Online-Nachricht - Mittwoch, 20.05.2020

Berufsrecht | Vorabentscheidungsersuchen zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit der HOAI-Mindestsätze (BGH)

Der BGH hat ein Verfahren über die Vergütung eines Ingenieurs ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen zu den Folgen der vom EuGH in seinem Urteil v. - C-377/17 angenommenen Unionsrechtswidrigkeit der Mindestsätze in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) für laufende Gerichtsverfahrens zwischen Privatpersonen vorgelegt (Beschluss v. - VII ZR 174/19).

Hintergrund: Deutschland hat gegen die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123 verstoßen, indem es verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat. Die in der HOAI festgelegten Mindest- und Höchstsätze für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren erfüllten die Bedingung der Verhältnismäßigkeit nicht (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 4.7.2019).

Sachverhalt: Der Kläger, der ein Ingenieurbüro betreibt, verlangt von der Beklagten die Zahlung restlicher Vergütung aufgrund eines abgeschlossenen Ingenieurvertrages, in dem die Parteien für die vom Kläger zu erbringenden Ingenieurleistungen bei einem Bauvorhaben der Beklagten ein Pauschalhonorar vereinbart hatten. Nachdem der Kläger den Ingenieurvertrag gekündigt hatte, rechnete er seine erbrachten Leistungen in einer Honorarschlussrechnung auf Grundlage der Mindestsätze der HOAI in der Fassung aus dem Jahr 2013 ab. Mit der Klage macht er eine noch offene Restforderung geltend.

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen nach folgende Fragen vorgelegt:

  • Folgt aus dem Unionsrecht, dass die Dienstleistungsrichtlinie im Rahmen eines laufenden Gerichtsverfahrens zwischen Privatpersonen in der Weise unmittelbare Wirkung entfaltet, dass die dieser Richtlinie entgegenstehenden nationalen Regelungen in § 7 HOAI verbindlich sind und eine die Mindestsätze unterschreitende Honorarvereinbarung in Verträgen mit Architekten oder Ingenieuren unwirksam ist, nicht mehr anzuwenden sind?

  • Sofern die Frage verneint wird: Liegt in der Regelung verbindlicher Mindestsätze für Planungs- und Überwachungsleistungen von Architekten und Ingenieuren in § 7 HOAI durch die BRD ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit oder gegen sonstige allgemeine Grundsätze des Unionsrechts?

  • Sofern die Frage des Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit oder gegen Grundsätze des Unionsrechts bejaht wird: Folgt aus einem solchen Verstoß, dass in einem laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen die nationalen Regelungen über verbindliche Mindestsätze (hier: § 7 HOAI) nicht mehr anzuwenden sind?

Hinweis

Die Entscheidung über die Revision hängt maßgeblich von der Beantwortung der dem EuGH vorgelegten ersten Frage zur unmittelbaren Wirkung Dienstleistungsrichtlinie im Rahmen eines laufenden Gerichtsverfahrens zwischen Privatpersonen ab.

Der BGH neigt dazu, keine unmittelbare Wirkung der Dienstleistungsrichtlinie in der Weise anzunehmen, dass die dieser Richtlinie entgegenstehenden nationalen Regelungen in § 7 HOAI in laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen nicht mehr angewendet werden können. Art. 15 der Dienstleistungsrichtlinie ist auch auf rein innerstaatliche Sachverhalte - wie im Streitfall - anwendbar.

Soweit der EuGH in seiner bisherigen Rechtsprechung in bestimmten Ausnahmefällen - bei Unmöglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung - eine Nichtanwendung unionsrechtswidriger nationaler Vorschriften zwischen Privatpersonen bejaht hat, wird der Streitfall nach Auffassung des BGH hiervon nicht erfasst. Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit kann nach Einschätzung des BGH nicht ausgeschlossen werden. Der EuGH hat diese Frage in seinem Urteil v. - C-377/17 ausdrücklich offen gelassen.

Quelle : BGH Pressemitteilung v. 14.5.2020 (JT)

Fundstelle(n):
BAAAH-48964