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BGH Urteil v. - VI ZR 71/19

(Inkassogeschäft: Verbotsirrtum bei Irren über Registrierungspflicht; Ansprüche aus §§ 2, 10 und 20 RDG)

Leitsatz

1. Ein Täter, dem sämtliche tatsächlichen Umstände bekannt sind und der den Bedeutungssinn des Inkassogeschäfts als normatives Tatbestandsmerkmal zutreffend erfasst, der aber dennoch über die Registrierungspflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG irrt, unterliegt in Bezug auf § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG einem Verbotsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 2 OWiG und keinem Tatbestandsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 1 OWiG (Festhaltung Senatsurteil vom - VI ZR 486/18, VersR 2019, 1517 Rn. 26 ff.).

2. Ein Anspruch aus § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG kann unter Verweis auf einen solchen Irrtum des Täters mithin nur dann verneint werden, wenn der Irrtum und seine Unvermeidbarkeit positiv festgestellt sind.

Gesetze: § 823 Abs 2 BGB, § 2 Abs 1 S 1 RDG, § 2 Abs 2 S 1 RDG, § 3 RDG, § 10 Abs 1 S 1 Nr 1 RDG, § 20 Abs 1 Nr 2 RDG, § 9 Abs 1 Nr 1 OWiG, § 11 Abs 2 OWiG, § 14 OWiG

Instanzenzug: Az: 12 U 82/18vorgehend LG Ravensburg Az: 3 O 305/15

Tatbestand

1Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage.

2Der Beklagte zu 1 war alleiniges Verwaltungsratsmitglied und Hauptentscheidungsträger, der Beklagte zu 3 Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung der in der Schweiz ansässigen S. AG. Die S. AG vertrieb in Deutschland über Vermittler ein als "Cashselect" bezeichnetes Anlagemodell, das vorsah, dass Anleger Kapitallebensversicherungen und vergleichbare Anlagen kündigen bzw. kündigen lassen, um die Rückkaufswerte dann bei der S. AG anzulegen. Grundlage waren dabei sogenannte "Kauf- und Abtretungsverträge", die als Gegenleistung für die "verkauften" Rechte bzw. Forderungen aus den Versicherungsverträgen spätere Auszahlungen der S. AG vorsahen, die die Rückkaufswerte - in Abhängigkeit von der Laufzeit der Anlage - betragsmäßig erheblich überstiegen. Die Kündigung der Versicherungsverträge sollte von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden, der die Rückkaufswerte dann an die S. AG auskehren und dafür eine Provision erhalten sollte. Die für die späteren Auszahlungen an die Anleger erforderlichen Gewinne der S. AG sollten durch Investitionen in erneuerbare Energien, konkret durch den Bau von Kraftwerken, erzielt werden. Da die S. AG so zunächst keine Gewinne generieren konnte, zahlte sie die älteren Kunden mit den von neuen Kunden eingesetzten Geldern aus. Über eine Erlaubnis nach dem Schweizer Bankgesetz oder nach § 32 Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG) verfügte die S. AG nicht. Auch war sie keine registrierte Person im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG).

3Im März 2011 unterzeichnete die Klägerin ein mit "Kauf- und Abtretungsvertrag" überschriebenes Formular der S. AG betreffend sämtliche Rechte und Forderungen der Klägerin aus einer von ihr bei der H. AG unterhaltenen Lebensversicherung. Der "Kauf- und Abtretungsvertrag" sah dabei unter anderem folgende Regelungen vor:

4Im September 2010 und damit vor dem Abschluss des "Kauf- und Abtretungsvertrages" mit der Klägerin hatte sich die S. AG mit anwaltlichem Schreiben an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) mit der Frage gewandt, ob ihr Geschäftsmodell einer bankenrechtlichen Erlaubnis bedürfe. Die BaFin verneinte dies im Januar 2011 für das später von der Klägerin gewählte Geschäftsmodell und begründete dies in ihrem Antwortschreiben mit der Erwägung, aufgrund des in § 6 des übersandten Kauf- und Abtretungsvertrages vereinbarten qualifizierten Rangrücktritts erfülle das Produkt den Tatbestand des Einlagengeschäftes im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG nicht.

