicht den Gesamtaufwand, der erforderlich ist, um den zum sozialhilferechtlichen Bedarf zählenden Kranken- und Pflegeversicherungsschutz sicherzustellen, sie verteilt nur die Lasten anders. Es handelt sich um eine sozialstaatliche Indienstnahme der privaten Krankenversicherungsunternehmen (vgl. BVerfGE 123, 186 <249>). Hinzu kommt, dass nur Versicherte in den Genuss der Prämienreduktion kommen, die tatsächlich grundsicherungsberechtigt sind. Auch eine Beschränkung auf den steuerlich absetzbaren Beitragsanteil kommt nicht in Betracht. Hierbei handelt es sich um einen allein für die Zwecke der Besteuerung ermittelten Wert, zu dem ein Versicherungsschutz nicht zu erlangen ist.

79(c) Vom Bruttoeinkommen abzuziehen sind die Steuern. Dabei ist auch die Absetzbarkeit der Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Hinzuzurechnen ist das Kindergeld (vgl. BVerfGE 99, 300 <315, 321>). In der untersten Besoldungsgruppe wirkt sich der Kinderfreibetrag nicht günstiger aus.

80f) Als fünfter Parameter bildet schließlich der Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und der anderen Länder ein weiteres Indiz für die Bestimmung des Kerngehalts der Alimentation (vgl. BVerfGE 139, 64 <118 f. Rn. 113>; 140, 240 <287 f. Rn. 96>). Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom (BGBl I S. 2034) hat der Gesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung der Beamten und Richter auf die Länder (zurück-)übertragen. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hindert den Besoldungsgesetzgeber zwar grundsätzlich nicht, eigenständige Regelungen zu treffen und dabei den unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 30, 90 <103>; 93, 319 <348 f.>). Gleichwohl ist eine unbegrenzte Auseinanderentwicklung der Bezüge im Bund und in den Ländern durch die infolge der Neuordnung der Kompetenzverteilung im Grundgesetz eröffnete Befugnis zum Erlass jeweils eigener Besoldungsregelungen nicht gedeckt. Art. 33 Abs. 5 GG setzt der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers insoweit Grenzen, ohne ein besoldungsrechtliches Homogenitätsgebot zu postulieren (vgl. BVerfGE 139, 64 <119 Rn. 113>; 140, 240 <288 Rn. 96>).

81Die Alimentation muss es Richtern und Staatsanwälten ermöglichen, sich ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf zu widmen und in rechtlicher wie wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben beizutragen. Sie dient damit nicht allein dem Lebensunterhalt, sondern hat - angesichts der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit - zugleich eine qualitätssichernde Funktion (vgl. BVerfGE 150, 169 <182 Rn. 30>; stRspr). Damit die Entscheidung für eine Tätigkeit als Richter oder Staatsanwalt für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte attraktiv ist, muss sich die Amtsangemessenheit der Alimentation auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen bestimmen, die für vergleichbare und auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des in Rede stehenden öffentlichen Dienstes erzielt werden (vgl. BVerfGE 114, 258 <293 f.>; 117, 330 <354>; 119, 247 <268>; 130, 263 <293 f.>; 139, 64 <119 Rn. 114>; 140, 240 <288 Rn. 97>). Neben einem Vergleich mit den Entlohnungssystemen in der Privatwirtschaft, der auf der zweiten Prüfungsstufe in die notwendige Gesamtabwägung einbezogen wird (vgl. BVerfGE 139, 64 <124 Rn. 124>; 140, 240 <293 Rn. 107>), ist dabei vor allem die Besoldung in den anderen Ländern und im Bund zu berücksichtigen. Die Attraktivität eines Amtes bemisst sich - gerade angesichts einer erfahrungsgemäß erhöhten Flexibilität von Berufseinsteigern - auch nach der Höhe der Bezüge im Vergleich der Länder und des Bundes. Eine Verengung des Blicks ausschließlich auf die wirtschaftliche und finanzielle Situation des betreffenden Landes verlöre aus dem Auge, dass im föderalen System des Grundgesetzes die optimale Erledigung der eigenen Aufgaben bei gleichzeitig begrenzten personellen Ressourcen durch den Wettbewerb mit anderen Dienstherren bestimmt wird. Insoweit ist neben dem ebenfalls bundesweiten Vergleich mit der Privatwirtschaft der Vergleich mit den Konditionen des Staatsdienstes und der Besoldung im Dienste des Bundes und anderer Länder aussagekräftig (vgl. BVerfGE 139, 64 <119 f. Rn. 114>; 140, 240 <288 Rn. 97>).

82Maßgeblich sind die Durchschnittswerte der jährlichen Bruttobezüge (einschließlich allgemein gewährter Stellenzulagen und Sonderzuwendungen) in den vergleichbaren Besoldungsgruppen aller Länder und (soweit dort vorhanden) des Bundes, die zu jeweils gleichen Anteilen in die Berechnung einfließen. Weil der fünfte Parameter anzeigen soll, wie weit sich die den Richtern und Staatsanwälten tatsächlich gewährten Bezüge auseinanderentwickelt haben, wird seine Bedeutung nicht dadurch geschmälert, dass die Höhe anderer Besoldungen ebenfalls verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt ist. Allerdings sind solche Besoldungen aus dem Vergleich ausgeschlossen, deren Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt worden ist. Einer inzidenten Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der zum Vergleich herangezogenen Besoldungen bedarf es nicht. Wegen der jeweils spezifischen Aussagekraft sind sowohl das arithmetische Mittel als auch der Median als Bezugspunkt heranzuziehen.

83Zeigt sich eine erhebliche Gehaltsdifferenz im Vergleich zum Durchschnitt der Bezüge der jeweiligen Besoldungsgruppe im Bund und in den anderen Ländern, spricht dies dafür, dass die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion nicht mehr erfüllt. Wann eine solche Erheblichkeit gegeben ist, kann nicht pauschal beantwortet werden. Liegt das streitgegenständliche jährliche Bruttoeinkommen einschließlich etwaiger Sonderzahlungen 10 % unter dem arithmetischen Mittel oder dem Median für den gleichen Zeitraum, was regelmäßig einem Besoldungsunterschied von mehr als einem Monatsgehalt entsprechen dürfte, ist dies ein weiteres Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation (vgl. BVerfGE 139, 64 <120 Rn. 115>; 140, 240 <289 Rn. 98>).

843. Auf einer zweiten Prüfungsstufe sind die Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe mit den weiteren alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung zusammenzuführen.

85a) Dafür sind zunächst die Feststellungen der ersten Prüfungsstufe, insbesondere das Ausmaß der Über- oder Unterschreitung der Schwellenwerte, im Wege einer Gesamtbetrachtung zu würdigen und etwaige Verzerrungen - insbesondere durch genauere Berechnungen (vgl. oben C. I. 2. a), Rn. 30 ff.) - zu kompensieren. Den fünf Parametern der ersten Prüfungsstufe kommt für die Gesamtabwägung eine Steuerungsfunktion hinsichtlich der Prüfungsrichtung und -tiefe zu: Sind mindestens drei Parameter der ersten Prüfungsstufe erfüllt, besteht die Vermutung einer der angemessenen Beteiligung an der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des Lebensstandards nicht genügenden und damit verfassungswidrigen Unteralimentation. Diese kann im Rahmen der Gesamtabwägung sowohl widerlegt als auch erhärtet werden (vgl. BVerfGE 139, 64 <120 f. Rn. 116>; 140, 240 <289 Rn. 99>). Werden umgekehrt bei allen Parametern die Schwellenwerte unterschritten, wird eine angemessene Alimentation vermutet. Sind ein oder zwei Parameter erfüllt, müssen die Ergebnisse der ersten Stufe, insbesondere das Maß der Über- beziehungsweise Unterschreitung der Parameter, zusammen mit den auf der zweiten Stufe ausgewerteten alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen der Gesamtabwägung eingehend gewürdigt werden.

