BAG Urteil v. - 3 AZR 441/19

Betriebliche Altersversorgung - Gesamtversorgung - Anpassung

Gesetze: § 16 Abs 1 BetrAVG, § 16 Abs 2 BetrAVG

Instanzenzug: Az: 30 Ca 380/17 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 4 Sa 6/19 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung einer dem Kläger von der Beklagten gewährten Pensionsergänzung.

2Der Kläger war vom bis zum bei der Beklagten - ein vormals in den deutschen G-Konzern eingebundenes Lebensversicherungsunternehmen - tätig. Er bezieht seit dem wegen voller Erwerbsminderung von der Beklagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den „Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes“ (im Folgenden BVW). Diese lauten auszugsweise:

3Der Kläger bezog - neben seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - seit dem von der Beklagten eine Pensionsergänzung iHv. zunächst 271,10 Euro brutto sowie eine Rente der Versorgungskasse iHv. zunächst 384,99 Euro brutto. Bis zum belief sich die Pensionsergänzung auf 324,50 Euro brutto und die Rente der Versorgungskasse auf 396,66 Euro brutto.

4Zum wurden die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 vH erhöht.

5Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom mit, dass die Vorstände und Aufsichtsräte der G Versicherungen beschlossen haben, die „Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten unter Anwendung der in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes normierten Regelung zum für diesen Stichtag um 0,5 % zu erhöhen“.

6Nach der Entscheidung der Beklagten sollten entweder die Gesamtversorgungsbezüge um 0,5 vH erhöht und sodann die - erhöhte - gesetzliche Rente sowie die Versorgungskassenrente abgezogen werden oder, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger war, lediglich die Pensionsergänzung um 0,5 vH erhöht werden. Da letztere Variante für den Kläger - wie letztlich für alle nach den BVW versorgungsberechtigten Betriebsrentner - günstiger war, wurde seine Pensionsergänzung um 0,5 vH gesteigert. Demgemäß gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem eine Pensionsergänzung iHv. 326,12 Euro brutto. Zudem erhielt er weiterhin eine Rente der Versorgungskasse iHv. 396,66 Euro brutto.

7Zum stiegen die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,2451 vH.

8Der Vorstand der Beklagten beschloss nach Anhörung der Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrats am , die Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten zum um 0,5 vH zu erhöhen; sofern eine Anpassung der Pensionsergänzung um 0,5 vH für den Versorgungsempfänger günstiger sein sollte, sollte diese vorgenommen werden. Der Aufsichtsrat der Beklagten fasste am einen entsprechenden Beschluss. Ab dem gewährte die Beklagte dem Kläger eine Pensionsergänzung iHv. 327,75 Euro brutto. Von der Versorgungskasse erhielt der Kläger ab dem eine Rente iHv. 398,68 Euro brutto.

9Zum stiegen die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 1,9048 vH, zum um 3,2226 vH und zum um 3,1845 vH.

10Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihm ab dem eine höhere Pensionsergänzung zahlen. Die Beklagte sei verpflichtet, seine „Gesamtversorgung“ bestehend aus der Pensionsergänzung und der Rente aus der Versorgungskasse nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG an den seit Rentenbeginn am eingetretenen Kaufkraftverlust anzupassen. Darüber hinaus hätten die so nach § 16 BetrAVG erhöhten Gesamtversorgungsbezüge nach § 6 Ziff. 1 der Ausführungsbestimmungen (im Folgenden AB) BVW zum um 2,09717 vH und zum um weitere 4,2451 vH angehoben werden müssen. Abzüglich der gewährten Versorgungskassenrente und bereits erfolgten Zahlungen der Beklagten ergebe sich damit ab dem eine monatliche Differenz iHv. 65,12 Euro und ab dem iHv. insgesamt 94,92 Euro. Die Regelung in AB § 6 Ziff. 3 BVW sei mangels Bestimmtheit unwirksam. Jedenfalls seien ihre Voraussetzungen nicht erfüllt.