5Im August 2011 teilte die S. AG der Klägerin mit, der mit der Abwicklung des Versicherungsvertrages betraute Rechtsanwalt, der Beklagte zu 2, habe aus dem angekauften Versicherungsvertrag eine Zahlung von 7.552,74 € an sie weitergeleitet. Zugleich sicherte die S. AG der Klägerin zu, ihr am einen Betrag von 15.105,48 € auszubezahlen. Im Jahr 2012 untersagte die schweizerische Bankenaufsicht der S. AG den Vertrieb ihrer Produkte und leitete die Liquidation der S. AG ein. Eine Auszahlung der S. AG an die Klägerin erfolgte nicht.

6Mit ihrer Klage hatte die Klägerin zunächst von allen drei Beklagten als Gesamtschuldnern den Ersatz des an die S. AG geflossenen Rückkaufswertes in Höhe von 7.552,74 € Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus dem "Kaufvertrag" sowie Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, jeweils nebst Zinsen, verlangt. Darüber hinaus hatte sie beantragt festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme der Gegenleistung im Verzug befinden und die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1 und 3 aus einer vorsätzlich begangenen deliktischen Handlung herrührt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin, soweit sie den Beklagten zu 2 betrifft, als unzulässig verworfen und sie im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter, wobei sie die Revision hinsichtlich des Beklagten zu 2 inzwischen zurückgenommen hat.

Gründe

I.

7Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - ausgeführt, das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin gegen die Beklagten zu 1 und 3 weder vertragliche noch deliktische Ansprüche zustünden.

8Zunächst habe die Klägerin gegen den Beklagten zu 1 keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 KWG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Zwar sei deutsches Recht anwendbar. Auch komme eine Haftung des Beklagten zu 1 als alleiniges Verwaltungsratsmitglied der S. AG im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht. Zudem sei § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG Schutzgesetz. Das Landgericht habe aber zutreffend angenommen, dass ein entsprechender Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 jedenfalls deshalb ausscheide, weil sich dieser infolge der BaFin-Auskunft vom Januar 2011 auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen könne. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2, Art. 46 Schweizer Bankengesetz scheitere am fehlenden Schutzgesetzcharakter der Regelungen des Schweizer Bankengesetzes.

9Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, § 3, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 OWiG scheide aus. Zwar sei das Rechtsdienstleistungsgesetz Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Auch habe die S. AG objektiv gegen § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG verstoßen, weil es sich bei dem von ihr angebotenen Geschäftsmodell um eine Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 RDG und damit um eine nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierten Personen vorbehaltene Rechtsdienstleistung handle und die S. AG nicht über eine solche Erlaubnis verfügt habe. Allein der objektiv vorliegende Verstoß gegen § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG führe aber nicht zu einer bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeit nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG. Vielmehr sei eine solche nur dann zu bejahen, wenn der Täter in subjektiver Hinsicht vorsätzlich gehandelt habe, wobei es einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum und nicht einen Verbotsirrtum darstelle, wenn der Täter irrtümlich davon ausgehe, er benötige für seine Tätigkeit keine Erlaubnis zur Rechtsberatung. Indem der Beklagte zu 1 vorgetragen habe, er habe sich darauf verlassen, dass die BaFin das Anlagemodell unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft habe, und er habe keine Veranlassung gehabt, dies zu hinterfragen, habe er sich genau hierauf berufen. Der insoweit beweisbelasteten Klägerin sei es nicht gelungen, das Nichtvorliegen eines solchen Tatbestandsirrtums beim Beklagten zu 1 zu beweisen.

10Weiter habe die Klägerin auch keine Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB und § 826 BGB gegen den Beklagten zu 1. Insoweit habe die Klägerin schon keinen hinreichend substantiierten Vortrag in Bezug auf die Voraussetzungen eines Betruges bzw. die im Rahmen von § 826 BGB erforderliche verwerfliche Gesinnung gehalten.

11Hinsichtlich des Beklagten zu 3 gelte nichts Anderes. Wie der Beklagte zu 1 könne sich auch der Beklagte zu 3 hinsichtlich eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG in Verbindung mit § 27 StGB auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum und hinsichtlich eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, § 3, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG auf einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum berufen. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1, § 27 StGB und § 826 BGB scheiterten auch hier bereits am fehlenden hinreichend substantiierten Vortrag.

II.

12Die sich nach Rücknahme der Revision gegen den Beklagten zu 2 nur noch gegen die Beklagten zu 1 und 3 richtende Revision ist zulässig und begründet. Soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1 richtet, ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil dieser in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen auch insoweit nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. , BGHZ 37, 79, 82 ff., juris Rn. 11 ff.).