86b) Zu den auf der zweiten Stufe zu untersuchenden alimentationsrelevanten Kriterien zählen neben dem Ansehen des Amtes in der Gesellschaft sowie der vom Amtsinhaber geforderten Ausbildung und Beanspruchung (vgl. BVerfGE 44, 249 <265>; 99, 300 <315>; 114, 258 <288>; 130, 263 <292>; 139, 64 <120 f. Rn. 116>; 140, 240 <289 Rn. 99>) vor allem die besondere Qualität der Tätigkeit und Verantwortung eines Richters oder Staatsanwalts, die Entwicklung der Qualifikation der eingestellten Bewerber, der Vergleich mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung sowie die Entwicklungen im Bereich der Beihilfe und der Versorgung (vgl. BVerfGE 139, 64 <121 Rn. 116>; 140, 240 <290 Rn. 99>).

87aa) In der Höhe der Alimentation muss sich die besondere Qualität und Verantwortung eines Amtsträgers widerspiegeln (vgl. BVerfGE 139, 64 <121 Rn. 118>; 140, 240 <290 Rn. 100>). Die Alimentation bildet die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann (vgl. BVerfGE 119, 247 <264>; 139, 64 <121 Rn. 119>; 140, 240 <291 Rn. 104>; 150, 169 <181 Rn. 29>). Insoweit entfaltet das Alimentationsprinzip (auch) eine Schutzfunktion für den Beamten (vgl. BVerfGE 130, 263 <299>; 139, 64 <121 Rn. 119>; 140, 240 <291 Rn. 104>). Diese Grundsätze gelten auch für Richter. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Richteramtsrechts, die der Gesetzgeber darüber hinaus zu beachten hat, zählt insbesondere der Grundsatz der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit (vgl. BVerfGE 12, 81 <88>; 55, 372 <391 f.>; 139, 64 <121 f. Rn. 120>). Nach Art. 97 Abs. 1 GG sind Richter "unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen". Diese sachliche Unabhängigkeit ist gewährleistet, wenn der Richter seine Entscheidungen frei von Weisungen fällen kann (vgl. BVerfGE 14, 56 <69>). Die sachliche Unabhängigkeit wird durch die Garantie der persönlichen Unabhängigkeit in Art. 97 Abs. 2 GG institutionell gesichert (vgl. BVerfGE 4, 331 <346>; 14, 56 <70>; 17, 252 <259>; 18, 241 <255>; 26, 186 <198 f.>; 42, 206 <209>; 87, 68 <85>; 139, 64 <121 f. Rn. 120>). Die richterliche Unabhängigkeit muss auch durch die Besoldung der Richter gewährleistet werden (vgl. BVerfGE 12, 81 <88>; 26, 141 <154 ff.>; 55, 372 <392>; 107, 257 <274 f.>; 139, 64 <122 Rn. 121>). Die Art und Weise der Regelung von Besoldung und Versorgung des Richters sind von ganz erheblicher Bedeutung für das innere Verhältnis zu seinem Amt und für die Unbefangenheit, mit der er sich seine richterliche Unabhängigkeit bewahrt (vgl. BVerfGE 26, 141 <155 f.>). Durch die Festlegung der Besoldung in angemessener Höhe wird gewährleistet, dass der Richter unabhängig nach Gesetz und Gewissen entscheiden kann (vgl. BVerfGE 107, 257 <274 f.>; 139, 64 <122 Rn. 121>; vgl. zur internationalen Perspektive zuletzt die Studie der European Commission for the Efficiency of Justice "European judicial systems - Efficiency and quality of justice" des Europarates Nr. 26 <2018; Daten von 2016>, wonach sich die Richterbesoldung in Deutschland wie schon in den Vorjahren verglichen mit dem durchschnittlichen Bruttojahresgehalt am unteren Ende aller Mitgliedstaaten des Europarates bewegt).

88bb) Ob die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion erfüllt (vgl. BVerfGE 114, 258 <294>; 130, 263 <292>; 150, 169 <182 Rn. 30>), zeigt sich vor diesem Hintergrund auch daran, ob es in dem betreffenden Land gelingt, überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte für den höheren Justizdienst anzuwerben. Gradmesser für die fachliche Qualifikation der eingestellten Richter und Staatsanwälte sind vorrangig die Ergebnisse in der Ersten Prüfung und der Zweiten Staatsprüfung. Sinkt - auch im Vergleich zu den Ergebnissen aller Absolventen im Vergleichszeitraum - das Notenniveau über einen Zeitraum von fünf Jahren in erheblicher Weise und/oder werden die Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst spürbar herabgesetzt, kann man in der Regel davon ausgehen, dass die Ausgestaltung der Besoldung nicht genügt, um die Attraktivität des Dienstes eines Richters oder Staatsanwalts zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 139, 64 <121 Rn. 117>). Das Gleiche gilt, wenn in größerem Umfang Bewerber zum Zuge kommen, die nicht in beiden Examina ein Prädikatsexamen ("vollbefriedigend" oder besser) erreicht haben.

89cc) Zugleich muss sich die Amtsangemessenheit der Alimentation, um ihre qualitätssichernde Funktion zu erfüllen, auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen bestimmen, die für vergleichbare oder auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden (vgl. BVerfGE 114, 258 <293 f.>; 117, 330 <354>; 119, 247 <268>; 130, 263 <293 f.>; 139, 64 <124 Rn. 124>; 140, 240 <293 Rn. 107>). Ob die Alimentation in einem Amt, das für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte attraktiv sein soll, angemessen ist, zeigt auch ein Vergleich der Besoldungshöhe mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung in der Privatwirtschaft, wobei die Besonderheiten des Status und des beamtenrechtlichen Besoldungs- und Versorgungssystems nicht außer Acht gelassen werden dürfen (vgl. BVerfGE 130, 263 <294>; 139, 64 <124 Rn. 124>; 140, 240 <293 Rn. 107>).

90dd) Die Amtsangemessenheit der Alimentation ist ferner im Lichte des Niveaus der Beihilfeleistungen zu bewerten (vgl. BVerfGE 139, 64 <122 f. Rn 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. BVerfGE 83, 89 <99>; 106, 225 <232>). Das gegenwärtige System der Beihilfe ist zwar nicht Bestandteil der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation; von Verfassungs wegen muss die amtsangemessene Alimentation lediglich die Kosten einer Krankenversicherung decken, die zur Abwendung krankheitsbedingter, durch Leistungen aufgrund der Fürsorgepflicht nicht ausgeglichener Belastungen erforderlich ist (vgl. BVerfGE 83, 89 <98>; 106, 225 <233>; 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Die Alimentation ist aber dann nicht mehr ausreichend, wenn die Krankenversicherungsprämien, die zur Abwendung krankheitsbedingter und nicht von der Beihilfe ausgeglichener Belastungen erforderlich sind, einen solchen Umfang erreichen, dass der angemessene Lebensunterhalt des Richters, Beamten oder Versorgungsempfängers nicht mehr gewährleistet ist. Das Prinzip der amtsangemessenen Alimentation verlangt, eine Auszehrung der allgemeinen Gehaltsbestandteile durch krankheitsbezogene Aufwendungen zu verhindern (vgl. BVerfGE 117, 330 <351 f.>; 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Bei einer solchen Sachlage kann daher eine entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze, die das Alimentationsprinzip konkretisieren, verfassungsrechtlich geboten sein (vgl. BVerfGE 58, 68 <78>; 106, 225 <233>; 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Gleiches gilt, wenn eine Vielzahl zeitlich gestaffelter, für sich genommen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Einschnitte des Gesetzgebers im Beihilfebereich das für den sonstigen Lebensunterhalt des Richters oder Staatsanwalts zur Verfügung stehende Einkommen unangemessen reduzieren (vgl. BVerfGE 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>).