11Der Kläger hat zuletzt beantragt,

12Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Anpassungen zum und zum seien auf der Grundlage von AB § 6 Ziff. 3 BVW erfolgt. Die Regelung sei ausreichend bestimmt. Eine Anpassung nach AB § 6 Ziff. 1 BVW sei aufgrund der veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht vertretbar. Die gesetzliche Anpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG sei lediglich bezogen auf die Pensionskassenrente vorzunehmen. Im Übrigen seien die Anpassungsmechanismen nach AB § 6 BVW und § 16 BetrAVG strikt zu unterscheiden, weshalb die Berechnung des Klägers, wonach zunächst eine Anpassung nach § 16 BetrAVG zum vorzunehmen und anschließend auf den erhöhten Betrag die vertragliche Anpassung vorzunehmen sei, unzutreffend.

13Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger ab dem über die gezahlten 726,43 Euro brutto hinaus monatlich einen weiteren Betrag iHv. 41,11 Euro brutto, für die Zeit vom bis zum insgesamt weitere 287,77 Euro brutto zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 41,11 Euro brutto ab dem jeweiligen Zweiten eines jeden Monats beginnend mit dem und endend mit dem sowie für die Zeit vom bis zum insgesamt weitere 184,44 Euro brutto zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 15,12 Euro brutto ab dem jeweiligen Zweiten eines jeden Monats beginnend mit dem und endend mit dem zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom bis zum insgesamt weitere 781,44 Euro zzgl. Zinsen auf jeweils 65,12 Euro brutto, für die Zeit vom bis zum insgesamt weitere 737,64 Euro brutto zzgl. Zinsen auf jeweils 61,47 Euro brutto, für die Zeit vom bis zum insgesamt weitere 657,96 Euro brutto zzgl. Zinsen auf jeweils 54,83 Euro brutto, für die Zeit vom bis zum insgesamt weitere 749,28 Euro zzgl. Zinsen auf jeweils 62,44 Euro brutto, für die Zeit vom bis zum insgesamt weitere 153,46 Euro brutto zzgl. Zinsen auf jeweils 76,73 Euro brutto und ab dem über die gezahlten 756,35 Euro brutto hinaus monatlich weitere 76,73 Euro brutto zu zahlen. Die weiter gehende Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht vollständig zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht nur beschränkt zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte - im Umfang der Zulassung - die Abweisung der Klage, soweit sie für den Zeitraum vom bis zum zur Zahlung eines 162,00 Euro brutto übersteigenden Betrags, für den Zeitraum bis zum zur Zahlung eines 493,32 Euro brutto übersteigenden Betrags und für den Zeitraum vom bis zum zur Zahlung eines 589,08 Euro brutto übersteigenden Betrags verurteilt wurde. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung höherer monatlicher Differenzbeträge. Im Übrigen begehren die Parteien wechselseitig die Zurückweisung der jeweils gegnerischen Revision.

Gründe

14Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Revision des Klägers hat hingegen in der Sache keinen Erfolg.

15I. Die Revision der Beklagten hat nicht schon deshalb Erfolg, weil der Kläger seinen Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz um spätere Zahlungszeiträume erweitert hat. Das Landesarbeitsgericht hat über die Anträge in der Sache entschieden. Daher hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 268 ZPO in der Revision nicht mehr zu prüfen, ob eine Klageänderung nach § 533 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG vorliegt und ob diese ggf. zulässig ist (vgl.  - Rn. 32 mwN, BAGE 164, 261). Die vom Kläger mit seiner Revisionsbegründung angebrachte Umstellung seines bisherigen Antrags auf künftige Leistungen für die Zeit ab September 2019 ist allein dem Zeitablauf geschuldet. Er hat zwar die Rückstände auch weiterhin nur bis und nicht bis einschließlich geltend gemacht; künftige Leistungen verlangt er jedoch erst ab April 2020. In der Sache verfolgt er seine bisherigen Anträge weiter.

