Widerruf eines Altvertrages über ein Verbraucherdarlehen: Verwirkungseinwand nach bankseitiger Sicherheitenfreigabe
Gesetze: § 242 BGB, § 346 BGB, §§ 346ff BGB, § 357 Abs 1 S 1 BGB vom
Instanzenzug: Az: 17 U 233/16vorgehend LG Baden-Baden Az: 3 O 271/16
Tatbestand
1Die Parteien streiten in dritter Instanz noch um die Frage, ob das Recht der Beklagten auf Widerruf ihrer auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen verwirkt ist.
2Die Parteien schlossen im September 2003 zwei Darlehensverträge. Streitgegenständlich ist nur noch der über 124.000 € zur Endnummer -876 mit einem bis zum festen Nominalzinssatz von 4,92% p.a. (effektiv 5,03%). Zur Sicherung der Ansprüche der Klägerin aus den Darlehensverträgen diente ein Grundpfandrecht. Bei Abschluss der Darlehensverträge belehrte die Klägerin die Beklagten mittels der Verwendung des Worts "frühestens" bei der Umschreibung der Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist undeutlich über das ihnen zukommende Widerrufsrecht. Die Beklagten erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Die Parteien beendeten mit Ablauf der Zinsbindungsfrist im August 2013 den Darlehensvertrag mit der Endnummer -876. Die Klägerin gab die Sicherheit frei. Unter dem widerriefen die Beklagten ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. Diesen Widerruf wiederholten sie unter dem .
3Der Klage auf Feststellung, dass sich beide Darlehensverträge "nicht durch einen Widerruf der Beklagten in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt" hätten, hat das Landgericht entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage - soweit den Darlehensvertrag mit der Endnummer -876 betreffend - abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Zurückweisung der Berufung der Beklagten den Darlehensvertrag mit der Endnummer -876 betreffend begehrt.
Gründe
4Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I.
5Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt:
6Das Recht der Beklagten zum Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags mit der Endnummer -876 gerichteten Willenserklärungen sei nicht verwirkt. Zwar sei zu einem Zeitmoment von dreizehn Jahren zwischen Vertragsschluss und Erklärung des Widerrufs ein Umstandsmoment insoweit getreten, als zwischen der vollständigen Beendigung des Darlehensvertrags und dem Widerruf weitere zwei Jahre und zehn Monate gelegen hätten. Ansonsten spreche für eine Verwirkung indessen nur die Tatsache, dass die Parteien den Darlehensvertrag nach Ablauf der ersten Zinsbindungsfrist einvernehmlich beendet hätten. Dies genüge in Zusammenschau mit dem Zeitraum zwischen der Beendigung des Darlehensvertrags und dem Widerruf nicht, um das Umstandsmoment zu begründen.
7Die Klägerin habe nichts Erhebliches dazu vorgetragen, in welcher Weise sie sich im Vertrauen auf das Ausbleiben eines Widerrufs eingerichtet habe und welcher Nachteil ihr durch die späte Rückabwicklung entstehe. Die Freigabe von Sicherheiten sehe das Berufungsgericht entgegen einer vom Bundesgerichtshof gebilligten obergerichtlichen Rechtsprechung gerade in Fällen der vollständig beendeten Darlehensverträge nicht als eine für die Verwirkung ausreichende Vertrauensinvestition an. Die Rückübertragung der Sicherheit im Zusammenhang mit der vollständigen Rückführung der Valuta und der Zahlung der Vertragszinsen führe zur Erledigung des Sicherungszwecks. Der Darlehensgeber sei im Rückabwicklungsschuldverhältnis nach Widerruf eines beendeten Darlehensvertrags auf die Sicherungszweckvereinbarung nicht mehr angewiesen. Zwar sichere die Sicherheit aufgrund der gewöhnlich weit gefassten Sicherungsabrede auch die Ansprüche des Darlehensgebers aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis. Der Darlehensgeber könne jedoch in diesem Fall sein Sicherungsinteresse selbst durch Aufrechnung befriedigen. Damit scheide die Annahme einer nachteiligen Vermögensdisposition des Darlehensgebers durch Freigabe der Sicherheit im Zusammenhang mit der Ablösung des Verbraucherdarlehens von vornherein aus. Ebenso wie die vorbehaltslose Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch den Darlehensnehmer, die nicht für die Bejahung der Verwirkung ausreiche, sei die Freigabe gewährter Sicherheiten durch den Darlehensgeber nur eine Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen; dieser Umstand sei mit Blick auf eine etwaige Verwirkung für sich genommen neutral.