91ee) Versorgung und Besoldung sind Teilelemente des einheitlichen Tatbestands der Alimentation und schon bei Begründung des Richter- und Beamtenverhältnisses garantiert (vgl. BVerfGE 114, 258 <298>). Der Dienstherr ist gehalten, den Unterhalt der Richter und Staatsanwälte lebenslang - und damit auch nach Eintritt in den Ruhestand - zu garantieren (vgl. BVerfGE 76, 256 <298>; 114, 258 <298>). Dieser Verpflichtung kommt er gegenwärtig durch Bereitstellung einer Vollversorgung nach. Richter und Staatsanwälte haben ihre Altersversorgung und die ihrer Hinterbliebenen nicht selbst zu veranlassen (vgl. BVerfGE 39, 196 <202>; 114, 258 <298>); stattdessen sind die Bruttobezüge der aktiven Richter und Staatsanwälte von vornherein - unter Berücksichtigung der künftigen Pensionsansprüche - niedriger festgesetzt (vgl. BVerfGE 105, 73 <115, 125>; 114, 258 <298>). Kürzungen im Bereich des Versorgungsrechts haben zur Konsequenz, dass die Amtsträger einen größeren Teil ihrer Bezüge zum Zwecke der privaten Altersvorsorge aufwenden müssen, um nicht übermäßige Einbußen ihres Lebensstandards bei Eintritt in den Ruhestand hinnehmen zu müssen. Auch dies kann zu einer Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen Alimentation führen (vgl. BVerfGE 139, 64 <123 f. Rn. 123>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>).

924. Ergibt die Gesamtschau, dass die als unzureichend angegriffene Alimentation grundsätzlich als verfassungswidrige Unteralimentation einzustufen ist, bedarf es der Prüfung, ob dies im Ausnahmefall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann. Der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation ist Teil der mit den hergebrachten Grundsätzen verbundenen institutionellen Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG. Soweit er mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder Instituten kollidiert, ist er - wie dies auch sonst der Fall ist - entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen (dritte Prüfungsstufe: vgl. BVerfGE 139, 64 <124 f. Rn. 125>; 140, 240 <293 f. Rn. 108>).

93a) Verfassungsrang hat namentlich das Verbot der Neuverschuldung in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG. Gemäß Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG sind Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen (sogenannte Schuldenbremse). Ausnahmsweise ist eine Neuverschuldung bei konjunkturellen Abweichungen von der Normallage (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Variante 1 GG) sowie bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen zulässig (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 GG). Die Haushalte der Länder waren in den Haushaltsjahren 2011 bis 2019 so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Art. 109 Abs. 3 Satz 5 GG (keine strukturelle Nettokreditaufnahme) erfüllt wird (vgl. Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG). Dabei mussten die Haushaltsgesetzgeber der Länder das Ziel der Haushaltskonsolidierung im Jahr 2020 im Blick behalten. Konkretere Verpflichtungen zur Erreichung dieses Ziels ergeben sich aus Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG nicht (vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 143d Rn. 16 <Januar 2019> mit Verweis auf BTDrucks 16/12410, S. 13; Reimer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 143d Rn. 9 <Dezember 2019>).

94b) Der in Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG angelegten Vorwirkung des Verbots der strukturellen Nettokreditaufnahme hat der Haushaltsgesetzgeber auch bei der Anpassung der Bezüge der Richter und Staatsanwälte Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 139, 64 <125 f. Rn. 127>; 140, 240 <294 f. Rn. 110>; 145, 304 <325 f. Rn. 68>; 149, 382 <394 Rn. 19>). Ungeachtet der Verschärfung der Regeln für die Kreditaufnahme durch die Neufassung des Art. 109 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 129, 124 <170>; 132, 195 <245>) vermögen indes allein die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushaltskonsolidierung den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentierung nicht einzuschränken. Andernfalls liefe die Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG ins Leere (vgl. BVerfGE 44, 249 <264 f.>; 76, 256 <311>; 99, 300 <320>; 114, 258 <291>; 117, 372 <388>; 139, 64 <125 f. Rn. 127>; 140, 240 <294 f. Rn. 110>; 145, 304 <325 f. Rn. 68>; 149, 382 <394 Rn. 19>; stRspr). Auch das besondere Treueverhältnis verpflichtet Richter und Staatsanwälte nicht dazu, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte beizutragen (vgl. BVerfGE 139, 64 <125 f. Rn. 127>; 140, 240 <294 f. Rn. 110>; 145, 304 <325 f. Rn. 68>; 149, 382 <394 Rn. 19>). Eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung aus rein finanziellen Gründen kann zur Bewältigung einer der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG genannten Ausnahmesituationen jedoch in Ansatz gebracht werden, wenn die betreffende gesetzgeberische Maßnahme Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung ist, das anhand einer aussagekräftigen Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien - gegebenenfalls unter ergänzender Heranziehung der im Rahmen eines Konsolidierungs- oder Sanierungshilfeverfahrens getroffenen Vereinbarungen - erkennbar sein muss (vgl. BVerfGE 139, 64 <125 f. Rn. 127>; 140, 240 <294 f. Rn. 110>; 145, 304 <325 f. Rn. 68>; 149, 382 <394 f. Rn. 19>). Ein solches Konzept setzt inhaltlich wenigstens die Definition eines angestrebten Sparziels sowie die nachvollziehbare Auswahl der zu dessen Erreichung erforderlichen Maßnahmen voraus (vgl. BVerfGE 149, 382 <399 Rn. 28>). Vor dem Hintergrund der Wertungen des Art. 3 Abs. 1 GG ist das notwendige Sparvolumen dabei gleichheitsgerecht zu erwirtschaften (vgl. BVerfGE 149, 382 <395 Rn. 19>).

955. Jenseits des verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, wie es sich aufgrund der oben dargestellten Gesamtschau ergibt, genießt die Alimentation einen relativen Normbestandsschutz. Der Gesetzgeber darf hier Kürzungen oder andere Einschnitte in die Bezüge vornehmen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 130, 263 <295 f.>; 139, 64 <126 Rn. 128>; 140, 240 <295 f. Rn. 111> m.w.N.). Kürzungen oder andere Einschnitte können durch solche Gründe sachlich gerechtfertigt werden, die im Bereich des Systems der Beamtenbesoldung liegen (vgl. BVerfGE 76, 256 <311>; 114, 258 <288 f.>; 139, 64 <126 Rn. 128>; 140, 240 <295 f. Rn. 111>). Zu solchen systemimmanenten Gründen können finanzielle Erwägungen zwar hinzutreten (vgl. BVerfGE 44, 249 <264 f.>; 76, 256 <311>; 81, 363 <378>; 99, 300 <320>; 114, 258 <291>; 117, 372 <388>; stRspr); das Bemühen, Ausgaben zu sparen, kann aber nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Besoldung angesehen werden (vgl. BVerfGE 76, 256 <311>; 114, 258 <291 f.>), soweit sie nicht als Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts dem in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Ziel der Haushaltskonsolidierung dient (vgl. BVerfGE 139, 64 <126 Rn. 128>; 140, 240 <295 f. Rn. 111>).

966. Die Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber ist an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen geknüpft. Diese treten als "zweite Säule" des Alimentationsprinzips neben seine auf eine Evidenzkontrolle beschränkte materielle Dimension und dienen seiner Flankierung, Absicherung und Verstärkung (vgl. BVerfGE 149, 382 <395 Rn. 20>). Eine Einschränkung dahingehend, dass eine unzureichende Begründung nur dann zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führt, wenn sich zuvor Anhaltspunkte für eine Verletzung des absoluten oder relativen Alimentationsschutzes ergeben haben (vgl. BVerwGE 161, 297 <303 Rn. 19>), würde die Ausgleichsfunktion der prozeduralen Anforderungen, den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch eine Verpflichtung zur Selbstvergewisserung zu kanalisieren (vgl. BVerfGE 130, 263 <302>; 139, 64 <127 Rn. 130>; 140, 240 <296 Rn. 113>; 149, 382 <395 Rn. 21>), unterlaufen.