16II. Die Klage ist insgesamt zulässig. Dies gilt auch hinsichtlich des auf künftige Rentenzahlungen gerichteten Klageantrags. Er hat die Zahlung wiederkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO zum Gegenstand. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird (vgl.  - Rn. 13 mwN, BAGE 165, 345).

17III. Die Klage ist nicht begründet, soweit der Kläger eine Anpassung seiner „Gesamtversorgung“ zum nach § 16 Abs. 1 BetrAVG begehrt. Eine Anpassungsverpflichtung der Beklagten nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG bezieht sich nur auf die Pensionsergänzung, nicht dagegen auf die nach dem BVW zugesagte Gesamtversorgung bestehend aus der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Rente aus der Versorgungskasse und der Pensionsergänzung oder auf die vom Kläger geltend gemachte sog. Gesamtversorgung bestehend nur aus der Rente aus der Versorgungskasse und der Pensionsergänzung.

181. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung knüpft nicht an die Gesamtversorgung an. Bezugsobjekt der Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG ist die Ausgangsrente, dh. die Betriebsrente, die sich nach der Versorgungsvereinbarung zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls errechnet und vom Arbeitgeber gezahlt wird, und nicht die Gesamtversorgung. Dies ergibt eine Auslegung der gesetzlichen Bestimmung ( - Rn. 50 ff.; - 3 AZR 685/09 - Rn. 30).

19a) Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber eine Anpassung der laufenden „Leistungen der betrieblichen Altersversorgung“ zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Damit knüpft § 16 Abs. 1 BetrAVG für die Anpassung an die Leistungen an, die der Arbeitgeber aufgrund der mit dem Arbeitnehmer getroffenen Versorgungszusage an den Versorgungsempfänger erbringt. Eine Anknüpfung an andere, dem Versorgungsgläubiger gegenüber Dritten aus einem anderen Rechtsgrund zustehende Leistungen sieht die Bestimmung ebenso wenig vor wie eine Anknüpfung an eine Gesamtversorgung, die sich aus Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und den nach dem Inhalt der Versorgungszusage ggf. zu berücksichtigenden Leistungen Dritter zusammensetzt ( - Rn. 31; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 7. Aufl. § 16 Rn. 152).

20b) Dass sich die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ausschließlich auf die vom Arbeitgeber geschuldete und von diesem gezahlte Betriebsrente bezieht und nicht auf eine Gesamtversorgung, ergibt sich auch daraus, dass die Belange des Versorgungsempfängers - wie aus § 16 Abs. 2 BetrAVG folgt - im Ausgleich des Kaufkraftverlusts seit Rentenbeginn, also in der Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung bestehen. Dementsprechend ist der volle Anpassungsbedarf zu ermitteln, der in der seit Rentenbeginn eingetretenen Teuerung besteht, soweit er nicht durch vorhergehende Anpassungen ausgeglichen wurde (vgl.  - Rn. 32; - 3 AZR 859/09 - Rn. 25, BAGE 138, 213). § 16 BetrAVG will damit erkennbar eine Auszehrung der zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls geschuldeten und gezahlten Betriebsrente vermeiden und den realen Wert dieser Betriebsrente erhalten (vgl.  - zu II 1 c aa der Gründe, BAGE 115, 353), nicht jedoch den Wert anderer Leistungen sichern ( - Rn. 32).

212. Eine über das Gesetz hinausgehende Verpflichtung folgt auch nicht aus dem BVW, insbesondere nicht aus der Bestimmung von AB § 6 BVW. Die vertragliche Anpassung nach AB § 6 BVW einerseits und die gesetzliche Pflicht zur Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG andererseits sind strikt voneinander zu trennen. Die vertragliche Anpassung folgt allein den Regelungen von AB § 6 BVW. Umgekehrt sieht AB § 6 BVW keine Regelungen für den davon zu unterscheidenden gesetzlichen Anpassungsprüfungs- und -entscheidungsanspruch vor. Die gesetzliche Anpassungsprüfung ist allein nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG vorzunehmen.

