NWB Nr. 17 vom Seite 1281

Kanzleiorganisation in der Corona- Krise: nichts Neues und doch anders

Klare Vorgaben für das Arbeiten im Homeoffice und die Regelung des Vertretungsfalls besonders wichtig

Tim Günther *

Die gesundheitlichen Gefahren, die durch die Corona-Pandemie für die gesamte Bevölkerung hervorgerufen werden, aber auch der Shutdown des öffentlichen Lebens bedeuten für den Steuerberater, dass dieser sich nicht nur um das Wohl seiner Mitarbeiter zu kümmern und ggf. das Arbeiten im Homeoffice oder Kurzarbeit anzuordnen hat. Er muss zudem sicherstellen, dass er seine berufsrechtlichen Pflichten erfüllt und seine Rechte wahrnimmt. Dazu gehört, dass er erreichbar ist, sowie Zustellungen und die (auch elektronische) Post entgegennimmt.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Kanzleipflicht

[i]StB muss erreichbar seinSteuerberater und selbständige Steuerbevollmächtigte müssen unmittelbar nach ihrer Bestellung eine berufliche Niederlassung begründen und eine solche unterhalten (§ 34 Abs. 1 Steuerberatungsgesetz [StBerG]). Die berufliche Niederlassung ist dabei die eigene Praxis, von der aus der Beruf überwiegend ausgeübt wird. Sie ist der Mittelpunkt der Berufstätigkeit des Steuerberaters; dort steht er grds. zur Erbringung seiner Dienstleistung zur Verfügung. S. 1282

Hinweis:

Es besteht eine berufsrechtliche Verpflichtung, erreichbar zu sein, wobei die postalische Erreichbarkeit und die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme ausreichen (Maxl in Kuhls u. a., StBerG, 2012, § 34 Rz. 4).

Der Steuerberater muss seine Kanzlei daher auch in Krisenzeiten so organisieren und entsprechende Maßnahmen treffen, dass Mandanten ihn auf den üblichen Wegen erreichen. Bestätigt wird dies durch § 10 Abs. 2 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BOStB), wonach der Steuerberater an seiner beruflichen Niederlassung für Mandanten, Gerichte und Behörden angemessen erreichbar sein muss.

[i]Anwesenheit in der KanzleiAuch muss er – selbst in Krisenzeiten – bereits aus Gründen der Haftungsprävention regelmäßig in seiner Kanzlei sein und die Abläufe überprüfen. Dies korrespondiert mit § 3 Abs. 3 BOStB, wonach Steuerberater die wesentliche Korrespondenz persönlich unterschreiben müssen.

Die (zumindest gelegentliche) Anwesenheit und Erreichbarkeit in den Kanzleiräume ist ferner Ausdruck [i]Zur verspäteten Abgabe einer Steuererklärung Gilgan, NWB 48/2019 S. 3507der gewissenhaften Berufsausübung (§ 57 Abs. 1 StBerG). Danach schuldet der Steuerberater seinen Mandanten nicht nur eine ordnungsgemäße und pünktliche Auftragserledigung, sondern auch, dass er die Interessen der Mandanten bestmöglich und sorgfältig vertritt. Insoweit muss der Steuerberater ohnehin die beruflichen Rahmenbedingungen schaffen, die Grundvoraussetzung einer gewissenhaften Berufsausübung sind (Maxl, a. a. O., § 57 Rz. 128).

II. Haftungsprävention

[i]Bearbeitung der angenommenen Mandate kann schwierig werdenNeben der Pflicht, den Kanzleibetrieb entsprechend den gestellten Aufgaben zu organisieren und die Erreichbarkeit sicherzustellen, muss der Steuerberater auch die Bearbeitung der angenommenen Mandate gewährleisten. Steuerberater dürfen einen Auftrag insoweit nur annehmen und ausführen, wenn sie über die dafür erforderliche Sachkunde und die zur Bearbeitung erforderliche Zeit verfügen (§ 4 Abs. 2 BOStB). Dies kann gerade in Krisenzeiten aufgrund hoher Kranken- oder Ausfallzeiten nicht immer gewährleistet sein.

[i]Vertretung muss unbedingt geregelt seinZudem ist immer auch der haftungsrechtliche Grundsatz „Der Steuerberater hat den Mandanten möglichst vor Schaden zu bewahren“ im Auge zu behalten. Es sind daher in der Kanzlei allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn jemand – [i]Geißler, Haftung des Steuerberaters, infoCenter, NWB GAAAB-78593 sei es der Steuerberater oder auch Mitarbeiter – unvorhergesehen ausfällt. Dabei hat der einzelne Steuerberater für den Fall einer Verhinderung im Rahmen der ihm obliegenden allgemeinen Vorkehrungen selbst für eine Vertretung Vorsorge zu treffen.