131. Mit den Erwägungen des Berufungsgerichts lassen sich die streitgegenständlichen Ansprüche gegen den Beklagten zu 1 nicht verneinen. Auf Rechtsfehlern beruht die Annahme des Berufungsgerichts, ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG scheitere am fehlenden Vorsatz des Beklagten zu 1.

14a) Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, objektiv sei gegen § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG - Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 19 mwN) - verstoßen worden.

15aa) Beim von der S. AG angebotenen Geschäftsmodell handelt es sich um eine Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG und damit um eine nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierten Personen vorbehaltene Rechtsdienstleistung (vgl. , WM 2019, 1780 Rn. 20; vom - VI ZR 263/17, NJW-RR 2018, 1250 Rn. 41 ff.). Eine solche Inkassodienstleistung kann im Einzug des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung auch dann liegen, wenn die zur Erlangung des Rückkaufswertes erforderliche Kündigung der Lebensversicherung - wie im Streitfall - nicht vom Versicherungsnehmer selbst erklärt wird, sondern erst nach Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag durch den Zessionar erfolgt (, WM 2019, 1780 Rn. 20; vom - VI ZR 263/17, NJW-RR 2018, 1250 Rn. 42, mwN). Nach dem von der S. AG formularmäßig verwendeten "Kauf- und Abtretungsvertrag" sollte dem Anleger das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung zugutekommen und allein er das Risiko des Forderungsausfalles tragen, weshalb die Einziehung des Rückkaufswertes durch die S. AG auch auf "fremde Rechnung" im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG erfolgte (vgl. , WM 2019, 1780 Rn. 20; vom - VI ZR 263/17, NJW-RR 2018, 1250 Rn. 43 f.). Als zentrale Bestandteile des von der S. AG angebotenen Anlagemodells wurden Kündigung der abgetretenen Lebensversicherungen und Einziehung der jeweiligen Rückkaufswerte auch als "eigenständiges Geschäft" betrieben (vgl. , WM 2019, 1780 Rn. 20; vom - VI ZR 263/17, NJW-RR 2018, 1250 Rn. 45).

16bb) Die S. AG war keine registrierte Person. Dass es sich beim Beklagten zu 2, den die S. AG mit der Kündigung der abgetretenen Lebensversicherungen und dem Einzug der Rückkaufwerte beauftragt hat, um einen zugelassenen Rechtsanwalt handelt, ist dabei unerheblich. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung steht der Annahme einer unzulässigen Rechtsdienstleistung auch unter der Geltung des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht entgegen, dass der Handelnde sich eines Rechtsanwaltes als Erfüllungsgehilfen bedient (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 21, mwN).

17b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann indes nicht davon ausgegangen werden, der Klägerin sei es nicht gelungen, den für eine Haftung aus § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG erforderlichen Vorsatz des Beklagten zu 1 nachzuweisen, weil sie den vom Beklagten zu 1 in der Sache geltend gemachten Tatbestandsirrtum nicht widerlegt habe.

18aa) Da das in Rede stehende Geschäft die S. AG als Vertragspartnerin der Klägerin berechtigte und verpflichtete, ist diese zivilrechtlich als Erbringerin der Inkassodienstleistung im Sinne von § 10 RDG anzusehen. Die - zunächst bußgeldrechtliche - Verantwortlichkeit eines vertretungsberechtigten Organs gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Eine (zivilrechtliche) Eigenhaftung des Beklagten zu 1 als alleiniges Verwaltungsratsmitglied der S. AG aus § 823 Abs. 2 BGB kommt - was das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat - mithin nur in Betracht, wenn er die für eine bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG erforderlichen Voraussetzungen erfüllt hat, er also - wie von § 10 OWiG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG gefordert - vorsätzlich gehandelt hat. Dabei ist der Vorsatz nach bußgeldrechtlichen Maßstäben zu beurteilen (Senatsurteil vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 23, mwN).

19bb) Nach bußgeldrechtlichen Maßstäben kann der Vorsatz des Beklagten zu 1 nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts verneint werden, er habe nicht gewusst, dass das von der S. AG angebotene Geschäftsmodell als Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierten Personen vorbehalten ist. Denn ein solcher Irrtum stellt - wie der erkennende Senat nach Verkündung des Berufungsurteils in vorliegender Sache mit Urteil vom (VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 22 ff.) entschieden hat - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keinen den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG, sondern einen allein die Vorwerfbarkeit betreffenden Verbotsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 2 OWiG dar.