97Für den Besoldungsgesetzgeber folgen aus dem Prozeduralisierungsgebot in erster Linie Begründungspflichten (vgl. BVerfGE 130, 263 <302>; 139, 64 <126 f. Rn. 129>; 140, 240 <296 Rn. 112>; 149, 382 <395 Rn. 21>). Zwar schuldet der Gesetzgeber nach überkommener Auffassung von Verfassungs wegen grundsätzlich nur ein wirksames Gesetz. Da aber das grundrechtsgleiche Recht auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation keine quantifizierbaren Vorgaben im Sinne einer exakten Besoldungshöhe liefert, bedarf es prozeduraler Sicherungen, damit die verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive des Art. 33 Abs. 5 GG auch tatsächlich eingehalten wird (vgl. BVerfGE 130, 263 <301>). Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist der Gesetzgeber daher gehalten, bereits im Gesetzgebungsverfahren die Fortschreibung der Besoldungshöhe zu begründen. Die Ermittlung und Abwägung der berücksichtigten und berücksichtigungsfähigen Bestimmungsfaktoren für den verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Anpassung der Besoldung müssen sich in einer entsprechenden Darlegung und Begründung des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren niederschlagen. Eine bloße Begründbarkeit genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Prozeduralisierung. Der mit der Ausgleichsfunktion der Prozeduralisierung angestrebte Rationalisierungsgewinn kann - auch mit Blick auf die Ermöglichung von Rechtsschutz - effektiv nur erreicht werden, wenn die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen vorab erfolgen und dann in der Gesetzesbegründung dokumentiert werden. Die Prozeduralisierung zielt auf die Herstellung von Entscheidungen und nicht auf ihre Darstellung, das heißt nachträgliche Begründung (vgl. BVerfGE 139, 64 <127 Rn. 130>; 140, 240 <296 Rn. 113>; 149, 382 <395 f. Rn. 21>; vgl. auch BVerfGE 76, 107 <121 f.>; 101, 158 <216 ff.>; anders für das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, BVerfGE 132, 134 <162 f. Rn. 70>; 137, 34 <73 f. Rn. 77>, für das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, BVerfGE 139, 148 <180 Rn. 61>, für die Darlegung der Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG, BVerfGE 140, 65 <79 f. Rn. 33> und für die allgemein an den Gesetzgeber bezüglich einer Sachaufklärung zu stellenden Anforderungen, BVerfGE 143, 246 <343 f. Rn. 274>).

II.

98An diesen Maßstäben gemessen sind die Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG nicht erfüllt. Eine Gesamtschau der für die Bestimmung der Besoldungshöhe maßgeblichen Parameter ergibt, dass die im Land Berlin in den Jahren 2009 bis 2015 in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 sowie die im Jahr 2015 in der Besoldungsgruppe R 3 gewährte Besoldung evident unzureichend war.

99Sie genügte nicht, um Richtern und Staatsanwälten nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung dieser Ämter für die Allgemeinheit einen der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen. Bei der Festlegung der Grundgehaltssätze wurde die Sicherung der Attraktivität des Amtes eines Richters oder Staatsanwalts für entsprechend qualifizierte Kräfte, das Ansehen dieses Amtes in den Augen der Gesellschaft, die von Richtern und Staatsanwälten geforderte Ausbildung, ihre Verantwortung und ihre Beanspruchung nicht hinreichend berücksichtigt.

100Dies ergibt sich in erster Linie aus einem Vergleich der Entwicklung der Besoldung mit derjenigen der Einkommen der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst, der Entwicklung des Nominallohn- und des Verbraucherpreisindex. Auch wurde das Mindestabstandsgebot in den unteren Besoldungsgruppen durchgehend deutlich verletzt (vgl. Rn. 101 ff.). Dieser Befund wird durch die Heranziehung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien, namentlich der Absenkung der Einstellungsvoraussetzungen, im Rahmen der Gesamtabwägung bestätigt (vgl. Rn. 147 ff.). Kollidierendes Verfassungsrecht steht ihm nicht entgegen (vgl. Rn. 163 ff.).

1011. a) Die Entwicklung der Grundgehaltssätze zuzüglich der Sonderzulagen gestaltete sich für die hier zu betrachtenden Zeiträume wie folgt:

102aa) Die Grundgehaltssätze und Amtszulagen wurden zum um 2,0 % durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 des Art. 2 BBVAnpG 94 vom (BGBl I S. 2229), zum um 3,2 % durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 des Art. 2 BBVAnpG 95 vom (BGBl I S. 1942), zum um 1,3 % durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BBVAnpG 96/97 vom (BGBl I S. 590), zum um 1,5 % durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BBVAnpG 98 vom (BGBl I S. 2026), zum um 2,9 % durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BBVAnpG 99 vom (BGBl I S. 2198), durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BBVAnpG 2000 vom (BGBl I S. 618) zum um 1,8 % und zum um 2,2 % sowie durch Art. 1 bis 3 BBVAnpG 2003/2004 vom (BGBl I S. 1798) zum um 2,4 %, zum um 1,0 % und zum um 1,0 % erhöht (vgl. BVerfGE 139, 64 <128 Rn. 134>).

103bb) Nachdem zuletzt im Jahr 2002 auf bundesrechtlicher Grundlage eine Sonderzuwendung in Höhe von 86,31 % der für den Monat Dezember maßgeblichen Bezüge gewährt worden war, senkte das Land Berlin die Sonderzahlung für Beamte und Richter auf einheitlich 640 Euro (§ 5 Abs. 1 SZG) ab. Eine Gegenüberstellung des Jahresbruttogehalts - in der Endstufe (vgl. BVerfGE 99, 300 <321>) - mit dem Wert, der sich ohne diese Neuregelung ergeben hätte, zeigt, dass die Bezüge in der Besoldungsgruppe R 1 um 5,56 %, in der Besoldungsgruppe R 2 um 5,64 % und in der Besoldungsgruppe R 3 um 5,72 % vermindert worden sind. Diese erhebliche Besoldungskürzung ist zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 139, 64 <129 Rn. 135>; 140, 240 <300 Rn. 122>). Für 2008 und 2009 wurde die Sonderzahlung vorübergehend auf jeweils 940 Euro angehoben (§ 5 Abs. 1 Satz 2 SZG). Anschließend betrug die Sonderzahlung wie zuvor 640 Euro. Dies bewirkte in den Jahren 2008 beziehungsweise 2010 in der Besoldungsgruppe R 1 eine effektive Besoldungsveränderung von 0,49 %, in der Besoldungsgruppe R 2 von 0,45 % und in der Besoldungsgruppe R 3 von 0,41 %.

104cc) In den Jahren 2005 bis 2009 wurden die Grundgehaltssätze nicht angepasst. Zum wurden sie mit dem BerlBVAnpG 2010/2011 um 1,5 % erhöht. Die mit der Neufassung der Grundgehaltssätze zum einhergehende Anhebung fiel für die vorhandenen Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 je nach der von ihnen bisher erreichten Dienstaltersstufe unterschiedlich aus. In der Endstufe der Besoldungsgruppe R 1 betrug sie 2,33 %, in der Endstufe der Besoldungsgruppe R 2 2,30 %. Die Bezüge in der Besoldungsgruppe R 3 stiegen um 2,01 %. Das BerlBVAnpG 2012/2013 bewirkte eine Erhöhung der Grundgehaltssätze mit Wirkung vom und 2013 um jeweils 2 %. Zum und zum wurden sie - unter Berücksichtigung des Versorgungsabschlags im letztgenannten Fall - durch das BerlBVAnpG 2014/2015 um weitere 3,0 % angehoben.

105dd) Der Besoldungsindex wird aus der Multiplikation des Indexwertes des Vorjahres mit einem die Besoldungserhöhung abbildenden Faktor (z. B. 1995: 103,20 %; 1997: 101,30 %) ermittelt.

