Nichtzulassungsbeschwerde: Beschwer bei wettbewerbswidriger Autowerbung in sozialem Netzwerk
Gesetze: § 5 Pkw-EnVKV, § 3 ZPO
Instanzenzug: Az: 29 U 3963/18vorgehend LG München I Az: 1 HKO 6182/18
Gründe
1I. Die Beklagte, ein Automobilhersteller, warb am in ihrem Facebook-Auftritt mit einem Landschaftsbild ohne Fahrzeug und der Überschrift "Welchen Hochleistungssportler suchen wir?" sowie den Angaben "451 KW DIE LUFT VIBRIERT", "750 NM DER ASPHALT BEBT" und "3,4 SEK (0-100 KM/H) DER PULS STEIGT". Am löste die Beklagte dieses Rätsel auf und veröffentlichte auf ihrem Facebook-Auftritt die Angabe "Auflösung: Die BMW M 5 Limousine" sowie einen mit einem Link unterlegten "Hinweis nach § 5 Pkw-EnVKV: ... mehr anzeigen", nach dessen Anklicken die Angaben zum Kraftstoffverbrauch und den CO2-Emissionen erschienen.
2Die Klägerin, ein Umwelt- und Verbraucherschutzverband, der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen ist, hält die Angaben zum Kraftstoffverbrauch und den CO2-Emissionen für unzureichend und hat die Beklagte vorgerichtlich abgemahnt.
3Auf Antrag der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verurteilt,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für neue Personenkraftwagen BMW M 5 Limousine, 441 kW im Internet zu werben, ohne die gemäß § 5 Abs. 1 und 2 Pkw-ENVKV in Verbindung mit Anlage 4 Abschnitt II Ziffer 2 und 3 erforderlichen Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen des beworbenen Fahrzeugs automatisch in dem Augenblick zu machen, in dem erstmalig Motorisierungsangaben angezeigt werden, wenn dies geschieht wie am auf der Facebook-Seite https://www.facebook.com/BMWDeutschland und wiedergegeben in der Anlage K 2.
4Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
5II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der von der Beklagten mit einer Revision geltend zu machenden Beschwer zwanzigtausend Euro nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
61. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung des Urteils. Wendet sich - wie hier - die beklagte Partei mit der Revision gegen die in den Vorinstanzen zu ihren Lasten titulierte Unterlassungspflicht, so richtet sich der Wert der Beschwer nach ihrem gemäß § 3 ZPO grundsätzlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessenden Interesse an der Beseitigung dieser Verpflichtung. Der so zu bemessende Wert der Beschwer entspricht zwar nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem nach dem Interesse der klagenden Partei an dieser Verurteilung zu bemessenden Streitwert. Denn das Interesse des Klägers an einer Unterlassung ist pauschalierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers, wie etwa dem Verschuldensgrad, zu bewerten. Auf eine höhere Beschwer im Fall der Verurteilung hat die beklagte Partei deshalb schon in den Vorinstanzen hinzuweisen. Einer beklagten Partei, die weder die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen beanstandet noch sonst glaubhaft gemacht hat, dass für die Festlegung des Streitwerts maßgebliche Umstände, die bereits dort vorgebracht worden sind, nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, ist es regelmäßig versagt, sich erstmals im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde noch auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erreichenden Wert zu berufen (st. Rspr.; siehe nur , juris Rn. 5, mwN).
72. Nach diesen Grundsätzen beträgt der Beschwerdewert für den in Rede stehenden Unterlassungsantrag 15.000 €.
8a) Die Beschwerde macht geltend, die Parteien seien in der ersten Instanz übereinstimmend davon ausgegangen, dass auf die geltend gemachten Verstöße jeweils ein Einzelstreitwert von 30.000 € entfalle. Die Beklagte sei durch das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot nach dem Antrag zu 2 in Höhe von mindestens 30.000 € beschwert. Social Media wie Facebook und Instagram gehörten zu den derzeit wichtigsten Kanälen zur Kundenansprache und seien für die Beklagte von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung. Allein auf Facebook habe die Beklagte über 1,3 Millionen Abonnenten. Das erlassene Verbot schränke die Möglichkeiten solcher Werbung stark ein, weil der Werbetreibende eine von geheimen Algorithmen der Social-Media-Plattformen vorgenommene Kürzung seines Beitrags auf einzelnen Anzeigegeräten der Verbraucher nicht vorhersehen und im Grunde nur verhindern könne, wenn er von entsprechenden Beiträgen gänzlich absehe. Eine derart weitgehende Einschränkung der Werbemöglichkeiten belaste die Beklagte mit nicht weniger als 30.000 €. Das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen die ihm obliegende Hinweispflicht erst nach der Streitwertfestsetzung auf seine Sichtweise zur Aufteilung des einheitlichen Unterlassungsantrags in zwei gesondert zu bewertende Streitgegenstände hingewiesen.
9b) Damit hat die Beschwerde keinen Erfolg.
10aa) Das Landgericht hat den Streitwert erster Instanz, in der noch ein weiterer, vom Landgericht zugesprochener Unterlassungsantrag Gegenstand war, auf insgesamt 60.000 € festgesetzt. Das Berufungsgericht hat den Streitwert für die Berufungsinstanz, deren Gegenstand der vom Landgericht abgewiesene Unterlassungsantrag war, auf 30.000 € festgesetzt. In der mündlichen Berufungsverhandlung hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es in dem Unterlassungsbegehren zwei gesondert angegriffene Beanstandungen und Lebenssachverhalte sehe: zum einen den Facebook-Eintrag vom mit der Rätselfrage, zum anderen den Facebook-Beitrag mit der Auflösung des Rätsels. Danach entfällt auf die beiden mit dem in die Berufungsinstanz gelangten Unterlassungsantrag geltend gemachten, etwa gleichwertigen Streitgegenstände jeweils ein Streitwert von 15.000 €. Diesem Wert entspricht die von der Beklagten geltend zu machende Beschwer in der Revisionsinstanz.
11bb) Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, auf eine höhere Beschwer schon in der Berufungsinstanz hingewiesen zu haben. Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, das Berufungsgericht habe die aus § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO folgende Hinweispflicht verletzt, indem es erst nach der Streitwertfestsetzung auf seine Sichtweise zur Aufteilung des einheitlichen Unterlassungsantrags in zwei gesondert zu bewertende Streitgegenstände hingewiesen habe.
12Wie dem Protokoll der mündlichen Berufungsverhandlung zu entnehmen ist, hat das Berufungsgericht zunächst den Streitwert der Berufungsinstanz auf 30.000 € festgesetzt und sodann darauf hingewiesen, dass es vom Vorliegen zweier Streitgegenstände ausgehe. Daraufhin hat die Klägerin die Berufung gegen die Abweisung dieses Unterlassungsantrags, soweit auf den ersten dieser beiden Streitgegenstände gestützt, zurückgenommen. Aus dieser Sachlage ging hinreichend deutlich hervor, dass auf den verbliebenen Streitgegenstand nur ein Bruchteil des festgesetzten Streitwerts entfallen konnte, so dass die Beklagte hinreichend Anlass und auch Gelegenheit hatte, noch in der mündlichen Verhandlung eine den Betrag von 20.000 € übersteigende Beschwer geltend zu machen.
13III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:191219BIZR94.19.0
Fundstelle(n):
UAAAH-48573