Krankenversicherung - Anspruch auf Krankengeld ab dem Folgetag nach dem bis zum geltenden Recht - Verschiebung des rechtzeitigen Arzttermins durch den Vertragsarzt
Leitsatz
Ein Versicherter hat nach dem bis zum geltenden Recht auch dann Anspruch auf Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit ab dem Folgetag eines vereinbarten, zur ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit rechtzeitigen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts, wenn es zu diesem Kontakt aus dem Vertragsarzt und der Krankenkasse zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist (Fortentwicklung von = BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8).
Gesetze: § 44 Abs 1 SGB 5, § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 vom , § 92 Abs 1 S 2 Nr 7 SGB 5, § 192 Abs 1 Nr 2 SGB 5, § 5 Abs 3 AURL vom , § 6 Abs 2 AURL vom , § 162 BGB, § 242 BGB
Instanzenzug: Az: S 143 KR 777/15 Urteilvorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Az: L 1 KR 196/16 Beschluss
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 6.1. bis .
2Dem 1968 geborenen, bei der beklagten Krankenkasse (KK) wegen Beschäftigung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) pflichtversicherten Kläger wurde zum gekündigt. Der ihn behandelnde Vertragsarzt (Facharzt für Orthopädie, spezielle Unfallchirurgie und Chirurgie) bescheinigte ihm wegen einer Bandscheibenschädigung jeweils abschnittsweise Arbeitsunfähigkeit (AU) durchgehend vom bis . Ein vereinbarter Folgetermin bei dem Arzt am kam nicht zustande, weil der Kläger von der Arztpraxis am selben Tag telefonisch aufgefordert worden war, aus organisatorischen Gründen erst am nächsten Tag, dem , zu erscheinen. An diesem Tag stellte sich der Kläger bei seinem Arzt vor, der ihm AU voraussichtlich bis bescheinigte.
3Nachdem die Beklagte dem Kläger Krg bis gezahlt hatte, lehnte sie die weitere Zahlung ab ab, weil für ihn nicht - wie für die Aufrechterhaltung seines Anspruchs erforderlich - spätestens am (= letzter Tag der von der vorangegangenen ärztlichen Bescheinigung erfassten AU) die weitere AU ärztlich bescheinigt worden sei. Seit sei der Kläger nur über seine Ehefrau ohne Anspruch auf Krg familienversichert (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).
4Das SG hat die dagegen erhobene Klage auf Zahlung von Krg für die Zeit ab abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Zwar sei er auch ab arbeitsunfähig gewesen, was durch die ärztliche AU-Bescheinigung vom selben Tag bestätigt worden sei. Diese AU sei aber nicht vor Ablauf des ärztlich festgestellt worden, weshalb der Krg-Anspruch am geendet habe. Der Kläger sei nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V nicht mehr mit Anspruch auf Krg ab versichert gewesen. Anderes ergebe sich auch nicht aus der jüngeren Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil des Senats vom - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8), weil der Kläger nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare getan habe, um rechtzeitig eine ärztliche Folge-AU-Feststellung zu erlangen. Fehlberatungen einer vertragsärztlichen Praxis entlasteten Versicherte grundsätzlich nicht gegenüber der KK. Hiervon sei bei dem Kläger - mangels eines dafür nach der Rechtsprechung des BSG nötigen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts am - keine Ausnahme zu machen (Beschluss vom ).
5Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung von § 44 Abs 1 und § 46 Satz 1 SGB V in der bis geltenden Fassung: Da ein rechtzeitiger Arzttermin vereinbart gewesen sei, der durch nicht in seiner Person liegende Gründe unterblieben und auf den Folgetag verschoben worden sei, dürfe ihm nicht abverlangt werden, sich doch noch am in der Praxis seines Arztes vorzustellen oder eine andere Arztpraxis aufzusuchen. In derartigen Fällen müsse eine Ausnahme von dem Grundsatz anerkannt werden, dass eine ärztliche Folge-AU-Feststellung spätestens am letzten Tag der vorangegangenen AU-Feststellung zu erfolgen habe.
