Erbschaftsteuer | Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs (BFH)
Im Erbschaftsteuerrecht gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gem. § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, der der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist, die Geltendmachung des Pflichtteils fiktiv nachzuholen. Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG reicht jedoch nicht so weit, dass der zivilrechtlich aufgrund Konfusion erloschene Pflichtteilsanspruch auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Zu den nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG i. V. m. § 10 Abs. 3 bis Abs. 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG u. a. Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen (§§ 2303 ff. BGB ).
Sachverhalt: Der Kläger und ursprüngliche Revisionskläger (Pflichtteilsberechtigter) ist während des Revisionsverfahrens verstorben. Alleinerbin ist die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), seine Ehefrau. Der Vater des Pflichtteilsberechtigten verstarb im Januar 2008. Er wurde von dessen Ehefrau, der Stiefmutter des Pflichtteilsberechtigten, allein beerbt. Der Pflichtteilsberechtigte machte zunächst keine Pflichtteilsansprüche geltend. Die Stiefmutter des Pflichtteilsberechtigten verstarb im Januar 2011. Der Pflichtteilsberechtigte war ihr Alleinerbe.
Das FA setzte die Erbschaftsteuer gegen den Pflichtteilsberechtigten wegen des Erwerbs von Todes wegen nach seiner verstorbenen Stiefmutter fest. Der Pflichtteilsberechtigte beantragte, den Erbschaftsteuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern und den von ihm geltend gemachten Pflichtteilsanspruch nachträglich als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen. Er habe, nachdem seine Stiefmutter verstorben und er deren alleiniger Erbe geworden sei, mit einem an sich selbst gerichteten Schreiben vom seinen Pflichtteilsanspruch aus der Erbschaft nach seinem Vater geltend gemacht.
Das FA lehnte den Änderungsantrag ab. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg ().
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:
Der originär beim Pflichtteilsberechtigten entstandene Pflichtteilsanspruch gilt gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 3 ErbStG erst dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er geltend gemacht wird.
Verstirbt der Pflichtteilsverpflichtete seinerseits, bevor der Pflichtteilsanspruch durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) oder aus anderen Gründen, etwa aufgrund eines Erlassvertrags (§ 397 Abs. 1 BGB), erloschen ist, geht die Verbindlichkeit gem. §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB zivilrechtlich auf dessen Erben über, ohne dass es auf die vorherige Geltendmachung des Anspruchs ankommt.
Die Verpflichtung zur Zahlung des Pflichtteils stellt dabei - abweichend vom Zivilrecht - erbschaftsteuerrechtlich nur dann eine vom Pflichtteilsverpflichteten als Erblasser herrührende Schuld und somit eine gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abziehbare Nachlassverbindlichkeit dar, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten des Verpflichteten geltend gemacht hatte oder ihn nach dessen Tod nunmehr geltend macht.
Dieselben Grundsätze sind anzuwenden, wenn der Pflichtteilsberechtigte zugleich der Erbe des verstorbenen Pflichtteilsverpflichteten ist.
Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten, erlöschen durch den Tod des Pflichtteilsverpflichteten - zivilrechtlich betrachtet - sowohl dessen Verbindlichkeit als auch der Pflichtteilsanspruch durch die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person (Konfusion, vgl. dazu z. B. ; ).
Im Erbschaftsteuerrecht hingegen gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gem. § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs als Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten nachzuholen.
Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG reicht jedoch nicht so weit, dass der aufgrund Konfusion zivilrechtlich erloschene Pflichtteilsanspruch erbschaftsteuerrechtlich auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war.
Der Pflichtteilsberechtigte konnte den zivilrechtlich bereits erloschenen Pflichtteilsanspruch nachträglich nicht mehr gegen sich selbst als Alleinerben seiner Stiefmutter geltend machen. Es steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass der Pflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen seine Stiefmutter wegen des Todes seines Vaters im Zeitpunkt der Geltendmachung im August 2013 zivilrechtlich bereits verjährt war. Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG umfasst nicht die Geltendmachung verjährter und zivilrechtlich durch Konfusion erloschener Pflichtteilsansprüche.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
NWB IAAAH-53187