22a) Zwar kann nach § 19 Abs. 1, Abs. 3 BetrAVG von § 16 BetrAVG entweder durch Tarifvertrag oder zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Damit könnten die Bestimmungen in AB § 6 BVW zugunsten des Klägers abweichende Regelungen enthalten. Solche sind jedoch - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht vorhanden. AB § 6 BVW enthält einen eigenständigen Prüfungsmechanismus, der keine Auswirkungen auf das gesetzliche Anpassungsprüfungs- und -entscheidungssystem nach § 16 BetrAVG enthält.

23AB § 6 BVW bestimmt zugunsten der Versorgungsberechtigten, dass die Gesamtversorgung anzupassen ist. Diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf die vertragliche Anpassung, nicht auch auf die gesetzliche Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG. So erfolgt die Anpassung entsprechend der Entwicklung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung (AB § 6 Ziff. 1 BVW) und nicht nach dem Verbraucherpreisindex für Deutschland oder der Entwicklung der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens (§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG). Auch erfolgt die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden (AB § 6 Ziff. 1 BVW) und nicht alle drei Jahre (§ 16 Abs. 1 BetrAVG). Auch der Prüfungszeitraum ist unterschiedlich. Die vertragliche Anpassung übernimmt im Grundsatz jährlich die Veränderung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung nach ua. § 69 Abs. 1 SGB VI iVm. §§ 68, 68a SGB VI und der jeweiligen Rentenwertbestimmungsverordnung. Demgegenüber sieht § 16 BetrAVG als Prüfungszeitraum die Zeit vom individuellen Eintritt des Versorgungsfalls bis zum Anpassungsprüfungsstichtag vor. Unterschiedliche Anforderungen gelten auch für die Ablehnung einer Anpassung durch die Versorgungsschuldnerin (AB § 6 Ziff. 3 BVW, § 16 Abs. 1 BetrAVG).

24b) AB § 6 BVW enthält auch keine Regelung, die den Schluss zuließe, dass durch sie eine Vorgabe für die gesetzliche Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht nach § 16 BetrAVG erfolgen sollte. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Urheber des BVW (im Fall einer Gesamtzusage die Beklagte; im Fall einer Gesamtbetriebsvereinbarung die Betriebsparteien) mit der Regelung der vertraglichen Anpassung zugleich eine Regelung für die - jedenfalls im Zeitpunkt der erstmaligen Schaffung des BVW wohl im Jahre 1961 - noch gar nicht bestehende Verpflichtung zur Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG treffen wollten.

25Vor diesem Hintergrund ist für eine Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG kein Raum unabhängig davon, ob unter der Bezeichnung „Gesamtversorgung“ die Versorgung aus der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Rente aus der Pensionskasse und der Pensionsergänzung oder die Summe der Rente aus der Pensionskasse und der Pensionsergänzung zu verstehen ist.

263. Ob - wie die Beklagte und ihr folgend das Arbeitsgericht meinen - ein isolierter Anspruch zur Anpassungsprüfung und -entscheidung aus § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG bezüglich der Rente aus der Versorgungskasse auch nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG ausscheidet, kann dahinstehen. Streitgegenstand ist lediglich eine einheitliche Anpassung der Gesamtversorgung bzw. der einheitlich betrachteten Pensionsergänzung und der Rente aus der Versorgungskasse.

274. Die Anpassung der Pensionsergänzung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zum führt nicht zur auch nur teilweisen weiteren Begründetheit der Klage über die bereits rechtskräftig zuerkannten Beträge hinaus. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit den Parteien davon ausgegangen, dass die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG bezüglich der Pensionsergänzung zum stattzufinden hatte. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist jedoch der Kaufkraftverlust zum Anpassungsstichtag - wie vom Kläger zutreffend seinen Berechnungen zugrunde gelegt - anhand des VPI Basis 2010 und nicht anhand des VPI Basis 2015 zu ermitteln. Allerdings zahlt die Beklagte ab dem eine höhere Pensionsergänzung an den Kläger, als sie nach § 16 BetrAVG schuldet.