106(1) Für das Jahr 2009 ergibt sich gegenüber dem Basisjahr 1994 für die Besoldungsgruppe R 1 eine Steigerung der Besoldung von 12,61 % und für die Besoldungsgruppe R 2 von 12,47 %. Dabei musste die Besoldungserhöhung zum außer Betracht bleiben. Sie betraf nur die Besoldung für Beamte und Richter der Besoldungsgruppen A 9 bis A 16, B, C und R. Die Besoldung der Besoldungsgruppen bis A 8 war bereits zum angehoben worden. Diese Maßnahme wirkte sich nachteilig auf das Alimentationsniveau der Betroffenen aus. Dieser Befund darf nicht dadurch in sein Gegenteil verkehrt werden, dass die Verzögerung als vermeintlich besonders hohe Besoldungsanpassung im Jahr 1995 in die Vergleichsberechnung einfließt (vgl. BVerfGE 139, 64 <132 f. Rn. 148>).

108(2) Im Zeitraum 1995 bis 2010 stieg die Besoldung der Besoldungsgruppe R 1 um 10,22 % und diejenige der Besoldungsgruppe R 2 um 10,13 %.

110(3) Im Zeitraum 1996 bis 2011 ergibt sich für die Besoldungsgruppe R 1 eine Steigerung der Besoldung von 12,79 % und für die Besoldungsgruppe R 2 von 12,66 %.

112(4) Im Zeitraum 1997 bis 2012 ergibt sich für die Besoldungsgruppe R 1 eine Steigerung der Besoldung von 13,57 % und für die Besoldungsgruppe R 2 von 13,44 %.

114(5) Im Zeitraum 1998 bis 2013 ergibt sich für die Besoldungsgruppe R 1 eine Steigerung der Besoldung von 14,13 % und für die Besoldungsgruppe R 2 von 14,00 %.

116(6) Im Zeitraum 1999 bis 2014 ergibt sich für die Besoldungsgruppe R 1 eine Steigerung der Besoldung von 14,24 % und für die Besoldungsgruppe R 2 von 14,11 %.

118(7) Im Zeitraum 2000 bis 2015 ergibt sich für die Besoldungsgruppe R 1 eine Steigerung der Besoldung von 17,66 %, für die Besoldungsgruppe R 2 von 17,53 % und für die Besoldungsgruppe R 3 von 17,10 %.

121(8) Bei den Staffelprüfungen kann weitestgehend auf die Berechnungen des Oberverwaltungsgerichts zurückgegriffen werden.

124b) Weil das Land Berlin zwischenzeitlich eine eigenständige Tarifpolitik betrieben hat, kann nur teilweise auf den im Ausgangsverfahren beigezogenen Tariflohnindex des Statistischen Bundesamtes zurückgegriffen werden, um die linearen Veränderungen der Tariflöhne zu ermitteln.

125aa) Für die Angestellten des Landes Berlin, das seit 1994 nicht mehr Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder war, galt der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) zunächst aufgrund dynamischer Übernahmetarifverträge fort (vgl. Bochmann, ZTR 2011, S. 459 <460>). Mit dem Tarifvertrag zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (Anwendungs-TV Land Berlin) vom wurde die statische Geltung des BAT in der Fassung vom beschlossen, das heißt mit den dort bereits vereinbarten Tariferhöhungen von 2,4 % im Jahr 2003 und von zwei Mal 1,0 % im Jahr 2004 (vgl. Bochmann, ZTR 2011, S. 459 <462>). In Abweichung vom BAT wurden die Tarifentgelte - nach Entgeltgruppe gestaffelt - um 8 bis 12 % abgesenkt. Im Gegenzug wurden nicht nur betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen, sondern es wurde auch die bezahlte Arbeitszeit im gleichen Verhältnis auf nunmehr 35,42 bis 33,88 Wochenstunden vermindert. Zwar wurde gleichzeitig eine höhere tatsächlich zu erbringende Arbeitszeit von 37 Wochenstunden vereinbart, der Differenzbetrag wurde jedoch auf einem Arbeitszeitkonto unverfallbar gutgeschrieben, das entweder durch bezahlten Freizeitausgleich oder durch direkte finanzielle Abgeltung ausgeglichen werden konnte. Vor dem Hintergrund, dass diese Regelung den Stundenlohn unverändert ließ und ein entgeltlicher Ausgleich der Mehrarbeit erfolgte, erweist sich diese Regelung für die Tariflohnentwicklung als neutral.

126bb) Mit dem Tarifvertrag zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (Angleichungs-TV Land Berlin) vom wurde für die Angestellten des Landes Berlin im Grundsatz das Recht des Tarifgebiets West des TV-L dynamisch zur Anwendung gebracht. Nach einer Übergangsphase waren ab dem im Ausgangspunkt die Entgelte des TV-L in der jeweils gültigen Fassung maßgeblich. Von den TV-L-Entgelten wurde zunächst ein Betrag von 97 % gezahlt; dieser Abschlag wurde in den darauffolgenden Jahren sukzessive verkürzt. Die Arbeitszeit wurde ebenso angeglichen, wobei zwischenzeitlich erwirtschaftete Arbeitszeitguthaben fortgeschrieben wurden. Bei der Überleitung in die grundlegend umgestaltete Tarifstruktur des TV-L kamen Besitzstandswahrungsregelungen zur Anwendung, so dass eine reale Verminderung der Entgelte bei Bestandsbeschäftigten ausgeschlossen war (vgl. Bochmann, ZTR 2011, S. 459 <464 ff.>).

127Der Angleichungs-TV Land Berlin hatte darüber hinaus zur Folge, dass die in den Vorjahren im Bereich des TV-L vereinbarten Tariferhöhungen (2008: 2,8 %, 2009: 3,0 % und 2010: 1,2 %) nachgeholt wurden. Geht man aus Gründen der Vereinfachung von einer vollständigen Angleichung aus, kann ab dem Jahr 2011 wieder der vom Statistischen Bundesamt für den Bereich der TV-L ermittelte Tarif-index angesetzt werden. Aus dessen Verhältnis zum für Berlin errechneten Indexstand des Vorjahres ergibt sich ein Steigerungswert von 8,87 %. Dieser fiele etwas niedriger und derjenige in den Folgejahren etwas höher aus, würde man die Annäherung an das TV-L-Niveau im Wege einer "Spitzausrechnung" exakt nachvollziehen. Auf den klaren Befund, dass der Schwellenwert für die Jahre nach 2011 überwiegend zweistellig überschritten worden ist, hätte dies jedoch keinen Einfluss. Die Angleichung von Arbeitszeit und Arbeitslohn wirkt sich - wie die Absenkung im Jahr 2003 - auf den Tarifindex nicht aus.

128cc) Die Differenz zwischen der Entwicklung der Tarifeinkommen im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex und des Verbraucherpreisindex (100 + x) einerseits und der Besoldungsentwicklung (100 + y) andererseits wird in Relation zur Besoldungsentwicklung in Prozent wie folgt ermittelt: [(100 + x) / (100 + y)] x 100 - 100 (vgl. BVerfGE 139, 64 <131 Rn. 144>). Vergleicht man die Entwicklung der Einkommen der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst mit der Besoldungsentwicklung (erster Parameter), zeigt sich, dass die Tarifentwicklung die Besoldungsentwicklung in den meisten verfahrensgegenständlichen Jahren um mehr als 5 % überschritten hat. Nur im Jahr 2010 wurde der Schwellenwert bei vergröbernder Berechnung der Besoldungsentwicklung (vgl. oben C. I. 2. a) aa), Rn. 31) für die Besoldungsgruppe R 1 knapp unterschritten. Dem ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung nachzugehen.

132c) Ein Vergleich der Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt im Ausgangsverfahren übermittelten Nominallohnindex mit der Besoldungsentwicklung (zweiter Parameter) ergibt, dass der Schwellenwert von 5 % nicht erreicht worden ist.