8Sie hält den LSG-Beschluss für zutreffend, denn der Kläger habe nicht alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um eine rechtzeitige ärztliche Folge-AU-Feststellung zu erhalten. Die Ablehnung des Krg-Anspruchs sei deshalb nicht unverhältnismäßig.
Gründe
9Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
10Der Kläger hat entgegen der Auffassung der Vorinstanzen Anspruch auf Zahlung von Krg dem Grunde nach ab dem , dem Folgetag des vereinbarten rechtzeitigen, aber verschobenen Termins zur ärztlichen Feststellung der weiteren AU. Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann der Senat jedoch nicht abschließend über die Dauer und das Ende dieses Anspruchs gegen die beklagte KK entscheiden.
111. Der Senat konnte aufgrund des Nichterscheinens der ordnungsgemäß geladenen Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung nach Lage der Akten entscheiden (§ 110 Abs 1 Satz 2, § 126 iVm § 165 Satz 1, § 153 Abs 1 SGG); die Beteiligten hatten hierzu zudem vorab ihr Einverständnis erklärt.
122. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Entscheidungen der Vorinstanzen und der Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , durch die der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Zahlung von Krg ab abgelehnt worden ist. Richtige Klageart ist die auf Verurteilung der Beklagten gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG).
133. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Krg für beschäftigte Pflichtversicherte der GKV sind hier § 44 Abs 1 und § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V in der bis geltenden Fassung (§§ 44 und 46 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom , BGBl I 1990, 3578; im Folgenden: aF) iVm § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V, der den Erhalt der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bei Anspruch auf oder Bezug von Krg bestimmt.
14Nach § 44 Abs 1 SGB V aF haben Versicherte Anspruch auf Krg ua dann, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krg beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für das Krg vorliegt (stRspr, vgl nur - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 8; - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 15). Nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF entsteht dieser Anspruch auf Krg von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Dies gilt auch für an die ärztliche Erstfeststellung von AU anschließende Folgefeststellungen (stRspr, vgl nur BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 13 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
154. Diese Anspruchsvoraussetzungen liegen hier vor. Von diesen ist zwischen den Beteiligten zu Recht allein im Streit, ob am , dem ersten Tag nach dem Ende der zuletzt ärztlich festgestellten AU, noch eine Versicherung mit Anspruch auf Krg bestand. Letzteres ist zu bejahen.
16a) Für den Anspruch auf Krg ist insoweit erforderlich, dass an diesem Tag dieser Versicherungsschutz noch mit Blick auf § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V fortbestand. Dies erforderte einen lückenlosen Krg-Anspruch oder Krg-Bezug, der nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF nach stRspr des BSG auch bei fortbestehenden Dauererkrankungen erst vom Folgetag der ärztlichen AU-Feststellung an entsteht. Daher muss eine erneute ärztliche AU-Feststellung - ohne dass ein Karenztag eintritt - spätestens am letzten Tag des zuvor bescheinigten AU-Zeitraums erfolgen (s erneut BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 13 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
17Im Falle des Klägers erfolgte keine erneute ärztliche AU-Feststellung spätestens am letzten Tag des zuvor bescheinigten AU-Zeitraums, dem . Das Fehlen einer lückenlosen, für die weitere Krg-Gewährung nötigen AU-Feststellung unterbrach damit wegen der nicht eingreifenden Wirkung des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V an sich mangels aufrechterhaltener Pflichtmitgliedschaft des Klägers mit Wirkung für die Zukunft den Krankenversicherungsschutz mit Krg-Anspruch ab dem ; denn rechtlich hat grundsätzlich der Versicherte im Sinne einer Obliegenheit dafür Sorge zu tragen, dass eine rechtzeitige ärztliche AU-Feststellung erfolgt (stRspr, vgl nur BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 17, 22; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
18Sinn und Zweck all dessen ist es, beim Krg Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 17; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20). Hieran ist auch die ausnahmsweise Zulassung von rückwirkenden Nachholungen von AU-Feststellungen bzw von nicht lückenlosen AU-Feststellungen zu messen (vgl dazu, dass die Auslegung von Vorschriften des SGB V zur Krg-Beschränkung, die der Vermeidung von Leistungsmissbrauch und praktischen Schwierigkeiten dienen, durch diesen Regelungszweck bestimmt und begrenzt wird, zuletzt - SozR 4-2500 § 16 Nr 4 RdNr 29 f).
