Einkommensteuer | Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer bei Nichtabführung der ggü. dem Entrichtungsschuldner ausgewiesenen und abgezogenen Kapitalertragsteuer in einem betrügerischen Schneeballsystem (FG)
Die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer tritt auch dann ein, wenn die Kapitalertragsteuer nicht angemeldet und an das FA abgeführt wird, sondern lediglich dem Anleger gegenüber in einer Abrechnung ausgewiesen und abgezogen wird (; Revision anhängig - VIII R 3/20).
Hintergrund: Gem. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG ist die Einkommensteuer für Kapitalerträge gem. § 20 EStG mit dem Steuerabzug abgegolten, soweit sie der Kapitalertragsteuer unterlegen haben. Die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs tritt nicht ein, wenn der Gläubiger nach § 44 Absatz 1 Satz 10 und 11 und Absatz 5 EStG in Anspruch genommen werden kann.
Sachverhalt: Der Kläger überwies an Vermögensverwalter B Geld für Aktienkäufe im Rahmen von dessen Vermögensverwaltung "Z", die in Wirklichkeit jedoch nicht oder nicht vollständig getätigt wurden. B bescheinigte dem Kläger erhebliche Gewinne aus dem Verkauf der angeblich erworbenen Aktien. Auf diesen Abrechnungen wies er den rechnerisch zutreffenden Einbehalt von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag aus. Diese Beträge führte er jedoch nicht an das Finanzamt ab. Die verbliebenen Gewinne zahlte B an den Kläger aus. Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 und 3 EStG erstellte B nicht. Die von B nach dessen Angaben getätigten Veräußerungsgeschäfte blieben im Rahmen der ursprünglichen Einkommensteuerveranlagungen unberücksichtigt.
Das FA berücksichtigte die Veräußerungsgewinne, die nach Kürzung um die durch B einbehaltene Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag verblieben. Durch den schlichten Ausweis von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auf einem fingierten Depotauszug ist keine Abgeltungswirkung eingetreten, da die Kapitalerträge nicht tatsächlich dem Kapitalertragsteuerabzug unterlegen haben. Die Einkünfte sind daher gem. § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen ist, dass die Abgeltungswirkung von einer Abführung der Steuer an das FA abhängt. Durch die Ausnahmeregelung in § 44 Abs. 5 EStG ist das Risiko des Ausfalls der abzuführenden, einbehaltenen Steuer zwischen dem Fiskus und dem Kapitalanleger aufgeteilt worden. Auf die bezüglich der Abgeltungswirkung vergleichbare Regelung verweist der Kläger auf § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG.
Das FG entschied zugunsten des Klägers:
Für die Auffassung des Finanzamts, Kapitalerträge hätten der Kapitalertragsteuer nur unterlegen, wenn die Steuer angemeldet und abgeführt worden sei, gibt es weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung Anhaltspunkte.
Der Kläger hat nicht gewusst, dass B die einbehaltende Kapitalertragsteuer entgegen seiner Verpflichtung nach § 45a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht angemeldet und entgegen seiner Verpflichtung nach § 44 Abs. 1 Satz 5 EStG auch nicht an das FA abgeführt hat. Er kann deshalb nicht nach § 44 Abs. 5 EStG in Anspruch genommen werden.
Würde man mit dem FA - entgegen dem Gesetzeswortlaut - für die Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG auf die Abführung der Kapitalertragsteuer abstellen, so würde der Ausschluss nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG leerlaufen, der den Ausschluss unter die Voraussetzung der Kenntnis des Schuldners von der nicht vorschriftsmäßigen Abführung stellt.
Damit hat der Steuerabzug abgeltende Wirkung. Die Einkünfte werden nicht Teil des Veranlagungsverfahrens. Dies ist kein Fall der Steueranrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 BS. a EStG. Eine Bescheinigung nach § 45a Abs. 2 oder 3 EStG ist nicht erforderlich.
Revision ist zugelassen, das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen VIII R 3/20 anhängig.
Quelle: , NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
PAAAH-49256