Hinweis:

Der Bundesgerichtshof (, NWB EAAAH-29581) hat dies erst kürzlich für den Einzelanwalt bestätigt. Die Kanzleiorganisation muss daher so umgestellt werden, dass der Steuerberater die eingehende Post sichten und verfügen und vor allem die anstehenden oder auch neu hereinkommenden Fristsachen ordnungsgemäß und fristgerecht erledigen kann.

Dabei [i]Unbedingte Überprüfung delegierter Aufgaben kann der Steuerberater zwar – wie im normalen Arbeitsalltag auch – einfache Aufgaben (bspw. im Rahmen der Buchung laufender Geschäftsvorfälle und Lohnabrechnungen) an dafür geeignetes Fachpersonal delegieren, eine Überprüfung ist aber – gerade in Zeiten der eingeschränkten Arbeitsleistung – unumgänglich. [i]Forchhammer, NWB 52/2019 S. 3846Es muss stets beachtet werden, dass jeder Organisationsmangel – gerade in Bezug auf die Fristenkontrolle und Dokumentation der Rechtsmitteleinlegung – dem Berater als Verschulden zuzurechnen ist (Maxl, a. a. O., § 57 Rz. 135). S. 1283

III. Vertreterbestellung

[i]Große Herausforderung für EinzelsteuerberaterSollte der Steuerberater durch die Corona-Pandemie (aber auch bei jeder sonstigen – länger anhaltenden – Verhinderung) nicht in der Lage sein, seinen Beruf auszuüben, muss er für eine angemessene Vertretung (§ 69 StBerG) sorgen. Dies dürfte bei Berufsausübungsgemeinschaften i. d. R. kein Problem sein, stellt den Einzelsteuerberater aber vor Herausforderungen. Letztlich erfolgt die Vertreterbestellung nach den Umständen des Einzelfalls, also vor dem Hintergrund der vorhandenen Praxisstruktur in ihren jeweiligen Facetten und der Dauer, Art und des Umfangs der Verhinderung (Kleemann in Kuhls u. a., StBerG, 2012, § 69 Rz. 6).

[i]Vertreter wird in eigener Verantwortung tätigDer Vertreter hat weitreichende Befugnisse. Ihm stehen die beruflichen Befugnisse des Steuerberaters zu, den er vertritt (§ 69 Abs. 2 StBerG). Er wird dabei in eigener Verantwortung, jedoch im Interesse, für Rechnung und auf Kosten des Vertretenen tätig.

Hinweis:

Der von Amts wegen bestellte Vertreter (§ 69 Abs. 1 Satz 2 StBerG) ist berechtigt, die Kanzleiräume zu betreten und die zur Kanzlei gehörenden Gegenstände einschließlich des der Verwahrung unterliegenden Treuguts in Besitz zu nehmen, herauszuverlangen und hierüber zu verfügen (§ 69 Abs. 4 StBerG).

Die [i]Ausfall des StB von mehr als einem Monat Zeit spielt für die Frage der Bestellung eines Vertreters eine entscheidende Rolle. Nur wenn der Steuerberater absieht, dass er länger als einen Monat ausfällt, ist er berufsrechtlich verpflichtet, selbst einen Vertreter zu bestellen (privatrechtliche Vertreterbestellung) oder auf Antrag (oder in gravierenden Fällen auch von Amts wegen: öffentlich-rechtliche Vertreterbestellung) durch die zuständige Steuerberaterkammer bestellen zu lassen.

Hinweis:

Diese Pflicht gilt auch für den verhinderten Gesellschafter-Geschäftsführer einer Einmann-Steuerberatungsgesellschaft (BT-Drucks. 12/6752 S. 20).

Eine [i]Keine Verhinderung auf DauerVertreterbestellung kommt jedoch nur bei einer vorübergehenden und damit zeitlich eingeschränkten Verhinderung in Betracht. Der Vertreter ist daher für einen bestimmten Zeitraum, längstens jedoch für die Dauer von zwei Jahren, zu bestellen (§ 69 Abs. 5 Satz 1 StBerG). Verhinderung auf Dauer lässt sich durch eine ständige Vertretung nicht überbrücken; diese wird letztlich zum freiwilligen Verzicht auf die Bestellung als Steuerberater (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 StBerG) oder zu deren Widerruf (§ 46 Abs. 2 Nr. 7 StBerG) führen (Kleemann, a. a. O., § 69 Rz. 7).

