BFH Beschluss v. - II B 80/19

Grunderwerbsteuer bei Verlängerung eines Erbbaurechts

Leitsatz

NV: Wird ein Erbbaurecht gegen Vereinbarung eines Erbbauzinses verlängert, ist grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage der kapitalisierte Erbbauzins für die Verlängerungszeit.

Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG § 2 Abs. 2 Nr. 1; BewG § 13, Anlage 9a; ErbbauRG § 1; ErbbauRG § 9

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Inhaber eines im Jahre 1960 bestellten Erbbaurechts, das zunächst am auslief. Durch Vertrag vom mit der Grundstückseigentümerin wurde das Erbbaurecht bis zum verlängert. Gleichzeitig wurde mit Wirkung vom ein Erbbauzins von 3.992 € p.a. nebst Wertsicherungsklausel vereinbart.

2 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte mit Bescheid vom zunächst für die Laufzeit vom bis zum Grunderwerbsteuer in Höhe von 2.536 € fest. Auf entsprechenden Hinweis erhöhte das FA im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom die Grunderwerbsteuer auf 3.542,90 €. Dem lag nunmehr eine Laufzeit vom bis zum und eine Bemessungsgrundlage von 70.858 € (3.992 € * Vervielfältiger 17,750 für 56 Jahre nach § 13 Abs. 1 des BewertungsgesetzesBewG— i.V.m. Anlage 9a zum BewG) ohne Abzinsung zugrunde.

3 Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat unter Berufung auf das (BFHE 172, 122, BStBl II 1993, 766) in der Verlängerung des Erbbaurechts einen grunderwerbsteuerpflichtigen Tatbestand i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) bejaht. Auch die Bemessungsgrundlage sei zutreffend berechnet, nämlich mit dem Vielfachen des Jahreswerts. Insbesondere sei nicht etwa eine Differenzberechnung in der Weise vorzunehmen, dass lediglich der kapitalisierte Betrag für die bisherige Laufzeit (80 Jahre) von dem kapitalisierten Betrag für die Gesamtlaufzeit (146 Jahre) abzuziehen sei.

4 Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im Hinblick auf die Differenzberechnung geltend. Zwar habe der BFH in seinem Urteil in BFHE 172, 122, BStBl II 1993, 766 die Frage bereits anders beantwortet. Es bestehe aber Anlass, diese Rechtsauffassung noch einmal zu überprüfen, nachdem bereits der vormalige Vorsitzende des beschließenden Senats sich hiermit kritisch auseinandersetze (Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 2 Rz 189).

Gründe

II.

5 Die Beschwerde ist unbegründet. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

6 1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Ist die Rechtslage eindeutig, bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Das gilt auch dann, wenn sie bereits durch den BFH geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (vgl. , BFH/NV 2019, 205, Rz 11).

7 2. So verhält es sich im Streitfall.

8 a) Ist ein Erbbaurecht i.S. des § 1 Abs. 1 des Erbbaurechtsgesetzes (ErbbauRG), dem eine Erbbauzinsverpflichtung i.S. des § 9 Abs. 1 ErbbauRG gegenübersteht, Gegenstand eines grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgangs, so ist Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer die auf die vereinbarte Laufzeit des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzinsverpflichtung. Das steht dem Grunde nach zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

9 Entsprechendes gilt, wenn Gegenstand des Erwerbsvorgangs das verlängerte Erbbaurecht ist. In diesem Falle ist der auf die Laufzeit der Verlängerung des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzins als Wert der Gegenleistung der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen. Dies hat der BFH in seinem Urteil in BFHE 172, 122, BStBl II 1993, 766 (unter II.2., a.E.) ausdrücklich entschieden.

10 b) Diese Berechnungsweise ist folgerichtig und gibt insofern keinen Anlass, die Rechtsfrage erneut einer revisionsrechtlichen Prüfung zu unterziehen. Sie baut auf der Grunderwerbsteuerpflicht selbst auf. Die Verlängerung des Erbbaurechts steht ebenso wie die Übertragung eines bestehenden Erbbaurechts und die Bildung (Bestellung) eines Erbbaurechts der Übereignung (§ 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 GrEStG) gleich.

11 c) Wegen des Zeitbezugs des Erbbaurechts ist die seitens des Klägers thematisierte Frage des bürgerlich-rechtlichen Rechtsträgerwechsels nicht mehr erheblich. Für diejenige Zeit, auf die sich die Verlängerung des Erbbaurechts bezieht, findet auch bürgerlich-rechtlich die Abspaltung des Erbbaurechts von dem Eigentum nicht anders statt als dies bei einer Neubestellung des Erbbaurechts der Fall gewesen wäre, denn ohne Verlängerung endet das Erbbaurecht ohne Zutun der Parteien. Es trifft deshalb nicht zu, dass die Situation von vornherein auf Kontinuität angelegt wäre. Dies gilt nur bis zum Auslaufdatum der jeweiligen Erbbaurechtsbestellung, gerade nicht darüber hinaus.

12 d) Bürgerlich-rechtlich und demzufolge auch steuerrechtlich stellt es einen erheblichen Unterschied dar, ob die Gesamtlaufzeit durch eine einmalige langfristige Erbbaurechtsbestellung oder durch Verlängerung(en) entsteht. Im ersten Falle sind die Vertragsparteien von vornherein für die Gesamtlaufzeit gebunden. Im zweiten Falle haben sie zu jedem Auslaufdatum die Wahl, ob und zu welchen Bedingungen sie das Erbbaurecht verlängern. Es stünde dazu im Widerspruch, wenn Verlängerungen über den Zeitraum von 101 Jahren hinaus, von dem an der Vervielfältiger nach Anlage 9a zum BewG bei 18,600 verharrt, stets zu einer Bemessungsgrundlage von 0 € führten.

13 e) Die von dem Kläger geltend gemachte Kritik im Schrifttum (Viskorf in Boruttau, a.a.O., § 2 Rz 189) an dem Urteil in BFHE 172, 122, BStBl II 1993, 766 greift nicht. Es heißt dort: „Fraglich sein kann allenfalls, ob bei verlängerter Erbbauzinspflicht . der kapitalisierte Betrag der neuen Laufzeit . oder nur die Differenz zwischen dem kapitalisierten Betrag der nunmehrigen Gesamtlaufzeit und dem kapitalisierten Betrag der ursprünglichen Laufzeit anzusetzen ist.“ Die Wortwahl „allenfalls“ ist keine Kritik, zumal auch keine konkreten Aspekte gegen die Entscheidung und für die Differenzberechnung ausgeführt sind. Vielmehr nimmt der Autor im Folgenden auf das  GrE (Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1220) Bezug, das die Berechnung ebenso vornimmt wie das FA und das FG im Streitfalle. Das zeigt, dass der Autor diese Herangehensweise, nicht die Differenzberechnung, für zutreffend hält.

14 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

15 4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2020:B.230420.IIB80.19.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 925 Nr. 10
EAAAH-53145