BGH Beschluss v. - 4 StR 556/19

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Gefährlichkeitsprognose

Gesetze: § 63 StGB

Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 10a KLs 4/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der versuchten schweren Brandstiftung freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang.

I.

2Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte nach seiner Entlassung am aus einer Unterbringung nach dem PsychKG, die im Zusammenhang mit einer Brandlegung in seiner Wohnung erfolgte, die ihm empfohlenen Medikamente nicht ein. Am Abend des entzündete er zunächst mit den Worten „Ich zünd‘ meine Bude an“ im Hausflur des Mehrfamilienhauses, in dem er wohnte, Zigarettenhülsen, welche die steinernen Treppenstufen nicht in Brand setzten. In seiner Wohnung im ersten Obergeschoss des Hauses entschied sich der Angeklagte sodann, sein Vorhaben umzusetzen und seine Wohnung in Brand zu stecken. Zu diesem Zweck entzündete er an drei Stellen im Wohnzimmer Toilettenpapierrollen und verließ die Wohnung. Zwar geriet ein Vorhang in Brand, ferner wurden der Plastikrahmen der Balkontür angesengt und deren Scharniere aus den Angeln gehoben. Wegen des schnellen Einsatzes der von Nachbarn alarmierten Feuerwehr gerieten aber wesentliche Gebäudeteile nicht in Brand.

3Zum Zeitpunkt der Tat war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund einer krankhaften seelischen Störung in Form einer hebephrenen Schizophrenie sicher erheblich vermindert und nicht ausschließbar gänzlich aufgehoben.

II.

41. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht näher ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

52. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat keinen Bestand, da die Gefährlichkeitsprognose nicht tragfähig begründet ist.

6Die für die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades, der Täter werde infolge seines fortdauernden psychischen Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom ‒ 2 StR 239/15; vom ‒ 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f. und vom ‒ 1 StR 445/16 Rn. 15 mwN). Bei der insofern vorzunehmenden Gesamtwürdigung des Täters und der Symptomtat sind etwaige Vortaten von besonderer Bedeutung (, NStZ-RR 2016, 306, 307; Rn. 12). Dabei darf das Gericht im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose Schlüsse aus anhängig gewesenen Verfahren nur dann ziehen, wenn es die diesen Verfahren zugrundeliegenden Taten für erwiesen hält; dies muss nachprüfbar dargelegt werden ( Rn. 4; Rn. 13).

7Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht. Seine Prognose, dass der Angeklagte aufgrund seiner krankheitsbedingten Defizite für die Allgemeinheit gefährlich ist, hat das Landgericht nicht allein mit der Anlasstat begründet, sondern es hat sich dafür insbesondere auf in der Vergangenheit gegen den Angeklagten geführte Strafverfahren gestützt, die durchweg von der Staatsanwaltschaft wegen Schuldunfähigkeit eingestellt wurden. Es hat zudem auf die hohe Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten abgestellt und insoweit auf das am von der Staatsanwaltschaft ebenfalls wegen Schuldunfähigkeit eingestellte Verfahren verwiesen, wonach der Angeklagte „dringend verdächtig“ gewesen sei, am den Teppichboden und einen Wäscheberg im Schlafzimmer seiner Wohnung angezündet zu haben.

8Mit Ausnahme der Mitteilung dieses Geschehens fehlt es bereits an der Darlegung der den eingestellten Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalten, so dass sich deren Relevanz für die Gefährlichkeitsprognose nicht erschließt. Hinsichtlich des früheren Brandgeschehens mangelt es an jeglichen Belegen für die Überzeugung des Landgerichts, dass der Angeklagte Täter auch dieser Brandlegung war, womit der Annahme einer Rückfallgeschwindigkeit die Grundlage entzogen ist. Allein die Mitteilung des von der Staatsanwaltschaft insoweit angenommenen dringenden Tatverdachts vermag die Überzeugungsbildung des Landgerichts von der Täterschaft des Angeklagten nicht zu ersetzen.

93. Die bislang unzureichend begründete Gefahrprognose nötigt zur Aufhebung des Urteils. Jedoch sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen rechtsfehlerfrei getroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Mit Blick auf die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ist auch der Freispruch des Angeklagten aufzuheben (vgl. Rn. 12).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:110320B4STR556.19.0

Fundstelle(n):
YAAAH-52859