28a) Die Beklagte war nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, zum zu prüfen, ob eine Anpassung der Pensionsergänzung des Klägers an den Kaufkraftverlust zu erfolgen hatte.

29aa) Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Diese wäre daher - ausgehend vom Rentenbeginn des Klägers am  - am vorzunehmen gewesen.

30bb) Allerdings hat die Beklagte alle in ihrem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zulässigerweise zum 1. Juli eines Jahres gebündelt. Daraus ergab sich für den Kläger der als Prüfungstermin.

31(1) Der gesetzlich vorgeschriebene Drei-Jahres-Rhythmus zwingt nicht zu starren, individuellen Prüfungsterminen. Die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist zulässig. Sie vermeidet unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beeinträchtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Für diese verzögert sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung. Die den Versorgungsempfängern daraus entstehenden Nachteile werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass ein entsprechend angewachsener höherer Teuerungsausgleich zu berücksichtigen ist. In der Folgezeit muss der Drei-Jahres-Zeitraum allerdings eingehalten sein. Zudem darf sich durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste Anpassungsprüfung um nicht mehr als sechs Monate verzögern (vgl.  - Rn. 18; - 3 AZR 686/16 - Rn. 17 mwN).

32(2) Der Kläger bezieht seit dem eine Betriebsrente. Aus der Bündelung der Anpassungsstichtage ergibt sich - ohne unzulässige Verzögerung - der als Anpassungsstichtag.

33b) Bei der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber insbesondere die Belange der Versorgungsempfänger sowie seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Lässt die wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrenten nicht zu, ist der Arbeitgeber zur Anpassung nicht verpflichtet. Die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, dass die wirtschaftliche Lage der Beklagten einer Anpassung der Betriebsrente des Klägers an den Kaufkraftverlust zum nicht entgegenstand. Die Beklagte hat im gesamten Rechtsstreit nicht geltend gemacht, dass ihre wirtschaftliche Lage einer Anpassung der Pensionsergänzung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG entgegenstünde.

34c) Die Beklagte ist daher verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers an den in der Zeit vom Rentenbeginn () bis zum Anpassungsstichtag () eingetretenen Kaufkraftverlust anzupassen. Der Kaufkraftverlust in diesem Zeitraum beträgt 20,09 vH. Eine Begrenzung durch die reallohnbezogene Obergrenze nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG hat die Beklagte nicht eingewandt. Daher steht dem Kläger der volle Teuerungsausgleich zu. Demzufolge war die Ausgangsrente des Klägers iHv. 271,10 Euro zum auf 325,56 Euro anzupassen.

35aa) Der Kaufkraftverlust in der Zeit vom Rentenbeginn des Klägers () bis zum Anpassungsstichtag () beläuft sich auf 20,09 vH.

36(1) Zur Ermittlung des Kaufkraftverlusts ist auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010 abzustellen. Da die Anpassung jeweils zu einem bestimmten Stichtag zu prüfen und ggf. vorzunehmen ist, kommt es aus Gründen der Rechtssicherheit auf die aktuelle statistische Grundlage an, die zum maßgeblichen Anpassungszeitpunkt vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht war ( - Rn. 45, BAGE 142, 116; - 3 AZR 859/09 - Rn. 28 f., BAGE 138, 213). Dies ist der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010. Dieser wurde im Februar 2013 veröffentlicht und war zum Anpassungsstichtag maßgeblich. Der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2015 wurde erst im Februar 2019 veröffentlicht und war zum Anpassungsstichtag nicht heranzuziehen. Für die Ermittlung des Anpassungsbedarfs sind die Indexwerte der Monate maßgeblich, die dem Rentenbeginn und dem aktuellen Anpassungsstichtag unmittelbar vorausgehen.

