Instanzenzug: SG Braunschweig Az: S 31 KR 21/14 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 4 KR 659/16 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom bis .
2Die Klägerin ist Witwe des 1957 geborenen, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versichert gewesenen, im Verlaufe des Revisionsverfahrens verstorbenen Versicherten, mit dem sie in gemeinsamen Haushalt lebte. Bei dem Versicherten bestand seit dem Arbeitsunfähigkeit (AU) wegen eines Zustandes nach einer Hüftgelenks-TEP-Implantation und sein Beschäftigungsverhältnis endete am . Der behandelnde Orthopäde bescheinigte dem Versicherten am AU bis . Am Tag des vereinbarten Folge-Untersuchungstermins, dem , suchte der Versicherte die Praxis auf, allerdings kam es an diesem Tag lediglich zu einem kurzen Gespräch mit dem Arzt auf dem Flur der Praxis. Die Untersuchung und AU-Feststellung wurde auf Bitte des Arztes wegen eines hohen Patientenaufkommens aufgrund des bevorstehenden Feiertags () und einer Praxisschließung am mit Blick auf die klare Diagnose auf Montag, den , verschoben. An diesem Tag stellte sich der Versicherte bei seinem Arzt erneut vor, der ihm weiterhin AU voraussichtlich bis bescheinigte.
3Die Beklagte entschied im Anschluss daran, dass die Pflichtmitgliedschaft des Versicherten und sein Anspruch auf Krg zum geendet hätten. Spätestens an diesem Tag (= letzter Tag der in der vorangegangenen ärztlichen Bescheinigung attestierten AU) sei ihm die für die Aufrechterhaltung des Krg-Anspruchs erforderliche weitere AU nicht ärztlich bescheinigt worden (Bescheid vom ). Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein, welches ergab, dass der Versicherte auch über den hinaus arbeitsunfähig war. Der Widerspruch blieb aus den Gründen des angefochtenen Bescheides ohne Erfolg; auch scheide ein Anspruch auf Krg für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft nach § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V aus, da der Versicherte ab dem im Rahmen der Familienversicherung seiner Ehefrau Versicherungsschutz ohne Krg-Anspruch erlangt habe (Widerspruchsbescheid vom ).
4Die Klage des Versicherten ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid vom ). Das LSG hat seine Berufung - teilweise auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug nehmend - zurückgewiesen: Der Versicherte habe trotz fortbestehender AU keinen Anspruch auf Gewährung von Krg über den hinaus, weil die dafür erforderliche ärztliche AU-Bescheinigung nicht rechtzeitig am , sondern erst am ausgestellt worden sei. Ab sei der Versicherte aber wegen § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen. Anderes ergebe sich auch nicht aus der jüngeren Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8), weil der Versicherte nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare getan habe, um rechtzeitig eine ärztliche Folge-AU-Feststellung zu erlangen. Fehlberatungen einer vertragsärztlichen Praxis entlasteten Versicherte insoweit grundsätzlich nicht im Verhältnis zur KK. Hiervon sei bei dem Versicherten keine Ausnahme zu machen. Aus § 19 Abs 2 SGB V ergebe sich nichts zu Gunsten des Versicherten (Urteil vom ).
5Mit ihrer dagegen gerichteten Revision rügt nunmehr die Klägerin sinngemäß die Verletzung der § 44 Abs 1 und § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V in der bis geltenden Fassung. Dem LSG könne nicht darin gefolgt werden, dass die gesetzlichen Vorschriften den Anspruch des Versicherten auf Krg wegen fehlender ärztlicher Untersuchung am ausschlössen. Bei dem Versicherten habe zweifellos eine durchgehend ärztlich festgestellte AU bestanden. Der Versicherte habe auch alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um Krg-Ansprüche durch eine zeitgerechte AU-Bescheinigung zu wahren. Er sei aber wegen eines Organisationsmangels des Arztes, den sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, auf den nächsten Werktag mit Praxisöffnung vertröstet worden. Ihm könne nach den Umständen nicht abverlangt werden, noch am eine andere Arztpraxis aufzusuchen.
8Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Gründe
9Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
10Die Klägerin hat als prozessführungsbefugte und aktivlegitimierte Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten (§ 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB I) entgegen der Auffassung der Vorinstanzen Anspruch auf Zahlung von Krg dem Grunde nach ab . Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) kann der Senat allerdings nicht abschließend über den von der Klägerin mit ihrem Revisionsantrag geltend gemachten Anspruch auf Krg-Zahlung für die gesamte Zeit vom bis entscheiden.
111. Der Senat konnte aufgrund des Nichterscheinens der ordnungsgemäß geladenen Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung nach Lage der Akten entscheiden (§ 110 Abs 1 Satz 2, § 126 iVm § 165 Satz 1, § 153 Abs 1 SGG); die Beteiligten hatten hierzu zudem vorab ihr Einverständnis erklärt.
122. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Entscheidungen der Vorinstanzen und der Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom , gegen den sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage wendet (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG).
133. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Krg für beschäftigte Pflichtversicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind hier § 44 Abs 1 und § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V in der bis geltenden Fassung (§§ 44 und 46 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom , BGBl I 1990, 3578; im Folgenden: aF) iVm § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V, der den Erhalt der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bei Anspruch auf oder Bezug von Krg bestimmt.
14Nach § 44 Abs 1 SGB V aF haben Versicherte Anspruch auf Krg ua dann, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krg beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für das Krg vorliegt (stRspr, vgl nur - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 8; - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 15). Nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF entsteht dieser Anspruch auf Krg von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Dies gilt auch für an die ärztliche Erstfeststellung von AU anschließende Folgefeststellungen (stRspr, vgl nur BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 13 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
154. Diese Anspruchsvoraussetzungen liegen hier vor. Von diesen ist zwischen den Beteiligten zu Recht allein im Streit, ob am , dem ersten Tag nach dem Ende der zuletzt ärztlich festgestellten AU, noch eine Versicherung mit Anspruch auf Krg bestand. Letzteres ist zu bejahen.
16a) Für den Anspruch auf Krg ist insoweit erforderlich, dass an diesem Tag dieser Versicherungsschutz noch mit Blick auf § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V fortbestand. Dies erforderte einen lückenlosen Krg-Anspruch oder Krg-Bezug, der nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF nach stRspr des BSG auch bei fortbestehenden Dauererkrankungen erst vom Folgetag der ärztlichen AU-Feststellung an entsteht. Daher muss eine erneute ärztliche AU-Feststellung - ohne dass ein Karenztag eintritt - spätestens am letzten Tag des zuvor bescheinigten AU-Zeitraums erfolgen (s erneut BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 13 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
17Im Falle des Versicherten erfolgte keine erneute ärztliche Feststellung der AU spätestens am letzten Tag des zuvor bescheinigten AU-Zeitraums, dem . Das Fehlen einer lückenlosen, für die weitere Krg-Gewährung nötigen AU-Feststellung unterbrach damit wegen der nicht eingreifenden Wirkung des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V an sich mangels aufrechterhaltener Pflichtmitgliedschaft des Versicherten mit Wirkung für die Zukunft den Krankenversicherungsschutz mit Krg-Anspruch ab ; denn rechtlich hat grundsätzlich der Versicherte im Sinne einer Obliegenheit dafür Sorge zu tragen, dass eine rechtzeitige ärztliche AU-Feststellung erfolgt (stRspr, vgl nur BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 17, 22; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
18Sinn und Zweck all dessen ist es, beim Krg Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 17; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20). Hieran ist auch die ausnahmsweise Zulassung von rückwirkenden Nachholungen von AU-Feststellungen bzw von nicht lückenlosen AU-Feststellungen zu messen. Die Auslegung von Vorschriften des SGB V zur Krg-Beschränkung, die der Vermeidung von Leistungsmissbrauch und praktischen Schwierigkeiten dienen, wird durch diesen Regelungszweck bestimmt und begrenzt (vgl dazu zuletzt - SozR 4-2500 § 16 Nr 4 RdNr 29 f).