136d) Eine Gegenüberstellung der Entwicklung des im Ausgangsverfahren beigezogenen Verbraucherpreisindex des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg (dritter Parameter) und der Besoldungsentwicklung zeigt, dass die Entwicklung der Verbraucherpreise in den Jahren 2009 bis 2014 deutlich über die Entwicklung der Besoldung hinausgegangen ist. Nur für das Jahr 2015 bleibt die Differenz im Verhältnis zur Besoldungsentwicklung knapp unterhalb des Schwellenwertes; auch hierauf ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung einzugehen.

140e) Während die Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen, wie die Berechnungen des Oberverwaltungsgerichts gezeigt haben, im Wesentlichen unverändert geblieben sind, wurde in den verfahrensgegenständlichen Jahren das Mindestabstandsgebot nicht eingehalten (vierter Parameter). Der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau wurde durchgehend für die jeweils unterste Besoldungsgruppe bei weitem unterschritten.

141aa) Die Regelsätze der Grundsicherung sind im Vorlagebeschluss zutreffend ermittelt und für die Kinder entsprechend der Anzahl der Lebensjahre gewichtet worden. Auch der Ansatz für die Heizkosten kann daraus entnommen werden. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft wird der von der Bundesagentur für Arbeit übermittelte statistische Wert angesetzt, der in 95 % der Fälle ausreichend war.

142Die Bundesagentur für Arbeit und die Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales haben sich aufgrund unzureichender statistischer Erfassung in der Vergangenheit nur in Teilbereichen im Stande gesehen, belastbare Auskünfte zur Inanspruchnahme der Leistungen für Bildung und Teilhabe und zur Höhe der anerkannten Bedarfe zu erteilen. Aus den übermittelten Datensätzen geht jedoch hervor, dass insbesondere die Aufwendungen für die Mittagsverpflegung bei so vielen Leistungsberechtigten angefallen sind, dass diese nicht als atypische Fälle außer Betracht gelassen werden dürfen. Eine weitere Aufklärung ist vorliegend nicht erforderlich, weil auch ohne Berücksichtigung aller Bedarfsposten feststeht, dass das Mindestabstandsgebot deutlich verletzt worden ist. Dessen ungeachtet obliegt es dem Besoldungsgesetzgeber, zukünftig die Erhebung der erforderlichen Daten zu veranlassen und hieraus realitätsgerechte Ansätze abzuleiten.

143Vor diesem Hintergrund werden im vorliegenden Verfahren nur die Bedarfe für Bildung und Teilhabe in die Berechnung einbezogen, für deren Höhe sich aus dem Gesetz ein Anhaltspunkt ergibt. In den Jahren 2009 und 2010 war dies der persönliche Schulbedarf von 100 Euro je Schuljahr. Auf den Zeitraum von der Geburt bis zur Volljährigkeit umgelegt, ergibt sich ein Monatsbetrag von rund 5,56 Euro je Kind beziehungsweise von rund 11,12 Euro für zwei Kinder. In den Jahren 2011 bis 2015 wurden darüber hinaus folgende Leistungen eingeführt, für deren Höhe sich aus dem Gesetz ein Anhaltspunkt ergibt: Zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft wurden Kindern aller Altersstufen 10 Euro monatlich gewährt. Die Mehraufwendungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung wurden zwar in tatsächlicher Höhe übernommen, in § 77 Abs. 11 SGB II hat der Gesetzgeber aber selbst zu erkennen gegeben, dass er bereits anfänglich mit zusätzlichen Leistungen in Höhe von 26 Euro monatlich rechnete. Geht man davon aus, dass Kinder im Durchschnitt erst mit drei Jahren an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Kindergarten und Schule teilnehmen, ergibt sich ein altersgewichteter Betrag von rund 21,67 Euro je Kind. Für die Jahre 2011 bis 2015 summieren sich die aus dem Gesetz abgeleiteten Monatsbeträge (5,56 Euro + 10 Euro + 21,67 Euro) auf rund 37,23 Euro je Kind beziehungsweise auf rund 74,46 Euro für zwei Kinder.

144Der grundsicherungsrechtliche Gesamtbedarf und die davon abgeleitete Mindestalimentation beliefen sich danach mindestens auf die folgenden Beträge:

147bb) Vergleichsgegenstand bildet die Nettoalimentation eines in der niedrigsten Besoldungsgruppe in der niedrigsten Erfahrungsstufe besoldeten Beamten, der verheiratet ist und zwei Kinder hat. Für das Land Berlin war vom 1. Januar bis die Besoldungsgruppe A 2 (Stufe 1) maßgeblich. Nach der rückwirkenden Anhebung des Eingangsamtes (§ 2a LBesG BE) durch das Dienstrechtsänderungsgesetz vom (GVBl S. 70) ist seit dem auf die Besoldungsstufe A 4 (Stufe 1) abzustellen. Die anzusetzenden Besoldungsbestandteile (hier: Grundgehalt, Familienzuschlag und Sonderzahlung) können im Wesentlichen dem Vorlagebeschluss entnommen werden.

148Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Berechnungen auf den vom Bundesministerium der Finanzen im Internet zur Verfügung gestellten Lohnsteuerrechner gestützt. Diese sind von den Beteiligten des Ausgangsverfahrens und den Äußerungsberechtigten nicht beanstandet worden. Für die hier zu betrachtende Beamtenfamilie, die über keine weiteren steuerpflichtigen Einnahmen verfügt und keine besonderen Aufwendungen geltend machen kann, ergeben sich keine Unterschiede zwischen dem Lohnsteuerabzug und der Einkommensteuerberechnung. Vor diesem Hintergrund spricht nichts dagegen, dass auch das Bundesverfassungsgericht so verfährt. Für das Jahr 2009 muss die Berechnung wegen der abweichenden Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen mit Hilfe des Einkommensteuerrechners durchgeführt werden. Im Übrigen wird der vom Verband der Privaten Krankenversicherung zu den Durchschnittsprämien für eine das Berliner Beihilferegime ergänzende private Krankenversicherung und die Pflegepflichtversicherung mitgeteilte steuerlich absetzbare Anteil berücksichtigt. Bei Steuerklasse III und zwei Kinderfreibeträgen fallen weder Solidaritätszuschlag noch Kirchensteuer an. Deshalb kann die Frage, ob weiterhin ein Kirchensteuerabzug zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGE 81, 363 <380>; 99, 300 <320>), offenbleiben. Von den Bezügen in Abzug gebracht werden die mitgeteilten Durchschnittsprämien für die Kranken- und Pflegepflichtversicherung. Ob in diesem Zusammenhang der Abzug einer Kostendämpfungspauschale von den Beihilfeleistungen zu berücksichtigen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil im streitgegenständlichen Zeitraum vom Land Berlin eine Kostendämpfungspauschale erst ab der Besoldungsgruppe A 7 erhoben wurde (vgl. § 76 Abs. 5 LBesG BE vom <GVBl S. 70). Die Höhe des jährlich gezahlten Kindergeldes kann dem Vorlagebeschluss entnommen werden.

149Die Jahresnettoalimentation berechnet sich danach wie folgt:

152cc) In allen verfahrensgegenständlichen Jahren wurde das Mindestabstandsgebot verletzt. Die Nettoalimentation blieb mindestens 24 % hinter der aus dem Grundsicherungsniveau abgeleiteten Mindestalimentation zurück.

155f) Im Ausgangsverfahren wurde ein Quervergleich mit den anderen Ländern und dem Bund (fünfter Parameter) stichprobenartig für die Jahre 2010, 2013 und 2015 durchgeführt. Die größte Abweichung vom Mittelwert beziehungsweise Median betrug zwischen 5 und 8 %; der Schwellenwert von 10 % wurde also deutlich unterschritten. Deshalb bedarf es keiner Berechnungen für die anderen Jahre.