19b) Von diesen grundsätzlichen Erfordernissen sind in der Rechtsprechung des BSG allerdings bereits enge Ausnahmen anerkannt worden (vgl nur - jeweils mwN - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 26 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 21 ff; vgl zuletzt - zur Meldung nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V - - juris RdNr 22 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 49 Nr 9 vorgesehen).
21Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Versicherte so zu behandeln, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der AU erhalten.
22c) Der Senat entwickelt diese Rechtsprechung fort und konkretisiert sie dahin, dass es einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krg zu erhalten, und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt und der KK zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist.
23Das ist insbesondere in Fällen - wie hier - anzunehmen, in denen die Gründe für das nicht rechtzeitige Zustandekommen einer ärztlichen Folge-AU-Feststellung in der Sphäre des Vertragsarztes (vgl zur Einbindung der Vertragsärzte in das GKV-System nur § 2 Abs 2, § 72 Abs 1 und 2, § 73 Abs 2, § 75 Abs 1, § 76 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V) und nicht in derjenigen des Versicherten liegen. Dies ist typischerweise zu bejahen bei einer auf Wunsch des Vertragsarztes bzw seines von ihm angeleiteten Praxispersonals erfolgten Verschiebung des vereinbarten rechtzeitigen Arzttermins in der (naheliegenden) Vorstellung, ein späterer Termin sei für den Versicherten leistungsrechtlich unschädlich, weil nach der AU-Richtlinie (AU-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) auch die begrenzte rückwirkende ärztliche AU-Feststellung statthaft sei.
24Für die Gleichstellung des aus den vorgenannten Gründen unterbliebenen rechtzeitigen Arzt-Patienten-Kontakts mit einem tatsächlich erfolgten Kontakt spricht, dass die Obliegenheiten des Versicherten auf das in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare beschränkt sind. Ein "Arzt-Hopping", das ohnehin grundsätzlich unerwünscht ist (vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB V), statt des nachvollziehbaren Wunsches, von dem mit der AU schon vertrauten (hier: Fach-)Arzt weiterbetreut zu werden, kann von ihm grundsätzlich nicht verlangt werden. Für Versicherte fallen zudem ihr soziales Schutzbedürfnis in der GKV zu ihrer finanziellen Absicherung im Krankheitsfall (s auch § 2 Abs 2 und § 4 Abs 2 Satz 1 Nr 2, § 21 Abs 1 Nr 2 Buchst g SGB I) und die Verhältnismäßigkeit von leistungsrechtlichen Folgen bei tatsächlichen Fristversäumnissen ins Gewicht (verfassungsrechtliches Übermaßverbot). Diese Erwägungen waren für den Senat schon wesentlich für die Erweiterung der Unschädlichkeit von Arztfehlern im nichtmedizinischen Bereich (BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 25 ff). Generalpräventive Erwägungen der Missbrauchsabwehr haben dagegen, vor allem in zweifelsfreien Folge-AU-Fällen, kein solch großes Gewicht, dass sie diese Schutzaspekte überlagern und verdrängen könnten.