[i]VerhinderungsgründeAls Verhinderungsgründe kommen vor allem Berufsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen oder eine sonstige Verhinderung wie bspw. eine längere Ortsabwesenheit in Betracht.

Hinweis:

Sofern der Steuerberater gemäß einer behördlichen Anordnung für die Dauer von zwei Wochen unter häusliche Quarantäne gestellt wird, muss er noch keinen Vertreter bestellen oder bestellen lassen. Wenn er jedoch erkrankt ist und der Heilungsverlauf einen längeren Zeitraum als einen Monat einnehmen wird, muss er sich um eine Vertreterbestellung kümmern. Es ist zu raten, dass diese – privatrechtlich – auch unter einem Vorbehalt (tatsächliche Verhinderung) oder im Vorhinein für alle Fälle der Vertretung bei künftiger Verhinderung erfolgt.

IV. Verschwiegenheit

[i]Umfassende PflichtDie Schweigepflicht des Steuerberaters (§ 57 Abs. 1 StBerG) bezieht sich auf alles, was dem Berater in Ausübung oder bei Gelegenheit seiner Berufstätigkeit anvertraut oder S. 1284auch nur bekannt geworden ist (vgl. § 5 BOStB). Davon umfasst sind sämtliche Kontaktdaten des Mandanten und vor allem auch der Umstand, [i]Zum Datenschutz in der Kanzlei Karg, NWB 48/2018 S. 3549dass überhaupt ein Mandat besteht (, BStBl 2002 II S. 712). Die Schweigepflicht erstreckt sich zudem auf Tatsachen, die der Steuerberater von Dritten erfahren hat, soweit noch ein innerer Zusammenhang mit dem Mandat besteht (, NWB MAAAD-62718).

1. Schweigepflicht gegenüber Behörden

[i]Schweigepflicht wird häufig durchbrochenDie Schweigepflicht gilt gegenüber jedem Dritten; der Steuerberater darf nur im Rahmen seines Auftrags Informationen weitergeben. Sie gilt grds. auch gegenüber Behörden und Gerichten, wird aber gerade diesen gegenüber häufig im Rahmen einer Güterabwägung mit anderen Gemeinwohlinteressen durchbrochen oder aufgehoben (Maxl, a. a. O., § 57 Rz. 164). Ergänzt wird die Schweigepflicht durch § 203 Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB): Danach wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart, das ihm als Steuerberater anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist.

2. Befugnisse der zuständigen Behörden nach dem IfSG

Das Infektionsschutzgesetz (vgl. § 16 IfSG) räumt den zuständigen Behörden weitreichende Eingriffsbefugnisse ein; ergänzende Ermittlungsbefugnisse ergeben sich aus § 25 IfSG.

[i]Ermächtigung u. a. zum Einsehen von UnterlagenWenn Tatsachen festgestellt werden, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder wenn anzunehmen ist, dass solche Tatsachen vorliegen, können die zuständigen Behörden die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren treffen. Sie sind zur Durchführung von Ermittlungen und zur Überwachung der angeordneten Maßnahmen sowie zum Betreten von Grundstücken/Räumen aller Art und zum Einsehen von Büchern/Unterlagen berechtigt (§ 16 Abs. 2 Satz 1 IfSG).

[i]Recht des StB zur AuskunftsverweigerungDer Steuerberater kann als Inhaber der tatsächlichen Gewalt verpflichtet sein, Grundstücke/Räume sowie sonstige Gegenstände zugänglich zu machen (§ 16 Abs. 2 Satz 2 IfSG). Ferner kann er verpflichtet sein, über entsprechende Tatsachen auf Verlangen der Behörden die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Der Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen jedoch verweigern, wenn deren Beantwortung ihn selbst der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde (§ 16 Abs. 2 Satz 3 IfSG); Entsprechendes gilt für die Vorlage von Unterlagen.

Hinweis:

Die Wirtschaftsprüferkammer erklärt in ihrer Stellungnahme vom ( www.wpk.de; abgerufen am ), dass die Berufsträger im Falle einer Corona-Infektion in der Kanzlei über die Mandantennamen Auskunft zu geben haben. Ebenso positioniert sich die Bundessteuerberaterkammer in ihren FAQ vom , dort auf Seite 27 ( www.bstbk.de; abgerufen am ).