20c) Liegt in dem vom Berufungsgericht nicht für ausgeschlossen erachteten Irrtum des Beklagten 1 aber kein Tatbestandsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG, sondern "nur" ein Verbotsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 2 OWiG, so vermögen die Feststellungen des Berufungsgerichts den Ausschluss eines Anspruchs der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nicht zu tragen. Denn zum einen liegt die Beweislast für das Vorliegen eines Verbotsirrtums im Sinne des § 11 Abs. 2 OWiG beim Anspruchsgegner (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 266/16, NJW 2017, 2463 Rn. 18, mwN; ferner Senatsurteil vom - VI ZR 424/16, NJW-RR 2017, 1004 Rn. 16), so dass die bloße Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe das Nichtvorliegen eines Irrtums des Beklagten zu 1 über das Erfordernis einer Registrierung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz nicht zu beweisen vermocht, bereits für die Annahme eines Verbotsirrtums nicht ausreicht. Zum anderen kommt auch bei nachgewiesenem Verbotsirrtum ein Ausschluss der Haftung nach § 11 Abs. 2 OWiG nur dann in Betracht, wenn der Irrtum unvermeidbar war. Hierzu hat das Berufungsgericht bislang ebenfalls keine Feststellungen getroffen.

212. Auch hinsichtlich des Beklagten zu 3 lassen sich die streitgegenständlichen Ansprüche auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht verneinen.

22a) Wie hinsichtlich des Beklagten zu 1 können auch Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 3 aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 14 OWiG nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden. Handelt es sich bei einem Irrtum über die "Erlaubnispflichtigkeit" des von der S. AG betriebenen Geschäftsmodells nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz nicht um einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG, sondern einen Verbotsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 2 OWiG, so kann auch ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 3 nicht unter Hinweis auf einen solchen Irrtum des Beklagten zu 3 verneint werden, ohne diesen und seine Unvermeidbarkeit positiv festzustellen.

23b) Soweit der Beklagte zu 3 in seiner Revisionserwiderung geltend macht, die Revision sei, soweit sie ihn betreffe, bereits deshalb unbegründet, weil die Klägerin den für eine Gehilfenhaftung erforderlichen doppelten Gehilfenvorsatz, insbesondere die Kenntnis des Beklagten zu 3 vom Fehlen der Registrierung der S. AG, nicht behauptet habe und die Klage schon deshalb unschlüssig sei, beruft er sich in der Sache darauf, die angefochtene Entscheidung erweise sich aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Davon kann auf der Grundlage des für das Revisionsverfahren gemäß § 559 Abs. 1 ZPO maßgeblichen Parteivorbringens nicht ausgegangen werden. Aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt sich, dass die Klägerin ihre Ansprüche gegen den Beklagten zu 3 (auch) auf den Vorwurf gestützt hat, der Beklagte zu 3 habe zum Verstoß des Beklagten zu 1 gegen § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG Beihilfe geleistet. Dass der diesbezügliche Tatsachenvortrag des Klägers in Bezug auf den doppelten Gehilfenvorsatz lückenhaft gewesen wäre, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts, das sich von seinem Rechtsstandpunkt aus damit auch nicht befassen musste, nicht entnehmen.

III.

24Nach § 563 Abs. 1 ZPO war das angefochtene Urteil deshalb hinsichtlich der Beklagten 1 und 3 insgesamt aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Eine auf den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG bzw. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 14 OWiG beschränkte Aufhebung kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil es sich insoweit nicht um einen einer selbständigen Entscheidung zugänglichen Teil des Rechtsstreits handelt (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 35). Das Berufungsgericht wird im Übrigen Gelegenheit haben, auch das weitere Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen.

Gegen dieses Teilversäumnisurteil steht dem Beklagten zu 1) als säumiger Partei der Einspruch zu, soweit die Revision der Klägerin ihm gegenüber Erfolg hat. Der Einspruch ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Teilversäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:101219UVIZR71.19.0

Fundstelle(n):
BB 2020 S. 1409 Nr. 26
DB 2020 S. 1398 Nr. 26
DStR 2020 S. 12 Nr. 25
NJW 2020 S. 10 Nr. 27
WM 2020 S. 1201 Nr. 26
PAAAH-50866