19b) Von diesen grundsätzlichen Erfordernissen sind in der Rechtsprechung des BSG allerdings bereits enge Ausnahmen anerkannt worden (vgl nur - jeweils mwN - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 26 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 21 ff; vgl zuletzt - zur Meldung nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V - - juris RdNr 22 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 49 Nr 9 vorgesehen).
21Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Versicherte so zu behandeln, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der AU erhalten.
22c) Der Senat entwickelt diese Rechtsprechung fort und konkretisiert sie dahin, dass es einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen eine ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krg zu erhalten, es dazu aber aus dem Vertragsarzt und der KK zurechenbaren Gründen erst verspätet nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist.
23Das ist insbesondere in Fällen - wie hier - anzunehmen, in denen die Gründe für das nicht rechtzeitige Zustandekommen einer ärztlichen Folge-AU-Feststellung in der Sphäre des Vertragsarztes (vgl zur Einbindung der Vertragsärzte in das GKV-System nur § 2 Abs 2, § 72 Abs 1 und 2, § 73 Abs 2, § 75 Abs 1, § 76 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V) und nicht in derjenigen des Versicherten liegen. Dies ist typischerweise zu bejahen bei einer auf Wunsch des Vertragsarztes bzw seines von ihm angeleiteten Praxispersonals erfolgten Verschiebung des vereinbarten rechtzeitigen Arzttermins in der (naheliegenden) Vorstellung, ein späterer Termin sei für den Versicherten leistungsrechtlich unschädlich, weil nach den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) auch die begrenzte rückwirkende ärztliche AU-Feststellung statthaft sei.
24Für die Gleichstellung der aus den vorgenannten Gründen unterbliebenen rechtzeitigen AU-Feststellung aufgrund hinreichenden Arzt-Patienten-Kontakts mit einer zeitgerechten Feststellung der AU spricht, dass die Obliegenheiten des Versicherten auf das in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare beschränkt sind. Ein "Arzt-Hopping", das ohnehin grundsätzlich unerwünscht ist (vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB V), statt des nachvollziehbaren Wunsches, von dem mit der AU schon vertrauten (hier: Fach-) Arzt weiterbetreut zu werden, kann von ihm grundsätzlich nicht verlangt werden. Für Versicherte fallen zudem ihr soziales Schutzbedürfnis in der GKV zu ihrer finanziellen Absicherung im Krankheitsfall (s auch § 2 Abs 2 und § 4 Abs 2 Satz 1 Nr 2, § 21 Abs 1 Nr 2 Buchst g SGB I) und die Verhältnismäßigkeit von leistungsrechtlichen Folgen bei tatsächlichen Fristversäumnissen ins Gewicht (verfassungsrechtliches Übermaßverbot). Diese Erwägungen waren für den Senat schon wesentlich für die Erweiterung der Unschädlichkeit von Arztfehlern im nichtmedizinischen Bereich (BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 25 ff). Generalpräventive Erwägungen der Missbrauchsabwehr haben dagegen, vor allem in zweifelsfreien Folge-AU-Fällen, kein solch großes Gewicht, dass sie diese Schutzaspekte überlagern und verdrängen könnten.
25Für die vorstehende Auslegung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF und Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Senats spricht darüber hinaus, dass sich Versicherungsträger in ihrem Verwaltungshandeln auch am Rechtsgedanken von Treu und Glauben (vgl § 242 BGB) auszurichten haben, welcher auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts Anwendung findet (stRspr, aus jüngerer Zeit zB - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 29 ff mit umfangreichen Rspr-Nachweisen; vgl auch zuletzt BSG <GS> Beschluss vom - GS 1/18 - juris RdNr 18, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 118 Nr 16 vorgesehen; - juris RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1780 § 161 Nr 3 vorgesehen). Versicherungsträger aller Zweige dürfen sich daher zB nicht auf die Versäumung einer dem geltend gemachten Leistungsanspruch entgegenstehenden Ausschlussfrist berufen, wenn sie die Wahrung der Frist durch eigenes Fehlverhalten treuwidrig verhindert haben (vgl bereits - BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO; ferner zB 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39, 45 mwN = Buchholz 428 § 30a VermG Nr 2; - NVwZ 1985, 938, 939 = LM Nr 36 zu § 190a BEG 1956).
