BGH Beschluss v. - V ZR 201/19

Räumungsvollstreckung: Einstweilige Einstellung der Vollstreckung bei Nichtstellung eines Vollstreckungsschutzantrags in der Berufungsinstanz

Gesetze: § 712 Abs 1 ZPO, § 719 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Az: I-9 U 70/18vorgehend Az: I-9 U 70/18vorgehend Az: 5 O 62/17

Gründe

I.

1Die Beklagten sind durch verurteilt worden, ein Haus (Beklagter zu 1 und 3) bzw. das Erdgeschoss und das Souterrain des Hauses (Beklagte zu 2) zu räumen und herauszugeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und den Beklagten eingeräumt, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Auf Antrag der Beklagten hat das Berufungsgericht durch Ergänzungsurteil vom die Vollstreckbarkeitsentscheidung teilweise dahingehend geändert, dass die Beklagten die Vollstreckung hinsichtlich der Verurteilung zur Räumung und Herausgabe durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000 €, im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden können, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 1.000.000 € hinsichtlich der Räumungs- und Herausgabevollstreckung und im Übrigen in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Beklagten, die gegen das Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt haben, beantragen, die Zwangsvollstreckung aus den Urteilen des Landgerichts und des Berufungsgerichts einstweilen - hilfsweise gegen Sicherheitsleistung - einzustellen.

II.

2Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unbegründet.

31. Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Revision eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 ZPO). Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gilt dies entsprechend (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO).

42. Die Beklagten haben die Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO nicht dargetan.

5a) Nicht unersetzlich sind Nachteile, die der Schuldner selbst vermeiden kann. Deswegen kann er sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nur dann darauf berufen, die Zwangsvollstreckung bringe ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn er in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Hat der Schuldner dies versäumt, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn es dem Schuldner im Berufungsverfahren aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war, einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen (st. Rspr.; vgl. nur , NJW-RR 2019, 589 Rn. 5 mwN).

6b) Die Beklagten haben in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 Abs. 1 ZPO nicht gestellt. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ihnen die Stellung eines solchen Antrags aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war.

7c) Richtig ist der Hinweis der Beklagten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine weitere Ausnahme von dem Erfordernis, einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO zu stellen, gegeben ist, wenn es das Berufungsgericht fehlerhaft unterlassen hat, eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO anzuordnen (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom - V ZR 271/06, juris; , juris Rn. 4). Diese Ausnahme greift hier aber nicht ein, weil das Berufungsgericht durch das Ergänzungsurteil vom den Beklagten eine Abwendungsbefugnis gewährt hat.

8d) Dass die von dem Berufungsgericht festgesetzte Sicherheitsleistung von 1.000.000 € willkürlich überhöht ist, wie die Beklagten weiter geltend machen, kann im Hinblick auf den von dem Berufungsgericht angenommenen Mindestwert der Immobilie von 2 Mio. € nicht angenommen werden (vgl. allgemein zu der Bedeutung des Werts der Sache bei der Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung bei Herausgabeklagen Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 16. Aufl., § 709 Rn. 5; BeckOK ZPO/Ulrici [], § 709 Rn. 5.2). Unabhängig davon haben die Beklagten nicht hinreichend glaubhaft gemacht (§ 719 Abs. 2 Satz 2 ZPO), zu einer Sicherheitsleistung in entsprechender Höhe nicht in der Lage zu sein. Die - ohne nähere Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse - vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Beklagten genügen hierfür nicht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:110220BVZR201.19.0

Fundstelle(n):
FAAAH-47298