156g) Insgesamt hat die erste Prüfungsstufe folgende Ergebnisse erbracht:

1602. Die Gesamtbetrachtung der Parameter auf der ersten Prüfungsstufe begründet somit die Vermutung, dass im Land Berlin die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 sowie die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 das Mindestmaß amtsangemessener Alimentation unterschritten haben (vgl. Rn. 148 ff.). Die Gesamtabwägung unter Einbeziehung weiterer alimentationsrechtlicher Determinanten bestätigt diese Vermutung (vgl. Rn. 154 ff.).

161a) In allen verfahrensgegenständlichen Jahren sind drei von fünf Parametern der ersten Stufe erfüllt.

162Für das Jahr 2009 betrug der Abstand der Besoldungsentwicklung zum Anstieg der Tariflöhne im öffentlichen Dienst (erster Parameter) und der Verbraucherpreise (dritter Parameter) - bezogen auf den Zeitraum der vorangehenden 15 Jahre - in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 jeweils rund 6 %. In den Jahren 2011 bis 2014 fiel die Abweichung von der Tariflohnentwicklung mit rund 12 % und vom Anstieg der Verbraucherpreise mit rund 7 bis 9 % deutlich größer aus. Hinzu kommt, dass das Mindestabstandsgebot als Teil des vierten Parameters deutlich missachtet worden ist.

163Im Jahr 2010 wurden in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 wiederum der dritte und vierte Parameter deutlich erfüllt, hinsichtlich des ersten Parameters wurde der Schwellenwert für die Besoldungsgruppe R 2 knapp überschritten, für die Besoldungsgruppe R 1 hingegen knapp unterschritten. Für das Jahr 2015 lässt sich für alle Besoldungsgruppen neben der eklatanten Verletzung des Mindestabstandsgebots eine besonders deutliche Abkopplung der Besoldung von der Tariflohnentwicklung von über 9 % feststellen, der Schwellenwert hinsichtlich des Verbraucherpreisindex wurde hingegen knapp verfehlt.

164Für diese Zeiträume, in denen nicht bereits auf Grundlage der vereinfachten Berechnung der Besoldungsentwicklung eine Vermutung für eine unzureichende Alimentation besteht, erscheint es daher angezeigt, den Zeitpunkt zu berücksichtigen, in dem die Besoldungserhöhung tatsächlich erfolgt ist. Der Deutsche Richterbund hat in seiner Stellungnahme eine Berechnung vorgelegt, bei der er auch für die Zeiträume 1994 bis 2010 und 2000 bis 2015 das in der Besoldungsgruppe R 1 gewährte Jahresbruttogehalt (Endstufe, mit allen allgemeinen Zulagen und Sonderzahlungen, ohne Familienzuschlag) ermittelt hat. Legt man diese schlüssige und rechnerisch von keiner Seite in Zweifel gezogene "Spitzausrechnung" zugrunde und berücksichtigt umgekehrt, dass die Tariflöhne in Berlin im Jahr 2015 aufgrund des Angleichungs-TV Land Berlin noch um rund 1,5 % hinter dem TV-L zurückgeblieben sind, zeigt sich, dass in beiden Jahren sowohl die Abweichung von der Tariflohnentwicklung als auch diejenige vom Verbraucherpreisindex sehr deutlich über dem Schwellenwert von 5 % liegen. Für das Jahr 2015 lässt sich dies überdies für das Verhältnis zum Nominallohnindex feststellen:

167Diese Ergebnisse lassen sich auf die Besoldungsgruppen R 2 und R 3 übertragen. Denn bei diesen Besoldungsgruppen blieb die Besoldungssteigerung hinter der in der Besoldungsgruppe R 1 zurück, weil sich die Kürzung der Sonderzahlung im Jahr 2003 stärker auswirkte und die Überführung in die neue Besoldungstabelle im Jahr 2011 mit einer prozentual geringeren Besoldungserhöhung einherging. Auch in den Jahren 2010 und 2015 sind folglich für alle Besoldungsgruppen (mindestens) drei Parameter erfüllt. Die Staffelprüfungen geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

168b) Die Vermutung einer der angemessenen Beteiligung an der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des Lebensstandards nicht genügenden und damit verfassungswidrigen Unteralimentation wird erhärtet, wenn man im Rahmen der Gesamtabwägung die weiteren alimentationsrelevanten Kriterien einbezieht.

169aa) Mit dem Amt eines Richters oder Staatsanwaltes sind vielfältige und anspruchsvolle Aufgaben verbunden, weshalb hohe Anforderungen an den akademischen Werdegang und die Qualifikation ihrer Inhaber gestellt werden (vgl. BVerfGE 139, 64 <134 Rn. 151; 135 f. Rn. 153 ff.>). Dies gilt in verstärktem Maße für die den Besoldungsgruppen R 2 (u.a. Vorsitzender Richter am Landgericht, Richter am Oberlandesgericht; Oberstaatsanwalt) und R 3 (u.a. Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht; Leitender Oberstaatsanwalt) zugeordneten Ämter.

170Die Absenkung der Einstellungsanforderungen zeigt, dass die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion, durchgehend überdurchschnittliche Kräfte zum Eintritt in den höheren Justizdienst in Berlin zu bewegen, nicht (mehr) erfüllt hat. Wurde zunächst als Eingangsvoraussetzung noch die Note "vollbefriedigend" in beiden Examina benannt, wurde dies seit 2007 nur noch "in der Regel" erwartet. Von 2011 an wurde in das Auswahlverfahren einbezogen, wer 7,5 Punkte in der Ersten Prüfung und 8,5 Punkte in der Zweiten Staatsprüfung erzielt hatte. Wenn das Land Berlin in seiner Stellungnahme vorbringt, auch zuvor seien Bewerber "nach Angebot und Nachfrage" ohne die geforderte Qualifikation zum Zuge gekommen, ändert dies nichts daran, dass ein vormals jedenfalls im Ausgangspunkt nicht für geeignet erachteter Bewerberkreis angesprochen werden musste.

171Zur Qualifikation der Eingestellten hat das Land Berlin im fachgerichtlichen Verfahren eine Auswertung vorgelegt und hinsichtlich der Examensergebnisse auf die Statistik des Bundesamtes für Justiz verwiesen. Es ergibt sich folgendes Bild:

173Das Land Berlin hat erklärt, die Absenkung der formalen Anforderungen sei nicht aus der Not heraus erfolgt, sondern folge der Erkenntnis, dass man nicht von vornherein auf die Bewerbung einzelner hervorragend geeigneter Bewerber mit befriedigendem Examen verzichten wolle, deren Eignung erst im Rahmen des strukturierten Auswahlgesprächs zutage trete. Dann wäre aber zu erwarten, dass in allen Jahren Bewerber ohne Prädikatsexamen in proportionalem Verhältnis zur Zahl der besetzten Stellen zum Zuge kommen. Das Land musste indes in den Jahren 2009 bis 2011 und 2014, in denen mehr als zwanzig Stellen zu besetzen waren, in größerem Umfang Bewerber einstellen, die nur ein befriedigendes Ergebnis aufzuweisen hatten. Dabei überstieg die Zahl der Absolventen, die in der Zweiten Staatsprüfung ein Prädikatsexamen erreicht hatten, auch in diesen Jahren die Stellenzahl um ein Mehrfaches. Davon, dass es dem Land Berlin gelungen wäre, durchgehend überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte für den höheren Justizdienst anzuwerben (vgl. BVerfGE 139, 39 <121 Rn. 117>), kann daher keine Rede sein.