26Das folgt vor allem auch aus dem Rechtsgedanken des § 162 Abs 1 BGB. Diese Regelung bestimmt sinngemäß, dass dann, wenn der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil der Eintritt gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird, diese Bedingung (gleichwohl) als eingetreten gilt. § 162 Abs 1 BGB liegt damit der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass niemand - auch kein Träger öffentlicher Verwaltung - aus seinem eigenen treuwidrigen Verhalten, das er (oder ein seiner Sphäre zuzurechnender Dritter) einer ihm rechtlich verbundenen Person gegenüber gezeigt hat, einen Vorteil ziehen darf (vgl nur Bork in Staudinger, BGB, § 162 RdNr 2, 4, 15, Stand 2015; ferner zB 8 C 39.82 - BVerwGE 68, 156, 159 = Buchholz 448.0 § 13a WehrPflG Nr 15). Dem Rechtsgedanken der Regelung kommt auch im Bereich der Leistungsverwaltung des Sozialrechts Bedeutung zu, insbesondere im Zusammenhang mit der Versäumung von (Ausschluss-)Fristen, die von einem Leistungsberechtigten einzuhalten sind (vgl bereits BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO; ferner BGH NVwZ 1985, 938, 939 = LM Nr 36 zu § 190a BEG 1956 = juris RdNr 14). Über den der Bestimmung zugrunde liegenden Rechtsgedanken wird dann fingiert, dass die Einhaltung der Ausschlussfrist durch den Begünstigten gewahrt ist (so BGH, ebenda, unter Hinweis auf V C 80.57 - BVerwGE 9, 89, 92 und VI C 72.63 - DVBl 1966, 857, auf BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO und - SozR Nr 9 zu § 1252 RVO = DVBl 1973, 793 sowie auf BFHE 86, 148, 151).
28Es ist dann gerechtfertigt und vom Normzweck der gesetzlichen Regelungen zum Krg gedeckt, dass sich die KK nicht auf eine dem vertragsärztlichen System anzulastende Verhinderung der rechtzeitigen AU-Feststellung berufen darf.
29Der Senat hat diese Zurechnung fehlerhaften Arztverhaltens zu den KKn (bezogen auf deren Sozialversicherungsverhältnis zu ihren Versicherten) bereits für nichtmedizinische Fehler eines Vertragsarztes im Urteil vom mit einer missverständlichen Fassung der AU-RL des GBA begründet. Die AU-RL (hier noch anzuwenden idF vom , zuletzt geändert am , BAnz AT B4, in Kraft getreten am ) erlaubten den Vertragsärzten als Leistungserbringern im GKV-System in dem sie selbst betreffenden vertragsärztlichen Pflichtenkreis ausdrücklich eine zeitlich begrenzte Rückdatierung und rückwirkende Bescheinigung der AU (§ 5 Abs 3, s auch § 6 Abs 2 AU-RL). Die Vertragsärzte werden in dem Regelwerk zugleich allerdings nicht - was geboten wäre - deutlich auf die damit verbundenen ganz erheblichen leistungsrechtlichen Nachteile für die Krg-Ansprüche der sie aufsuchenden Versicherten der GKV hingewiesen (vgl ähnlich selbst noch § 5 Abs 3 AU-RL in der zum Entscheidungszeitpunkt des Senats geltenden, zuletzt geänderten Fassung vom , BAnz AT B4, in Kraft getreten am ). Entsprechend hervorgerufene bzw aufrechterhaltene Fehlvorstellungen bei Vertragsärzten über deshalb auch vermeintlich den Versicherten in ihrem Verhältnis zu deren KK unschädliche leistungsrechtliche Folgen rückwirkender AU-Feststellungen sind den KKn als maßgebliche Mitakteure im GBA (vgl näher § 91 SGB V) und Anspruchsgegner der Krg-Ansprüche Versicherter zuzurechnen (vgl zum Ganzen BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 31 ff).
