Nichtzulassungsbeschwerde im Kartellverwaltungsverfahren: Erheblichkeit der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zum Zwecke der Rechtfertigung der Untersagung eines Zusammenschlussvorhabens - Ticketvertrieb
Gesetze: § 36 Abs 1 S 1 GWB, § 71 Abs 2 S 2 GWB, § 76 Abs 1 GWB
Instanzenzug: Az: VI Kart 3/18 (V)
Gründe
1I. Die Betroffene zu 1 (nachfolgend: Betroffene) beabsichtigte, über eine Tochtergesellschaft jeweils 51% der Anteile an den Unternehmen F A GmbH und F E GmbH zu erwerben. Das Bundeskartellamt untersagte das Zusammenschlussvorhaben, weil es durch vertikale Integration eines Rock-Pop-Tourneeveranstalters zur Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der Betroffenen auf dem mehrseitigen Markt für Ticketsystemdienstleistungen und damit zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB führen würde.
2Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.
3Nach endgültiger Aufgabe der Kaufabsicht will die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde die Feststellung der Unbegründetheit der Verfügung des Bundeskartellamts erreichen.
4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 76 Abs. 1 GWB statthaft und auch sonst zulässig. Die Betroffene kann nach Erledigung ihres Anfechtungsantrags infolge der Aufhebung des Kaufvertrags ihr Begehren auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB umstellen.
5Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Betroffenen liegt vor. Sie macht geltend, es kämen in Zukunft weitere Zusammenschlussvorhaben in Betracht, die in vergleichbarer Weise kartellrechtlichen Hindernissen ausgesetzt wären, wie das in Rede stehende Zusammenschlussvorhaben. Nach der Rechtsprechung des Senats besteht bei Fusionsfällen eine das Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründende Wiederholungsgefahr bereits im Fall der ab-strakten Präjudizialität hinsichtlich eines entsprechenden, wenn auch derzeit noch nicht absehbaren Zusammenschlussvorhabens (, WuW/E DE-R 2221, Rn. 20 - Springer/ProSieben I).
6III. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch begründet. Die Rechtsbeschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
71. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB erheblich sein muss, um eine Untersagung zu rechtfertigen, hat grundsätzliche Bedeutung. Zu dieser Frage gibt es bislang keine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sie ist in der Literatur umstritten.
8a) In dem von der Beschwerdeerwiderung zitierten Beschluss vom (KVZ 82/13, juris - Xella) hat sich der Senat nur mit der Begründung einer marktbeherrschenden Stellung befasst.
9b) Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht ist ein Zusammenschluss wegen Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung seit der Neufassung des § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB durch die 8. GWB-Novelle nur zu untersagen, wenn die Verstärkungswirkung erheblich ist (Monopolkommission, 20. Hauptgutachten 2012/2013, Rn. 566; Richter/Steinvorth in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 3. Auflage, § 20, Rn. 78; Bechtold/Bosch, GWB, 9. Auflage, § 36, Rn. 23; Schroeder in Festschrift für Wolf-Henning Roth, 2015, Seite 583, 599 bis 601; Esser/Höft, NZKart. 2013, 447, 453; Barke/Stransky, WRP 2014, 674, 675; im Grundsatz auch Körber, WuW 2014, 250, 255).
10c) Nach anderer Ansicht, die auch vom Beschwerdegericht und dem Bundeskartellamt vertreten wird, ist die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung stets erheblich im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB (OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 4050, Rn. 141 - Liberty/Global/Kabel-BW; BKartA, Beschluss vom , B 4 - 18/13, Rn. 170; Beschluss vom , B 6 - 98/13, Rn. 107, 183, 223, 293; Kahlenberg in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, 3. Auflage, § 36 GWB, Rn. 5; Thomas in Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Auflage, § 22 Rn. 118.).
112. Die Frage ist auch entscheidungserheblich. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, für die Untersagung eines Zusammenschlusses müsse die zu erwartende Verstärkung einer bereits bestehenden marktbeherrschenden Stellung weder erheblich noch spürbar sein. Eine Prüfung der Erheblichkeit der Verstärkungswirkung hat es ausdrücklich für entbehrlich erachtet. Das Verständnis des Verstärkungskriteriums durch das Beschwerdegericht war damit für seine Entscheidung tragend.
Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat, die mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses beginnt, schriftlich bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von zwei Monaten, die mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses beginnt, zu begründen. Diese Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit der Beschluss des Beschwerdegerichts angefochten und seine Abänderung oder Aufhebung beantragt wird.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:240320BKVZ3.19.0
Fundstelle(n):
MAAAH-50974