Die [i]Bitte um Einwilligung zur Datenweitergabeeinheitlichen Empfehlungen der Kammern sind sicherlich praxisnah und im Sinne eines effektiven Gesundheitsschutzes sinnvoll. Sie lassen jedoch außer Acht, dass selbst das Infektionsschutzgesetz eine Auskunftsverweigerung vorsieht, wenn eine strafrechtliche Verfolgung (hier: aufgrund der Offenbarung eines fremden Geheimnisses in Form der Nennung der Kontaktdaten des Mandanten) drohen könnte. Eine Ausnahme greift hier wohl bereits deshalb nicht ein, da § 16 IfSG keine ausdrückliche Ausnahme für Berufsträger vorsieht. S. 1285

Praxistipp:

Sofern ein Steuerberater im Falle einer Corona-Erkrankung in der Kanzlei die Kontaktdaten der Mandanten, mit denen zuletzt ein persönlicher Kontakt bestand, herausgeben soll, sollte er den oder die betreffenden Mandanten vorab über den Umstand der Infektion unterrichten und um eine entsprechende Einwilligung (§ 5 Abs. 2 BOStB) zur Datenweitergabe an die Behörden bitten.

V. Arbeiten im Homeoffice

[i]Sicherer Schutz der MandantendatenBei der Arbeit von zu Hause aus ist besonders auf Verschwiegenheit und Datenschutz zu achten. Bei der Arbeit im Homeoffice muss insbesondere beachtet werden, dass alle betrieblichen Mandantendaten, Informationen und Unterlagen, auf die der Steuerberater selbst oder seine Mitarbeiter von dem Heimarbeitsplatz aus Zugriff haben, besonders geschützt werden müssen. [i]Gerlach/Gödicke, NWB 50/2019 S. 3710Insbesondere muss auch in der sonst privaten Atmosphäre darauf geachtet werden, dass nahen Angehörigen (bspw. Familienmitgliedern, sonstigen Mitbewohnern, Besuchern) kein Zugriff auf die betriebliche EDV und/oder betriebliche Unterlagen möglich ist.

Hinweis:

Eventuelle Ausdrucke mit vertraulichen Informationen (bspw. personenbezogenen Daten oder Mandatsdaten) müssen sicher vernichtet werden (Aktenvernichter), wenn sie nicht mehr benötigt werden. Externe Dritte (bspw. Handwerker oder Gäste) dürfen sich nicht allein in dem nicht gesondert verschließbaren Heimarbeitsplatz aufhalten. Mitarbeiter sind vor Aufnahme der Tätigkeit im Homeoffice entsprechend zu unterweisen.

Wenn [i]Puchelt, NWB 26/2019 S. 1915 der Steuerberater oder die Mitarbeiter ihren Heimarbeitsplatz verlassen, muss sichergestellt sein, dass kein Dritter auf betriebliche Daten oder Akten zugreifen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass der verwendete Computer gesperrt werden muss, so dass bei Rückkehr zumindest die Eingabe des Passworts erforderlich ist. Zudem müssen Fenster/Türen verschlossen sein; außer bei kurzzeitiger Abwesenheit, während der ein Eindringen realistischerweise ausgeschlossen werden kann.

VI. Fortbildungspflicht

Ferner sind Steuerberater auch in Krisenzeiten und bereits aus Gründen der eigenen Haftungsprävention verpflichtet, sich fortzubilden (§ 57 Abs. 2a StBerG). Eine Fortbildung soll in dem Umfang erfolgen, wie dies zur Sicherung und Weiterentwicklung der für seine berufliche Tätigkeit erforderlichen Sachkunde notwendig ist (§ 4 Abs. 3 BOStB). Diese – ohnehin berufsrechtlich nicht kontrollierbare, geschweige denn sanktionierbare – Verpflichtung kann der Steuerberater im Homeoffice durch das Lesen von Fachzeitschriften oder den Besuch von Online-Fachveranstaltungen gewährleisten.

Fazit

Sofern der Steuerberater seine telefonische und postalische Erreichbarkeit sicherstellt, regelmäßig die Post kontrolliert, seine Mitarbeiter anleitet und konkrete Handlungsanweisungen an die Hand gibt und im Falle seiner längeren Erkrankung einen Vertreter bestellt, kommt er berufsrechtlich sicher durch diese ungewöhnlichen Zeiten.

Autor

Tim Günther,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Versicherungsrecht in der Jähne – Günther PartGmbB, Hannover.

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 1281 - 1285
WAAAH-46118