Online-Nachricht - Freitag, 22.05.2020

Verfahrensrecht | Anspruch auf Verzinsung nach Unionsrecht (BFH)

Ein Zinsbescheid über Prozesszinsen enthält nicht zugleich eine stillschweigende Ablehnung weiterer Zinsen, insbesondere auf unionsrechtlicher Grundlage. Sieht eine Richtlinie eine obligatorische Steuerbefreiung vor, die der Mitgliedstaat nicht rechtzeitig in nationales Recht umgesetzt hat, und kann sich der Steuerpflichtige deshalb unmittelbar auf die entsprechende Richtlinienbestimmung berufen, stehen ihm nach den unionsrechtlichen Grundsätzen Zinsen auf den Entlastungsbetrag zu, wenn der Mitgliedstaat anfänglich dessen Auszahlung verweigert. Der Behörde steht eine angemessene Frist für die Bearbeitung des vollständigen Entlastungsantrags zu, die bei der Zinsberechnung zu berücksichtigten ist. In Fällen der Energiesteuerentlastung beginnt der Zinslauf 4 Monate und 10 Arbeitstage nach Eingang des vollständigen Entlastungsantrags (, veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin betreibt Motorenprüfstände, in denen die durch die Verbrennung von versteuertem Benzin erzeugte mechanische Energie unter Einsatz angeschlossener Generatoren in Strom umgewandelt wird. Sie beantragte am beim Hauptzollamt (HZA) ihr für den Zeitraum vom bis zum Energiesteuer für die Verwendung des nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) versteuerten Benzins für die Erzeugung von Strom nach § 49 EnergieStG zu vergüten. Zugleich beantragte sie für denselben Zeitraum, ihr weitere Energiesteuer für die Verwendung des nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 i.V.m. § 49 Abs. 2a EnergieStG versteuerten Benzins für die Erzeugung von Strom nach § 53 EnergieStG zu vergüten. Diese Anträge lehnte das HZA ab.

Auf die alsdann erhobene Klage verpflichtete das FG das HZA der Klägerin Energiesteuer für den Zeitraum vom bis zum zu vergüten. Dieser Anspruch ergebe sich unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der EnergieStRL. In der Folge setzte das HZA mit Bescheid vom eine Entlastung von Energiesteuer fest. Zugleich erließ es einen Zinsbescheid über Prozesszinsen nach Maßgabe von § 236 AO und setzte zugunsten der Klägerin Prozesszinsen für den Zeitraum vom (Rechtshängigkeit der Klage) bis zum (Auszahlungstag) fest. Die Klägerin beantragte, die Zinsen auf den festgesetzten Steuerentlastungsbetrag bereits für den Zeitraum ab dem festzusetzen. Dies lehnte das HZA ab, da der Zinsbescheid bestandskräftig geworden und der Antrag auf Änderung nicht vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt worden sei.

Dagegen erhob die Klägerin Klage, die das FG () jedoch als unbegründet abwies. Hiergegen richtet sich die Revision. Der BFH führt dazu u. a. aus:

  • Die Revision ist mit der Maßgabe begründet, dass der Klägerin auf unionsrechtlicher Grundlage weitere Zinsen für den Zeitraum vom bis zum zustehen. Die Vorentscheidung verletzt insoweit Bundesrecht und ist daher aufzuheben. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg; es bleibt insoweit bei der Klageabweisung.

  • Der Zinsbescheid vom steht der Festsetzung weiterer Zinsen nicht entgegen. Zwar ist dieser Bescheid formell bestandskräftig, weil die Klägerin keinen Einspruch eingelegt hat, jedoch umfasste dieser Bescheid nicht die von der Klägerin begehrten weiteren Zinsen, so dass dessen Bestandskraft dem erweiterten Zinsanspruch nicht entgegenstehen kann. Der Ansicht des FG, das HZA habe in dem Zinsbescheid stillschweigend die Gewährung weiterer Zinsen —auch auf anderer Rechtsgrundlage als § 236 AO— abgelehnt, folgt der Senat nicht.

  • Der Klägerin steht ein weitergehender Zinsanspruch zu, der sich direkt aus dem Unionsrecht ergibt.

  • Die Rechtsprechung des EuGH zur Verzinsung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Klägerin stehen unionsrechtliche Zinsen allerdings erst ab dem und – begrenzt durch die bereits festgesetzten Prozesszinsen – nur bis zum zu.

Quelle: ; NWB Datenbank (CR)

Fundstelle(n):
FAAAH-49135