305. Gemessen an den Ausführungen unter 4. c) hat die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten Anspruch auf Krg ab bis zum Ende der letzten vom LSG festgestellten AU-Bescheinigung vom , also bis . Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) hatte der Versicherte für den letzten Tag der zuletzt ärztlich festgestellten AU am einen rechtzeitigen Termin bei seinem ihn behandelnden Vertragsarzt vereinbart, der zur Erhaltung der Krg-Ansprüche ausreichend gewesen wäre. Dieser Termin kam nicht rechtzeitig zustande, weil der Versicherte am in der Praxis von seinem Vertragsarzt gebeten worden war, aus Gründen der Praxisüberfüllung an diesem Tag vor dem Feiertag, , und der für Freitag, den , vorgesehenen Praxisschließung noch einmal am Montag, den , zu erscheinen. Diese praxisinternen Gründe sind dem Versicherten in seiner Eigenschaft als Leistungsberechtigter der Beklagten nicht zuzurechnen. Er durfte darauf vertrauen, dass ihm die von seinem Vertragsarzt veranlasste - leistungsrechtlich objektiv schädliche - Terminverschiebung gegenüber der Beklagten in Bezug auf seine Krg-Ansprüche nicht schadete (vgl zu Fragen des vertragsärztlichen Handelns, auf das Versicherte vertrauen können und das sich KKn zurechnen lassen müssen, zuletzt auch - juris RdNr 29 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 49 Nr 9 vorgesehen). Der Versicherte musste nicht entgegen dem Ansinnen seines Arztes auf dem Termin am beharren oder an diesem Tag einen anderen Arzt zur Feststellung der Folge-AU aufsuchen. Beides war ihm nicht zuzumuten. Vielmehr ist der Versicherte so zu behandeln, als habe sein Arzt am rechtzeitig die weitere AU festgestellt. Das durchgehende Fortbestehen der tatsächlich erst am festgestellten AU des Versicherten zieht die Beklagte nicht in Zweifel (Stellungnahme ihres MDK). Anhaltspunkte für sonstige Gründe, die einem auf die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin übergegangenen Krg-Anspruch ab des Versicherten entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
316. Dem Senat selbst ist allerdings eine abschließende Entscheidung über die Dauer und das Ende des ab einsetzenden Krg-Anspruchs verwehrt (vgl zum Fortbestehen und Ende des Krg-Anspruchs zuletzt - juris RdNr 12, 15, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 49 Nr 8 vorgesehen). Für die Zeit vom bis drängt sich zwar bereits jetzt die Abgabe eines (Teil-)Anerkenntnisses der Beklagten (vgl § 101 Abs 2 SGG) auf. Feststellungen zu Folge-AU-Bescheinigungen über dieses Enddatum hinaus und zu den in weiteren Bescheinigungen dokumentierten Endzeitpunkten hat das LSG - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt konsequent - allerdings nicht getroffen. Das ist nachzuholen für das klägerische Begehren auf Krg-Zahlungen bis ; dies gilt sowohl in Bezug auf die Berechtigung des Endzeitpunkts als auch für die bis zu diesem Zeitpunkt jeweils zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzungen (vgl ua auch § 46 Satz 1 Nr 2 Satz 2, § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V). Darüber hinaus kommt die Prüfung der möglicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeschöpften Anspruchshöchstdauer (§ 48 Abs 1 SGB V <stets dieselbe Krankheit oder neue bzw hinzugetretene Krankheiten?>) sowie die Prüfung der Anrechnung von Geldleistungen anderer Leistungsträger im Falle von medizinischer Rehabilitation (§ 49 Abs 1 Nr 3 SGB V) oder Rente wegen Erwerbsminderung (§ 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V) in Betracht.
32Das LSG wird Feststellungen hierzu im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben, um über die Dauer und das Ende bzw über Ausschluss, Kürzung und Ruhen des Krg-Anspruchs ab entscheiden zu können.
337. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu entscheiden haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2020:260320UB3KR1019R0
Fundstelle(n):
PAAAH-52862