25Für die vorstehende Auslegung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF und Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Senats spricht darüber hinaus, dass sich Versicherungsträger in ihrem Verwaltungshandeln auch am Rechtsgedanken von Treu und Glauben (vgl § 242 BGB) auszurichten haben, welcher auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts Anwendung findet (stRspr, aus jüngerer Zeit zB - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 29 ff mit umfangreichen Rspr-Nachweisen; vgl auch zuletzt BSG <GS> Beschluss vom - GS 1/18 - juris RdNr 18, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 118 Nr 16 vorgesehen; - juris RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1780 § 161 Nr 3 vorgesehen). Versicherungsträger aller Zweige dürfen sich daher zB nicht auf die Versäumung einer dem geltend gemachten Leistungsanspruch entgegenstehenden Ausschlussfrist berufen, wenn sie die Wahrung der Frist durch eigenes Fehlverhalten treuwidrig verhindert haben (vgl bereits - BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO; ferner zB 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39, 45 mwN = Buchholz 428 § 30a VermG Nr 2; - NVwZ 1985, 938, 939 = LM Nr 36 zu § 190a BEG 1956).
26Das folgt vor allem auch aus dem Rechtsgedanken des § 162 Abs 1 BGB. Diese Regelung bestimmt sinngemäß, dass dann, wenn der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil der Eintritt gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird, diese Bedingung (gleichwohl) als eingetreten gilt. § 162 Abs 1 BGB liegt damit der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass niemand - auch kein Träger öffentlicher Verwaltung - aus seinem eigenen treuwidrigen Verhalten, das er (oder ein seiner Sphäre zuzurechnender Dritter) einer ihm rechtlich verbundenen Person gegenüber gezeigt hat, einen Vorteil ziehen darf (vgl nur Bork in Staudinger, BGB, § 162 RdNr 2, 4, 15, Stand 2015; ferner zB - BVerwGE 68, 156, 159 = Buchholz 448.0 § 13a WehrPflG Nr 15). Dem Rechtsgedanken der Regelung kommt auch im Bereich der Leistungsverwaltung des Sozialrechts Bedeutung zu, insbesondere im Zusammenhang mit der Versäumung von (Ausschluss-)Fristen, die von einem Leistungsberechtigten einzuhalten sind (vgl bereits BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO; ferner BGH NVwZ 1985, 938, 939 = LM Nr 36 zu § 190a BEG 1956 <juris RdNr 14 f>). Über den der Bestimmung zugrunde liegenden Rechtsgedanken wird dann fingiert, dass die Einhaltung der Ausschlussfrist durch den Begünstigten gewahrt ist (so BGH, ebenda, unter Hinweis auf V C 80.57 - BVerwGE 9, 89, 92 und VI C 72.63 - DVBl 1966, 857, auf BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO und - SozR Nr 9 zu § 1252 RVO = DVBl 1973, 793 sowie auf - BFHE 86, 148, 151).
28Der Senat hat diese Zurechnung fehlerhaften Arztverhaltens zu den KKn (bezogen auf deren Sozialversicherungsverhältnis zu ihren Versicherten) bereits für nichtmedizinische Fehler eines Vertragsarztes im Urteil vom mit einer missverständlichen Fassung der AU-RL des GBA begründet. Die AU-RL (hier noch anzuwenden idF vom , BAnz AT B4, in Kraft getreten am ) erlaubt den Vertragsärzten als Leistungserbringern im GKV-System in dem sie selbst betreffenden vertragsärztlichen Pflichtenkreis ausdrücklich eine zeitlich begrenzte Rückdatierung und rückwirkende Bescheinigung der AU (§ 5 Abs 3, s auch § 6 Abs 2 AU-RL). Die Vertragsärzte werden in dem Regelwerk zugleich allerdings nicht - was geboten wäre - deutlich auf die damit verbundenen ganz erheblichen leistungsrechtlichen Nachteile für die Krg-Ansprüche der sie aufsuchenden Versicherten der GKV hingewiesen (vgl ähnlich selbst noch § 5 Abs 3 AU-RL in der zum Entscheidungszeitpunkt des Senats geltenden, zuletzt geänderten Fassung vom , BAnz AT B4, in Kraft getreten am ). Entsprechend hervorgerufene bzw aufrechterhaltene Fehlvorstellungen bei Vertragsärzten über deshalb auch vermeintlich den Versicherten in ihrem Verhältnis zu deren KK unschädliche leistungsrechtliche Folgen rückwirkender AU-Feststellungen sind den KKn als maßgebliche Mitakteure im GBA (vgl näher § 91 SGB V) und Anspruchsgegner der Krg-Ansprüche Versicherter zuzurechnen (vgl zum Ganzen BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 31 ff).
