Einkommensteuer | Kindergeld für ein vor Beginn der Ausbildung erkranktes Kind (FG)
Ein ausbildungswilliges Kind, dass infolge einer Erkrankung daran gehindert ist, sich ernstlich um eine Berufsausbildung zu bemühen, ist ebenso zu behandeln wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet. Das ausbildungswillige Kind hat deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG einen Anspruch auf Kindergeld (; Revision eingelegt, BFH-Az. III R 13/20).
Hintergrund: Für die Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ist es nach der Rechtsprechung erforderlich, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen ist, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Neben diesem objektiven Tatbestandsmerkmal erfordert die Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG für die Gewährung von Kindergeld darüber hinaus als subjektives Tatbestandsmerkmal, dass das Kind ausbildungswillig ist.
Sachverhalt: Die Klägerin ist die Mutter von A. A befand sich vom bis in einer Ausbildung. Sie unterbrach die Ausbildung krankheitsbedingt. Im Zeitraum Juni 2017 bis einschließlich Juli 2018 war sie erkrankt. Ab dem absolvierte A für ein Jahr den Bundesfreiwilligendienst.
Für Juli 2017 bis einschließlich Juli 2018 wurde die Festsetzung des Kindergeldes aufgehoben und der Betrag zurückgefordert. Hiergegen legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein.
Das FG Hamburg entschied zugunsten der Klägerin:
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Klägerin Kindergeld für ihre Tochter A gem. §§ 62, 63 i.V.m. § 32 Abs. 4 EStG für den Streitzeitraum zu.
Nach krankheitsbedingtem Abbruch ihrer Ausbildung ist A nicht gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG im Streitzeitraum zu berücksichtigen, da A nach Abbruch ihrer Ausbildung nicht mehr i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wurde.
A ist aber nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen. Danach wird ein Kind berücksichtigt, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen kann. So liegt der Fall hier vor.
Im Streitfall hat A ihre Ausbildung krankheitsbedingt abgebrochen und sich anschließend durch Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz bemüht. Es kann offenbleiben, ob unter Berücksichtigung der Erkrankung diese Bewerbungs-Bemühungen von A als ernstlich einzuordnen sind.
Eine Berücksichtigung ist jedenfalls auch dann möglich, wenn das Kind - wie im Streitfall - infolge einer Erkrankung daran gehindert ist, sich ernstlich um eine Berufsausbildung zu bemühen. A war ausweislich der ärztlichen Bescheinigung im Streitzeitraum nicht in der Lage, sich um eine Ausbildung zu bemühen bzw. eine Ausbildung zu beginnen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war A im Streitzeitraum ausbildungswillig.
Die Ausbildungswilligkeit ergibt sich hier nicht nur aus dem Bekunden von A, sie sei während der Erkrankung grundsätzlich gewillt gewesen, eine Ausbildung nach ihrer Genesung zu beginnen. Vielmehr gibt es objektive Tatsachen, die den Schluss auf diesen inneren Willen hier bestätigen. Hier hatte A nicht nur bereits vor der Erkrankung eine Ausbildung begonnen und lediglich krankheitsbedingt abgebrochen, sie hatte darüber hinaus auch während der Erkrankung die Initiative ergriffen und sich noch im Frühjahr 2018 um einen Ausbildungsplatz für den Sommer 2018 beworben.
Hinweis: Die Revision wurde angesichts der bereits anhängigen Revisionsverfahren III R 42/19 und III R 49/18 zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zugelassen. Die Revision ist beim BFH unter dem anhängig.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
NWB JAAAH-49258