II.
8Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
9Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung der Verwirkung des Widerrufsrechts vor Abgabe der Widerrufserklärung vom rechtsfehlerhaft weitgehend wortgleich die Überlegungen übernommen, die seinen Urteilen vom zugrunde lagen (OLG Karlsruhe, WM 2018, 622 ff. und ZIP 2018, 467 ff.). Diese Urteile hat der Senat mit Urteilen vom (XI ZR 45/18, WM 2018, 2274 f. und XI ZR 69/18, WM 2018, 2275 ff.) aufgehoben. Die dort tragenden Grundsätze gelten auch hier:
10Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht einer Berücksichtigung der Freigabe von Sicherheiten bei der Prüfung des Umstandsmoments der Verwirkung nicht entgegen, dass der Darlehensgeber nach Beendigung des Darlehensvertrags und nach vollständiger Erfüllung der aus dem unwiderrufenen Darlehensvertrag resultierenden Pflichten des Darlehensnehmers die Sicherheiten ohnehin freizugeben hätte. Die Sicherheiten sichern regelmäßig auch Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB. Dem Rückgewähranspruch des Darlehensnehmers aus der Sicherungsabrede haftet die für den Fall des Widerrufs auflösende Rechtsbedingung einer Revalutierung an. Beendet der Darlehensgeber trotz der Möglichkeit der Revalutierung durch Rückgewähr der Sicherheit den Sicherungsvertrag, kann darin die Ausübung beachtlichen Vertrauens im Sinne des § 242 BGB liegen (, WM 2018, 2128 Rn. 34, vom - XI ZR 45/18, WM 2018, 2274 Rn. 17 sowie XI ZR 69/18, WM 2018, 2275 Rn. 15, vom - XI ZR 687/17, juris Rn. 18 und vom - XI ZR 759/17, WM 2019, 2164 Rn. 33; Senatsbeschluss vom - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 20 mwN).
11Indem das Berufungsgericht den Darlehensgeber in Fällen des Widerrufs der auf Abschluss eines zwischenzeitlich beendeten Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Darlehensnehmers grundsätzlich auf die Aufrechnung der aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche verwiesen hat, hat es den Aspekt der Sicherheitenfreigabe als für die Verwirkung relevant für beendete Darlehensverträge ausgeschlossen. Dabei hat es in Abkehr von der höchstrichterlichen Rechtsprechung den Rechtssatz aufgestellt, in der Freigabe der Sicherheiten liege keine beachtliche Manifestation des Vertrauens des Darlehensgebers darauf, die Beziehungen der Parteien fänden für die Zukunft in jeder Hinsicht ihr Ende. Entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts ist die Betätigung eines entsprechenden Vertrauens bei der Würdigung der nach § 242 BGB relevanten Umstände mit zu berücksichtigen. Darauf, ob der Darlehensgeber nach Entstehung des Rückgewährschuldverhältnisses auch noch auf andere Weise die Erfüllung seiner Forderung erlangen könnte, kommt es nicht an.
III.
12Das Berufungsurteil, das sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO), unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO).
13Da der Senat der tatrichterlichen Würdigung der nach § 242 BGB maßgeblichen Umstände anhand der höchstrichterlich gefestigten Grundsätze nicht vorgreifen kann (st. Rspr., vgl. nur , WM 2017, 2247 Rn. 11, vom - XI ZR 702/16, WM 2018, 1601 Rn. 16, vom - XI ZR 305/16, BKR 2019, 29 Rn. 19 und vom - XI ZR 70/18, juris Rn. 16), verweist er die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
14Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, das Widerrufsrecht der Beklagten sei (schon) im Juni 2016 verwirkt gewesen, wird es die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen haben, dass der Feststellungsausspruch dahin zu präzisieren ist, der noch streitgegenständliche Darlehensvertrag habe sich weder durch den Widerruf vom noch durch den Widerruf vom , den die Beklagten nach Ablauf der Ausschlussfrist des Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB erklärt haben (vgl. dazu Senatsbeschluss vom - XI ZR 477/17, WM 2018, 369 f.), in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:140120UXIZR401.18.0
Fundstelle(n):
ZIP 2020 S. 550 Nr. 12
OAAAH-45529