174bb) Gegenüberstellungen mit Vergleichsgruppen außerhalb des öffentlichen Dienstes führen im Rahmen der Gesamtabwägung zu keiner anderen Bewertung. Das Statistische Bundesamt hat im Ausgangsverfahren eine Auskunft zum Vergleich der Besoldung von Richtern und Staatsanwälten in Berlin mit den Gehältern erteilt, die mit vergleichbarem Qualifikationsniveau in der Privatwirtschaft erzielt worden sind. Danach hatten im Jahr 2006 86 % der vergleichbaren Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft einen höheren Verdienst als ein Berufsanfänger der Besoldungsgruppe R 1; im Jahr 2010 waren es 92 %. Selbst wenn man die Besoldung der Endstufe zugrunde legt, die nach mehr als 20 Berufsjahren erreicht wird, verfügten im Jahr 2006 40 % der vergleichbaren Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft über ein höheres Einkommen; im Jahr 2010 war der Anteil auf 51 % gestiegen. In der Vergleichsgruppe der Angestellten mit juristischen Berufen verdienten 85 % (2006) beziehungsweise 93 % (2010) mehr als ein Berufsanfänger im Bereich der Justiz. In 55 % (2006) beziehungsweise 65 % (2010) der Fälle lag das Einkommen auch über den Bezügen in der Endstufe der Besoldungsgruppe R 1.

175cc) Schließlich sind die im Vorlagebeschluss im Einzelnen aufgeführten Einschnitte im Bereich des Beihilfe- und Versorgungsrechts zu berücksichtigen, die das zum laufenden Lebensunterhalt verfügbare Einkommen zusätzlich gemindert haben (vgl. BVerfGE 139, 64 <136 f. Rn. 158>).

176dd) In der Gesamtabwägung ergibt sich, dass die Bemessung der Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen R 1 bis R 3 in Berlin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht mehr amtsangemessen war.

1773. Kollidierendes Verfassungsrecht vermag die Unterschreitung des durch Art. 33 Abs. 5 GG gebotenen Besoldungsniveaus nicht zu rechtfertigen. Insbesondere hat das Land Berlin weder im Ausgangsverfahren noch in seiner Stellungnahme dargetan, dass die teilweise drastische Abkopplung der Besoldung der Richter und Staatsanwälte von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in Berlin, wie sie nicht zuletzt in den Tarifabschlüssen zum Ausdruck gekommen ist, Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung gewesen wäre, bei dem die Einsparungen - wie es mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG geboten ist (vgl. BVerfGE 149, 382 <395 Rn. 19>) - gleichheitsgerecht erwirtschaftet werden sollten. Dies ist aber Voraussetzung dafür, eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation mit Blick auf die Verpflichtung zur Haushaltskonsolidierung (Art. 109 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 143d Abs. 1 GG) zu rechtfertigen.

178Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die vom Land Berlin in Bezug genommenen Dokumente eine hinreichende Definition des Sparziels und eine nachvollziehbare Auswahl der für erforderlich erachteten Maßnahmen erkennen lassen. In der Finanzplanung des Landes Berlin 2003 - 2007 wurde die "Strategie zur Absenkung der Personalausgaben" dahin umschrieben, dass der Personalbestand global auf 100.000 Vollzeitäquivalente abgebaut und die Personalausgaben um jährlich 250 beziehungsweise 500 Millionen Euro vermindert werden sollten. Als konkrete Maßnahmen wurden der im Anwendungs-TV Land Berlin vereinbarte "Tausch von Entgelt gegen Freizeit" benannt, der zu einer Absenkung der Lohnsumme um 10 % führe, sowie die Streichung des Urlaubsgelds und die Absenkung der Sonderzuwendung. Abgesehen davon, dass der Aufbau erheblicher Arbeitszeitguthaben bei den Tarifbeschäftigten unerwähnt blieb, wurden die erzielten Einsparungen weder quantifiziert noch miteinander oder mit der Entwicklung anderer Ausgabenposten ins Verhältnis gesetzt.

179Jedenfalls steht einer Rechtfertigung der Unterschreitung des durch Art. 33 Abs. 5 GG gebotenen Besoldungsniveaus entgegen, dass nicht einmal der Versuch unternommen wurde, die Einsparungen gleichheitsgerecht zu erwirtschaften. Im ersten gemäß der Vereinbarung zum Sanierungsprogramm nach § 5 des Stabilitätsratsgesetzes vom (BGBl I S. 2702) erstellten Bericht wurde hinsichtlich der Begrenzung der Personalausgaben nur mitgeteilt, dass am genannten Ziel der Absenkung des Personalbestands festgehalten und hierfür die natürliche Fluktuation genutzt werde. Der zweite Bericht bezifferte die Einsparungen, die 2013 und 2014 durch Absenkung des Besoldungs- beziehungsweise Entgeltniveaus im Bereich der Beamten und der Tarifbeschäftigten erzielt werden sollten. Während die geplanten Einsparungen bei den Beamten mit einer im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt rund 6,8 % niedrigeren Besoldung erklärt wurden, wurde zugleich hinsichtlich der Tarifbeschäftigten mitgeteilt, dass zum Oktober 2011 das Entgeltniveau auf 97 % des TV-L angehoben worden sei und der verbliebene Abstand in den Folgejahren sukzessive abgebaut werde. In den Finanzplanungen 2010 bis 2014 und 2013 bis 2017 wurde wiederum nur pauschal ein Konsolidierungsbeitrag durch Reduzierung der Neueinstellungen beziehungsweise durch Begrenzung der Personalausgaben ausgewiesen. Diese Finanzplanung bestätigt den auf der ersten Prüfungsstufe gewonnenen Eindruck, dass das Land Berlin die Besoldung sehenden Auges hinter die von ihm ausgehandelten Tariflöhne hat zurückfallen lassen.

1804. Steht danach fest, dass die zur Prüfung gestellte Besoldung den materiellen Anforderungen des Alimentationsprinzips nicht genügte, bedarf die Frage nach der Beachtung der prozeduralen Anforderungen keiner Entscheidung.

D.

181Der Verstoß einer Norm gegen das Grundgesetz kann entweder zur Nichtigerklärung (vgl. § 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG) oder dazu führen, dass das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz feststellt (vgl. § 82 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 und § 31 Abs. 2 BVerfGG). Eine Nichtigerklärung hätte zur Folge, dass es für die Besoldung an der gesetzlichen Grundlage fehlte, derer es mit Blick auf den verfassungsrechtlich vorgegebenen und einfachrechtlich (vgl. § 2 Abs. 1 BBesG i.d.F. der Bekanntmachung vom i.V.m. § 1b Abs. 1 Nr. 1 LBesG BE) angeordneten Gesetzesvorbehalt bedarf. Damit würde ein Zustand geschaffen, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt wäre als der bisherige (vgl. BVerfGE 139, 64 <146 Rn. 194>; 140, 240 <315 f. Rn. 169>; 150, 169 <192 Rn. 63> m.w.N.).

182Stellt das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit einer Norm oder mehrerer Normen mit dem Grundgesetz fest, folgt daraus grundsätzlich die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Rechtslage rückwirkend verfassungsgemäß umzugestalten. Ausnahmen von dieser Regelfolge der Unvereinbarkeit hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Normen bejaht. Speziell bei besoldungsrechtlichen Normen gilt es zu beachten, dass die Alimentation der Richter und Beamten der Sache nach die Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs aus gegenwärtig zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln darstellt. Eine allgemeine rückwirkende Behebung des Verfassungsverstoßes ist daher mit Blick auf die Besonderheiten des Richter- und Beamtenverhältnisses nicht geboten (vgl. BVerfGE 139, 64 <148 Rn. 195>; 140, 240 <316 Rn. 170>; 150, 169 <193 Rn. 64> m.w.N.).

183Eine rückwirkende Behebung ist jedoch sowohl hinsichtlich der Kläger der Ausgangsverfahren als auch hinsichtlich etwaiger weiterer Richter und Staatsanwälte erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist (vgl. BVerfGE 139, 64 <148 Rn. 195>; 140, 240 <316 Rn. 170>; 150, 169 <193 Rn. 64>). Dabei kommt es nicht darauf an, ob insoweit ein Widerspruchs- oder ein Klageverfahren schwebt. Entscheidend ist, dass sie sich gegen die Höhe ihrer Besoldung zeitnah mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben, so dass der Haushaltsgesetzgeber nicht im Unklaren geblieben ist, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen wird.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2020:ls20200504.2bvl000418

Fundstelle(n):
GAAAH-54433