Krankenversicherung - Nachrangigkeit eines nachgehenden Leistungsanspruchs gegenüber Ansprüchen aus einem aktuellen Versicherungsverhältnis - Familienversicherung
Gesetze: § 19 Abs 2 S 1 SGB 5, § 19 Abs 2 S 2 SGB 5, § 10 SGB 5
Instanzenzug: SG Chemnitz Az: S 18 KR 38/17 Gerichtsbescheidvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 1 KR 490/17 Urteil
Gründe
1I. Das die Berufung der Klägerin gegen den zurückgewiesen, weil die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes (im Folgenden: Versicherter) keinen Anspruch auf die begehrte Zahlung von Krankengeld (Krg) ab habe. Der Versicherte habe seinerseits diesen Anspruch gegen die beklagte Krankenkasse nach Maßgabe von § 44 Abs 1 und § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V in der bis geltenden Fassung (im Folgenden: aF) iVm § 192 Abs 1 SGB V nicht gehabt, weil er am , dem Tag der Erstfeststellung von Arbeitsunfähigkeit (AU) nach seiner Entlassung aus einer Rehabilitationsmaßnahme am als arbeitsfähig, nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen sei. Seine wegen des Bezugs von zunächst Krg und sodann von Übergangsgeld bis erhalten gebliebene Pflichtmitgliedschaft habe am nicht mehr fortbestanden. Für den Versicherten habe dagegen ab dem nach § 10 Abs 1 SGB V eine Familienversicherung bestanden, die nach § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V keinen Anspruch auf Krg vermittelt habe.
2Ein nachgelagerter Anspruch auf Zahlung von Krg nach Beendigung der Mitgliedschaft folge auch nicht aus § 19 Abs 2 SGB V, da der Versicherte ab dem familienversichert gewesen sei. Ende die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, bestehe Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde (§ 19 Abs 2 Satz 1 SGB V). Eine Versicherung nach § 10 SGB V habe Vorrang vor dem Leistungsanspruch nach § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V (§ 19 Abs 2 Satz 2 SGB V).
3Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG im vorgenannten Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt und beruft sich auf das Vorliegen einer Abweichung (Divergenz) vom BSG, hilfsweise auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
4II. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 SGG).
5Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder wenn die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache "richtig" entschieden hat, erfolgt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Beide hier geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
61. Für die Bezeichnung einer Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist aufzuzeigen, mit welchem genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz die angefochtene Entscheidung des LSG von welchem ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz des BSG im Grundsätzlichen abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG im Grundsätzlichen widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl zB - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 196 mwN).
7Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil Rechtssätze des LSG, mit denen es eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat, nicht bezeichnet werden. Mit der oben unter I wiedergegebenen Passage zum Vorrang der Familienversicherung gegenüber einem nachgelagerten Anspruch, auf die die Klägerin für ihre Divergenzrüge Bezug nimmt, stellt das LSG lediglich den Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 19 SGB V nach dessen Wortlaut dar, ohne einen hierüber hinausgehenden eigenständigen abstrakten Rechtssatz zu entwickeln, mit dem es dem BSG widersprochen haben könnte. Soweit die Klägerin hierin gleichwohl eine Abweichung zum BSG sieht (Hinweis auf - BSGE 89, 254 = SozR 3-2500 § 19 Nr 5), zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, dass und warum insoweit eine Divergenz vorliegen und das Urteil des LSG auf dieser beruhen könnte, obwohl der für das LSG maßgebliche § 19 Abs 2 Satz 2 SGB V zum Zeitpunkt der bezeichneten Entscheidung des BSG noch nicht galt, sondern erst mit Wirkung vom in Kraft getreten (Art 1 Nr 7 des GKV-Modernisierungsgesetzes vom , BGBl I 2190) und zudem eine Reaktion auf die Entscheidung des BSG gewesen ist (Gesetzentwurf eines GKV-Modernisierungsgesetzes, BT-Drucks 15/1525 S 82 zu Art 1 Nr 7).
82. Die Darlegung einer - vorliegend hilfsweise geltend gemachten - grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet worden sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl - SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl - SozR 3-1500 § 160 Nr 8).
9Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie die Frage: "Ist die Bewilligung von Krankengeld gem. § 19 Abs. 2 SGB V während des Bestehens einer Familienversicherung gem. § 10 Abs. 1 SGB V möglich?".
10Die Klägerin legt nicht dar, warum sich die Antwort auf diese Frage nicht bereits aus § 19 Abs 2 Satz 2 SGB V ergibt, nach dem eine Versicherung nach § 10 SGB V Vorrang vor dem nachgehenden Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V hat. Die Beschwerdebegründung setzt sich auch nicht damit auseinander, dass in der Rechtsprechung des BSG in Krg-Fällen § 19 Abs 2 SGB V in der Weise Anwendung gefunden hat, dass der aus der früheren Mitgliedschaft abgeleitete Versicherungsschutz nach § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V gegenüber Ansprüchen aus einem aktuellen Versicherungsverhältnis grundsätzlich nachrangig ist und dass nach § 19 Abs 2 Satz 2 SGB V Vorrang vor einem nachgehenden Leistungsanspruch auch eine Familienversicherung nach § 10 SGB V hat (vgl - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 31). Warum die aufgeworfene Frage dennoch grundsätzlich klärungsbedürftig sein könnte, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen.
113. Erkennen lässt die Beschwerdebegründung indes, dass die Klägerin davon ausgeht, dass ein nachgehender Krg-Anspruch des Versicherten noch vor Beendigung seiner fortbestandenen Pflichtmitgliedschaft entstanden sei. Dem entgegen hat das LSG festgestellt, dass die Pflichtmitgliedschaft des Versicherten mit dem Auslaufen des Bezugs von Übergangsgeld am geendet habe und erst am eine neue AU ärztlich festgestellt worden sei. Den Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) bezogen auf diese Feststellungen hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Ausgehend von diesen Feststellungen enthält die Beschwerdebegründung weder die schlüssige Bezeichnung einer Abweichung noch die schlüssige Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung. Dies würde zudem eine Auseinandersetzung mit der stRspr des BSG erfordert haben, nach der es sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für das Krg vorliegt, bestimmt, ob und in welchem Umfang Versicherte Krg beanspruchen können (vgl nur - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 8; - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 15).
124. Für die von der Klägerin vorsorglich beantragte Beiladung des GKV-Spitzenverbands bestand im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde kein Anlass (vgl auch für das Revisionsverfahren § 168 SGG).
135. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
146. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
157. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2020:290420BB3KR4419B0
Fundstelle(n):
HAAAH-49639