BSG Beschluss v. - B 5 SF 6/20 S

Kostenprivilegierung behinderter Menschen vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit

Gesetze: § 183 S 1 SGG, § 197a Abs 1 S 1 SGG, § 1 Abs 2 Nr 3 GKG 2004, § 1 Abs 5 GKG 2004, § 3 Abs 1 GKG 2004, § 21 Abs 1 S 1 GKG 2004, § 29 Nr 1 GKG 2004, § 34 Abs 1 GKG 2004, § 66 Abs 1 S 1 GKG 2004, § 66 Abs 6 S 1 GKG 2004, Nr 7502 GKVerz, § 154 VwGO, § 2 Abs 1 SGB 9 2018

Gründe

1I. Der 8. Senat des BSG verwarf mit Beschluss vom (B 8 SO 55/19 B) eine Beschwerde des Klägers und Erinnerungsführers gegen das Urteil des als unzulässig und verpflichtete den Kläger gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO zur Tragung der Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wurde auf 5000 Euro festgesetzt. In dem zugrundeliegenden Streitverfahren hatte sich der Kläger gegen ein Auskunftsverlangen des Sozialhilfeträgers zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen im Hinblick auf die zugunsten seiner schwerbehinderten Tochter erbrachten Leistungen nach dem SGB XII gewandt.

2Die Geschäftsstelle des BSG setzte in der Schlusskostenrechnung vom die vom Kläger für das Beschwerdeverfahren zu tragenden Gerichtskosten nach Nr 7502 des Kostenverzeichnisses (KV - Anlage 1 zu § 3 Abs 2 GKG) auf 292 Euro fest. Der Kläger macht mit seiner hiergegen gerichteten Erinnerung geltend, das Verfahren sei für ihn gemäß § 183 SGG gerichtskostenfrei, weil er schwerbehindert sei. Einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung habe er am gestellt und es sei davon auszugehen, dass diese rückwirkend erfolgen werde.

3Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Die Kostenprüfungsbeamtin ist dieser Entscheidung am beigetreten.

4II. 1. Zur Entscheidung über die Erinnerung ist der 5. Senat des BSG als Kostensenat gemäß § 66 Abs 1 Satz 1 GKG iVm RdNr 5 Ziffer 13 des Geschäftsverteilungsplans des BSG für das Jahr 2020 berufen. Er entscheidet durch den zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter (§ 66 Abs 6 Satz 1 iVm § 1 Abs 5 GKG).

52. Die Erinnerung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die zulasten des Erinnerungsführers auf 292 Euro festgesetzte Verfahrensgebühr für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.

6a) Rechtsgrundlage für die festgesetzte Verfahrensgebühr ist § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 1 Abs 2 Nr 3, § 3 GKG iVm Nr 7502 KV. Nach der letztgenannten Bestimmung wird für ein Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eine 2,0-fache Gebühr nach Maßgabe des Streitwerts erhoben (§ 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 1 GKG), soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Der Verwerfungsbeschluss des 8. Senats vom (B 8 SO 55/19 B) hatte eine solche Nichtzulassungsbeschwerde zum Gegenstand. Unter Zugrundelegung des in diesem Beschluss festgesetzten Streitwerts von 5000 Euro beträgt die einfache Gebühr 146 Euro. Damit beläuft sich die vom Kläger und Erinnerungsführer zu zahlende 2,0-fache Gebühr auf die von der Urkundsbeamtin zutreffend angesetzten 292 Euro.

7b) Im Verfahren der Erinnerung gegen den Kostenansatz ist die Kostengrundentscheidung in dem genannten Beschluss des 8. Senats, die den Erinnerungsführer auf der Grundlage des § 197a Abs 1 Satz 1 SGG zum Kostenschuldner bestimmte (§ 29 Nr 1 GKG), grundsätzlich verbindlich und nicht nachzuprüfen (vgl - juris RdNr 5 mwN).

8c) Eine ausnahmsweise Nichterhebung von Gerichtskosten aufgrund unrichtiger Sachbehandlung (§ 21 Abs 1 Satz 1 GKG) kommt hier nicht in Betracht. Insbesondere führt der vom Erinnerungsführer geltend gemachte Umstand, es werde mutmaßlich demnächst mit Rückwirkung festgestellt werden, dass er ein schwerbehinderter Mensch sei, nicht zu einer Freistellung von Gerichtskosten. Insoweit bedarf es keines Zuwartens, bis die Stadt G. über den Feststellungsantrag entschieden hat. Auch wenn künftig festgestellt werden sollte, dass der Erinnerungsführer schon während des Beschwerdeverfahrens vor dem BSG schwerbehindert war, führte das nicht zur Kostenfreiheit für diese Streitsache.

9Gemäß § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger kostenfrei, "soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind". Maßgeblich für das Wirksamwerden des Kostenprivilegs für behinderte Menschen im Sozialgerichtsverfahren ist somit nicht allein das Vorliegen einer Behinderung im Sinne von § 2 Abs 1 SGB IX, sondern vielmehr, ob in dem konkreten Rechtsstreit um Rechte gestritten wird, die gerade behinderten Menschen in dieser Eigenschaft zustehen ( - juris RdNr 9; Lange in jurisPK-SGG, § 183 RdNr 60, Stand ; Groth in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap XII RdNr 4c). Das war bei dem vom Erinnerungsführer betriebenen Beschwerdeverfahren nicht der Fall. In der zugrundeliegenden Streitsache wurde er vielmehr in seiner Eigenschaft als zum Unterhalt für seine behinderte Tochter verpflichteter Vater in Anspruch genommen (§ 117 Abs 1 iVm § 94 SGB XII und § 1601 BGB). Damit hat der 8. Senat im Beschluss vom völlig zu Recht entschieden, dass der Kläger nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört und deshalb für dieses Verfahren Gerichtskosten nach den Vorschriften des GKG zu erheben sind (§ 197a Abs 1 Satz 1 SGG).

103. Die Kostenentscheidung für das Verfahren der Erinnerung beruht auf § 66 Abs 8 GKG.

114. Gegen diese Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel statthaft (§ 66 Abs 3 Satz 2 und 3 GKG).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2020:240420BB5SF620S0

Fundstelle(n):
MAAAH-49701