295. Gemessen an den Ausführungen unter 4. c) hat der Kläger Anspruch auf Krg ab . Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) hatte der Kläger für den letzten Tag der zuletzt ärztlich festgestellten AU am einen rechtzeitigen Termin bei seinem ihn behandelnden Vertragsarzt vereinbart, der zur Erhaltung der Krg-Ansprüche ausreichend war. Dieser Termin kam nicht rechtzeitig zustande, weil der Kläger am von der Praxis seines Vertragsarztes telefonisch aufgefordert worden war, aus organisatorischen Gründen erst am Folgetag zu erscheinen. Diese praxisinternen Gründe sind dem Kläger in seiner Eigenschaft als Versichertem der Beklagten nicht zuzurechnen. Er durfte darauf vertrauen, dass ihm die von dem sein Praxispersonal anleitenden Vertragsarzt veranlasste - leistungsrechtlich objektiv schädliche - Terminverschiebung gegenüber der Beklagten in Bezug auf seine Krg-Ansprüche nicht schadete (vgl zu Fragen des vertragsärztlichen Handelns, auf das Versicherte vertrauen können und das sich KKn zurechnen lassen müssen, zuletzt auch - juris RdNr 29 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 49 Nr 9 vorgesehen). Der Kläger musste nicht entgegen dem Ansinnen seines Arztes auf dem Termin am beharren oder an diesem Tag statt des ihn wegen seiner Bandscheibenschädigung laufend behandelnden Facharztes einen anderen Arzt zur Feststellung der Folge-AU aufsuchen. Beides war ihm hier nicht zuzumuten. Vielmehr ist der Kläger so zu behandeln, als habe er seinen Arzt am tatsächlich aufgesucht und als habe dieser rechtzeitig die weitere AU festgestellt. Das durchgehende Fortbestehen der tatsächlich erst am festgestellten Folge-AU des Klägers zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel. Anhaltspunkte für sonstige Gründe, die einem Krg-Anspruch ab entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
306. Dem Senat selbst ist allerdings eine abschließende Entscheidung über die Dauer und das Ende des dem Kläger ab zustehenden Krg-Anspruchs verwehrt (vgl zum Fortbestehen und Ende des Krg-Anspruchs zuletzt - juris RdNr 12, 15, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 49 Nr 8 vorgesehen). Nach den Feststellungen des LSG ist dem Kläger AU zuletzt nur bis voraussichtlich bescheinigt worden. Feststellungen zu Folge-AU-Bescheinigungen und den darin dokumentierten Endzeitpunkten für den streitigen Zeitraum bis hat das LSG - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt konsequent - nicht getroffen. Die zuletzt vom Kläger im Revisionsverfahren vorgelegten ärztlichen Atteste über seine AU, die nicht selbst AU-Bescheinigungen sind, erlauben dem Senat mangels fehlender entsprechender Feststellungen in den Tatsacheninstanzen revisionsrechtlich keine abschließende Entscheidung über den Anspruch auf Krg für den gesamten streitigen Zeitraum. Das LSG wird Feststellungen hierzu im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben, um über die Dauer und das Ende des Krg-Anspruchs ab entscheiden zu können.
317. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu entscheiden haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2020:260320UB3KR919R0
Fundstelle(n):
JAAAH-52864