37(2) Danach beläuft sich die Teuerungsrate vom Rentenbeginn () bis zum aktuellen Anpassungsstichtag () auf 20,09 vH. Der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010 betrug im Dezember 2002 89,1 und im Juni 2015 107,0. Daraus errechnet sich eine Preissteigerung von 20,09 vH ([107,0 : 89,1 - 1] x 100).

38bb) Ausgehend von einer Pensionsergänzung zum iHv. 271,10 Euro ergibt sich damit eine Steigerung um 54,46 Euro (271,10 Euro x 0,2009) und damit eine Pensionsergänzung iHv. 325,56 Euro (271,10 Euro + 54,46 Euro).

39cc) Die Beklagte zahlt seit dem eine Pensionsergänzung iHv. 326,12 Euro und damit 0,56 Euro mehr als sie nach § 16 BetrAVG verpflichtet wäre zu zahlen. Ein weiterer Anspruch des Klägers nach § 16 BetrAVG scheidet daher aus.

405. Die Klage ist aber auch nicht insoweit begründet, als dass zunächst die Anpassungsprüfung zum nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG durchzuführen wäre und anschließend auf den so ermittelten Wert die vertragliche Erhöhung nach AB § 6 Ziff. 3 BVW vorzunehmen wäre. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass hierin eine unzulässige Vermischung des vertraglichen Anpassungsmechanismus mit der gesetzlichen Anpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG läge.

41Die Regelung zur vertraglichen Anpassung nach AB § 6 BVW einerseits und § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG stehen getrennt voneinander. Der Betriebsrentner ist gehalten, seinen Anspruch quasi alternativ nach beiden Anpassungsmechanismen zu berechnen, dh. es ist zunächst die vertragliche Anpassung isoliert zu berechnen und parallel die Anpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG. Wegen § 19 Abs. 1 und Abs. 3 BetrAVG darf die vertragliche Anpassung jedoch zu keinem Zeitpunkt geringer sein als die nach § 16 BetrAVG ermittelte.

42Da die Beklagte dem Kläger ab dem eine Pensionsergänzung iHv. 326,12 Euro brutto gewährt, während die gesetzliche Anpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG einen Anspruch iHv. 325,56 Euro brutto monatlich ergibt, folgt aus der gesetzlichen Regelung keine höhere Anpassung. Da die beiden Anpassungsmechanismen unabhängig voneinander bestehen, kann auch nicht zunächst eine Anpassung nach § 16 BetrAVG zum vorgenommen werden und die dann erhöhte Pensionsergänzung zusätzlich dem vertraglichen Anpassungsmechanismus nach AB § 6 BVW ebenfalls zum unterworfen werden.

436. Danach ergeben sich zugunsten des Klägers begründete Ansprüche für die Zeit ab dem bis zum iHv. insgesamt 2.147,14 Euro und ab dem monatlich weitere 76,73 Euro brutto.

44a) Für die Zeit vom bis zum schuldet die Beklagte dem Kläger über die freiwillig gezahlte Pensionsergänzung hinaus weitere 162,00 Euro brutto.

45Die Versorgungskassenrente belief sich zum auf 396,66 Euro, die Pensionsergänzung auf 324,50 Euro, zusammen folglich 721,16 Euro. Dieser Betrag ist um den Steigerungssatz der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung von 2,09717 vH und damit um 15,12 Euro auf dann 736,28 Euro zu erhöhen.

46Von diesem Betrag ist der Zahlbetrag der Versorgungskassenrente ab dem iHv. 396,66 Euro und die von der Beklagten gezahlte Pensionsergänzung iHv. 326,12 Euro in Abzug zu bringen. Dies ergibt einen Betrag iHv. 13,50 Euro (736,28 Euro - 396,66 Euro - 326,12 Euro). Für die zwölf Monate von Juli 2015 bis Juni 2016 ergibt sich ein Betrag iHv. 162,00 Euro.

