Berufsrecht | Keine anonyme Steuerberaterprüfung (FG)
Bei der gerichtlichen Kontrolle von Prüfungsentscheidungen ist zwischen Fachfragen und prüfungsspezifischen Wertungen zu unterscheiden. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Aufsichtsarbeiten zur Steuerberaterprüfung nicht anonym, sondern mit Namensnennung der Prüflinge geschrieben und bewertet werden. Insbesondere gebietet der aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitete prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit kein Kennzahlensystem für Prüfungsarbeiten ().
Sachverhalt: Die Klägerin hat an der Steuerberaterprüfung 2015/2016 teilgenommen, nachdem sie zuvor die Steuerberaterprüfung zweimal nicht bestanden hat. Die Klägerin ist der Auffassung, die Prüfer hätten alle drei Aufsichtsarbeiten fehlerhaft bewertet. Sie habe daher einen Anspruch auf Neubewertung der Aufsichtsarbeiten bzw. auf Wiederholung der Aufsichtsarbeit Buchführung und Bilanzwesen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Anfertigung der Aufsichtsarbeiten und die daran anknüpfende Korrektur müssten anonym erfolgen. Die Prüfer hätten zudem mit der Nutzung der vorgefertigten Tabellen ihren Beurteilungsspielraum nicht hinreichend genutzt. Die Verwendung der vorgefertigten Tabellen führe zu einer Verkürzung des Beurteilungsspielraums und stehe der positiven Berücksichtigung abweichender Lösungen im Wege.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab und führte aus:
Eine gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten sei nur erreichbar, wenn den Prüfungsbehörden bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleibe und die gerichtliche Kontrolle insoweit eingeschränkt werde.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Aufsichtsarbeiten nicht anonym, sondern mit Namensnennung der Prüflinge geschrieben und bewertet worden sind. In § 18 Abs. 1 S. 4 DVStB ist ausdrücklich vorgesehen, dass die zuständige Steuerberaterkammer bestimmt, ob die Aufsichtsarbeiten mit der Anschrift und der Unterschrift des Bewerbers oder mit der zugeteilten Kennzahl zu versehen sind. Die Steuerberaterkammer hat bereits in der Ladung zu den Aufsichtsarbeiten vom bestimmt, dass die Klausuren unter Angabe des Namens der Prüflinge anzufertigen sind, und damit von ihrer Entscheidungskompetenz Gebrauch gemacht.
Es ist weder zu beanstanden, wenn sich die Prüfer im Rahmen des Überdenkungsverfahrens abstimmen und eine abgestimmte Stellungnahme abgeben, noch wenn sich bei Abgabe einer Stellungnahme der Erstprüfer einer Äußerung des Zweitprüfers anschließt. Dies gilt erst recht für weitere Stellungnahmen im Klageverfahren nach dem förmlichen Abschluss des Überdenkungsverfahrens.
Die Revision ist durch Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin beim BFH unter dem Az. VII R 10/20 seit dem anhängig.
Hierbei geht es insbesondere um die Rechtsfrage, ob aus dem Grundsatz der Chancengleichheit das verfassungsrechtliche Gebot, Aufsichtsarbeiten für die Korrektur zu anonymisieren, folgt.
Quelle: FG Hamburg (JT)
Fundstelle(n):
CAAAH-53069