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Online-Nachricht - Donnerstag, 09.07.2020

Einkommensteuer | Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte als Versorgungsbezüge (BFH)

Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze i. S. von § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG setzen voraus, dass der Steuerpflichtige wegen Erreichens der Altersgrenze von der Verpflichtung zu Dienstleistungen entbunden ist (Anschluss an ). Fahrvergünstigungen für Ruhestandsbeamte des Bundeseisenbahnvermögens sind Versorgungsbezüge, da sie keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Ruhestandsbeamten darstellen, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden. Dies gilt auch, wenn die Fahrvergünstigungen aufgrund eines vor Erreichens der Altersgrenze abgeschlossenen privatrechtlichen Vertrags geleistet werden (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Werden keine höheren Werbungskosten nachgewiesen, ist nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG bei der Ermittlung der Einkünfte von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 € abzuziehen. Nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ist von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, soweit es sich um Versorgungsbezüge i. S. von § 19 Abs. 2 EStG handelt, ein Pauschbetrag von 102 € abzuziehen, wenn keine höheren Werbungskosten nachgewiesen werden.

Sachverhalt: Der Kläger war bis zu seiner Pensionierung als Beamter für die Deutsche Bahn tätig. Nach seiner Pensionierung erhielt er Versorgungsbezüge vom Bundeseisenbahnvermögen (BEV). In den Streitjahren bescheinigte das BEV, dass es sich beim erhaltenen Arbeitslohn in voller Höhe um Versorgungsbezüge handelt. Ein gesonderter Ausweis der im Arbeitslohn enthaltenen geldwerten Vorteile aus Sachbezügen war den Lohnsteuerbescheinigungen nicht zu entnehmen. Im Arbeitslohn und auch in den bescheinigten Versorgungsbezügen enthalten war jeweils ein Sachbezugswert für eine Jahresnetzkarte. Das FA veranlagte die Kläger entsprechend den Lohnsteuerbescheinigungen, sodass der Arbeitslohn nicht um die Werbungskostenpauschale i. H. von 1.000 € gemindert wurde (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 9.8.2018).

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab ().

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:

  • Das FG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger der Arbeitnehmer-Pauschbetrag gem. § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG für die Sachbezüge in Gestalt der Jahresnetzkarte nicht zusteht, weil er in den Streitjahren bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausschließlich Versorgungsbezüge bezogen hat.

  • Versorgungsbezüge sind u. a. gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbare Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG).

  • Entscheidend für das Merkmal von Bezügen aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze i. S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG ist, dass der Steuerpflichtige wegen Erreichens dieser Altersgrenze von der Verpflichtung zu Dienstleistungen entbunden worden ist (). Das vom Arbeitgeber geleistete Entgelt stellt damit keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Arbeitnehmers dar, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden.

  • Der Kläger, der das 63. Lebensjahr vollendet hatte, war in den Streitjahren Versorgungsempfänger und als solcher nicht mehr zu Dienstleistungen verpflichtet. Den Anspruch auf die kostenlosen Jahresnetzkarten hatte er aufgrund des mit der DB AG geschlossenen Anstellungsvertrags erworben. Es handelt sich damit um einen Bezug aus früheren Dienstleistungen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 des Anstellungsvertrags erhielt der Kläger die Jahresnetzkarten auch für die Dauer des Bezugs des Ruhegeldes. Damit knüpft der Bezug der Jahresnetzkarten für die Zeiträume nach Erreichen der Altersgrenze gem. § 4 des Anstellungsvertrags - um die es im Streitfall geht - (auch) an den Status des Klägers als Versorgungsempfänger an. Der Bezug der Jahresnetzkarten ergänzt (als Nebenleistung) des früheren Arbeitgebers des Klägers dessen Versorgung nach Eintritt in den Ruhestand.

  • Der Besteuerung der Jahresnetzkarten als Versorgungsbezug steht weder entgegen, dass der Kläger bereits während seiner aktiven Tätigkeit für die DB AG einen Anspruch auf die Jahresnetzkarten hatte, noch, dass der Anspruch in dem Arbeitsvertrag des Klägers mit der DB AG geregelt war. Vielmehr hat die Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten mit Eintritt des Klägers in den Ruhestand Versorgungscharakter, weil sie - ungeachtet ihrer Vereinbarung im Arbeitsvertrag - keine Gegenleistung für Dienstleistungen des Klägers (mehr) darstellt, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht wurden. Die kostenlose Zurverfügungstellung der Jahresnetzkarten ist damit in den Streitjahren wie das Ruhegeld selbst als Versorgungsbezug anzusehen.

  • Die kostenlosen Jahresnetzkarten stellen vorliegend Versorgungsbezüge nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG dar, die "in anderen Fällen" aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze geleistet wurden. Der Kläger erhielt die kostenlosen Netzkarten im Streitfall insbesondere nicht aufgrund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen, sondern aufgrund seines Anspruchs aus § 9 Abs. 1 Satz 2 des privatrechtlichen Anstellungsvertrags mit der DB AG.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG bleiben von Versorgungsbezügen (Sozialversicherungsrenten zählen hierzu nicht, KKB/Merx, 5. Aufl. 2020, § 19 EStG Rz. 493) ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei. Der maßgebliche Prozentsatz, der Höchstbetrag und die Höhe des Zuschlags ergeben sich aus der tabellarischen Aufstellung des § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG. Sie variieren nach dem Jahr des Versorgungsbeginns, wobei der Versorgungsfreibetrag sowie der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag von Jahr zu Jahr geringer werden, so dass sie für ab dem Jahr 2040 gezahlte Versorgungsbezüge nicht mehr zu gewähren sind (siehe dazu KKB/Merx, 5. Aufl. 2020, § 19 EStG Rz. 551). Bezüge wegen Erreichens der Altersgrenze (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 EStG) sind (anders als Beamtenpensionen u. ä. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG) nicht schon bei Versorgungsbeginn, sondern erst dann Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr bzw. bei Schwerbehinderung das 60. Lebensjahr vollendet hat. Steuerliche Auswirkung hat diese Unterscheidung nach Art der Versorgungsbezüge insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige vorzeitig aus dem aktiven Dienst (wegen Vorruhestand, Altersteizeit u. ä.) ausscheidet. Zu der Frage, ob es sich bei den Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung einer gesetzlichen Krankenkasse um Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG oder andere (Versorgungs-)Bezüge aus früheren Dienstleistungen wegen des Erreichens einer Altersgrenze handelt und deshalb der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG erst ab dem Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres des Klägers zu berechnen und zu gewähren ist, ist ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig (Az. VI R 29/18). Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Versorgungsbezugs nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG in Bezug auf die Betriebsrente der Krankenkasse verneint. Ein Versorgungsbezug i. S. von § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG liege nur vor, wenn - anders als im Streitfall - nicht nur das Ruhegehalt, sondern auch das vorangegangene Dienstverhältnis den beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprechen habe ().

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
ZAAAH-53190