47b) Für die Zeit vom bis zum schuldet die Beklagte dem Kläger weitere 493,32 Euro brutto.

48Der bis zum eigentlich geschuldete Gesamtbetrag iHv. 736,28 Euro brutto ist um den Steigerungssatz der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung von 4,2451 vH und damit um 31,26 Euro auf dann 767,54 Euro zu erhöhen.

49Von diesem Betrag ist der Zahlbetrag der Versorgungskassenrente ab dem iHv. 398,68 Euro und die von der Beklagten gezahlte Pensionsergänzung iHv. 327,75 Euro in Abzug zu bringen. Dies ergibt einen Betrag iHv. 41,11 Euro (767,54 Euro - 398,68 Euro - 327,75 Euro). Für die zwölf Monate von Juli 2016 bis Juni 2017 ergibt sich ein Betrag iHv. 493,32 Euro.

50c) Für die Zeit vom bis zum schuldet die Beklagte dem Kläger weitere 589,08 Euro brutto.

51Der bis zum eigentlich geschuldete Gesamtbetrag iHv. 767,54 Euro brutto ist um den Steigerungssatz der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung von 1,9048 vH und damit um 14,62 Euro auf dann 782,16 Euro zu erhöhen.

52Von diesem Betrag ist der Zahlbetrag der Versorgungskassenrente ab dem iHv. 399,08 Euro und die von der Beklagten gezahlte Pensionsergänzung iHv. 333,99 Euro in Abzug zu bringen. Dies ergibt einen Betrag iHv. 49,09 Euro (782,16 Euro - 399,08 Euro - 333,99 Euro). Für die zwölf Monate von Juli 2017 bis Juni 2018 ergibt sich ein Betrag iHv. 589,08 Euro.

53d) Für die Zeit vom bis zum schuldet die Beklagte dem Kläger weitere 749,28 Euro brutto.

54Der bis zum eigentlich geschuldete Gesamtbetrag iHv. 782,16 Euro brutto ist um den Steigerungssatz der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung von 3,2226 vH und damit um 25,21 Euro auf dann 807,37 Euro zu erhöhen.

55Von diesem Betrag ist der Zahlbetrag der Versorgungskassenrente ab dem iHv. 400,18 Euro und die von der Beklagten gezahlte Pensionsergänzung iHv. 344,75 Euro in Abzug zu bringen. Dies ergibt einen Betrag iHv. 62,44 Euro (807,37 Euro - 400,18 Euro - 344,75 Euro). Für die zwölf Monate von Juli 2018 bis Juni 2019 ergibt sich ein Betrag iHv. 749,28 Euro.

56e) Für die Zeit vom bis zum schuldet die Beklagte dem Kläger weitere 153,46 Euro brutto.

57Der bis zum eigentlich geschuldete Gesamtbetrag iHv. 807,37 Euro brutto ist um den Steigerungssatz der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung von 3,1845 vH und damit um 25,71 Euro auf dann 833,08 Euro zu erhöhen.

58Von diesem Betrag ist der Zahlbetrag der Versorgungskassenrente ab dem iHv. 400,62 Euro und die von der Beklagten gezahlte Pensionsergänzung iHv. 355,73 Euro in Abzug zu bringen. Dies ergibt einen Betrag iHv. 76,73 Euro (833,08 Euro - 400,62 Euro - 355,73 Euro). Für die beiden Monate Juli 2019 und August 2019 ergibt sich ein Betrag iHv. 153,46 Euro.

59f) Die Zinsen ergeben sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

60g) Für die Zeit ab dem schuldet die Beklagte dem Kläger monatlich weitere 76,73 Euro brutto.

61IV. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision der Beklagten ist erfolgreich, während die Revision des Klägers in der Sache ohne Erfolg bleibt. Hinsichtlich der Kostenentscheidung für die Vorinstanzen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:030620.U.3AZR441.19.0

Fundstelle(n):
BB 2020 S. 1715 Nr. 31
HAAAH-53614