Festsetzung eines Verspätungszuschlags Neuregelung des § 152 AO durch das Steuermodernisierungsgesetz
1. Zeitlicher Anwendungsbereich
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (StModernG) sind die Regelungen zum Verspätungszuschlag in § 152 AO grundlegend überarbeitet worden. § 152 AO i.d.F. des StModernG (§ 152 AO n.F.) ist zwar bereits am in Kraft getreten, ist aber erst für Steuererklärungen anzuwenden, die nach dem abzugeben sind; eine Verlängerung der Steuererklärungsfrist ist hierbei nicht zu berücksichtigen.
Für Steuererklärungen, die vor dem einzureichen sind, ist § 152 AO in der am geltenden Fassung (§ 152 AO a.F.) weiterhin anzuwenden.
Aus dieser Anwendungsregelung folgt, dass die Neufassung des § 152 AO beispielsweise für die folgenden Steuererklärungen nicht einschlägig ist und somit § 152 AO a.F. weiterhin anwendbar bleibt:
Steuererklärungen für Veranlagungszeiträume bis einschließlich VZ 2017 (auch bei gewährter Fristverlängerung über den hinaus),
Umsatzsteuer-Jahreserklärungen für 2018, wenn die unternehmerische Tätigkeit bereits im Laufe des Kalenderjahres 2018 beendet worden ist (verkürzter Besteuerungszeitraum nach § 18 Abs. 3 S. 1 u. 2 UStG) und
Steuererklärungen, für die Steuerpflichtige erst durch eine Aufforderung der Finanzbehörde zur Abgabe verpflichtet werden und die Aufforderung bereits vor dem bekanntgegeben wurde (z.B. Erbschaft-/Schenkungsteuer).
Hinsichtlich der Anwendung von § 152 AO a.F. wird auf die AO-Kartei, Karte 2 zu § 152 verwiesen.
Auf die Ausführungen im AEAO zu § 152 AO wird ausdrücklich hingewiesen.
2. Allgemeines
§ 152 AO regelt, dass die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in vielen Fällen vorzunehmen ist, ohne dass hierfür ein Ermessensspielraum besteht oder es einer Ermessensausübung bedarf. Außerdem wird die Vornahme der Berechnung des Verspätungszuschlags grundsätzlich festgelegt, so dass diese automationsgestützt erfolgen kann.
3. „Kann“-Regelung (Abs. 1)
Entsprechend der Regelungen in § 152 AO a.F. kann nach § 152 Abs. 1 AO n.F. ein Verspätungszuschlag im Rahmen einer Ermessensentscheidung festgesetzt werden, wenn eine gesetzliche oder behördliche Frist für die Abgabe einer Steuererklärung /-anmeldung nicht eingehalten worden ist, wobei eine evtl. (ggf. auch rückwirkend) gewährte Fristverlängerung zu berücksichtigen ist. Die Regelungen des § 152 Abs. 1 AO gelten insbesondere für
Steuer- und Feststellungserklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, wenn diese zwar verspätet, aber binnen 14 Monaten (in Fällen des § 149 Abs. 2 S. 2 AO: binnen 19 Monaten) nach Ablauf des Kalenderjahres bzw. binnen 14 Monaten (in Fällen des § 149 Abs. 2 S. 2 AO: binnen 19 Monaten) nach dem Besteuerungszeitpunkt abgegeben werden,
Steuererklärungen, wenn die Steuer auf null Euro oder einen negativen Betrag festgesetzt wird (§ 152 Abs. 3 Nr. 2 AO),
Steuererklärungen, wenn die festgesetzte Steuer die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge nicht übersteigt (§ 152 Abs. 3 Nr. 3 AO),
verspätet abgegebene jährlich abzugebende Lohnsteueranmeldungen (§ 152 Abs. 3 Nr. 4 AO).
Hinsichtlich der ab dem Veranlagungszeitraum 2018 geltenden Abgabefristen wird auf Karte 1 zu § 149 AO hingewiesen.
Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist im Rahmen der Ermessensentscheidung allerdings abzusehen, wenn der Erklärungspflichtige glaubhaft macht, dass die Verspätung entschuldbar ist. Das Verschulden eines Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist hierbei dem Erklärungspflichtigen zuzurechnen (§ 152 Abs. 1 S. 2 AO). Für die Finanzbehörden besteht insoweit allerdings keine Amtsermittlungspflicht. Wird eine (bewilligte) Abgabefrist nicht ungebührlich überschritten (nicht mehr als zwei Wochen), soll großzügig verfahren werden; dies gilt nicht für Fristüberschreitungen nach 28./29.2. bzw. 31.7. des zweiten Folgejahres und bei Vorabanforderung.
Die in § 152 Abs. 5, 6, 7 und 9 AO geregelte Berechnung des Verspätungszuschlags ist auch bei einer Festsetzung des Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 1 AO zu beachten. Die Höhe des Verspätungszuschlags ist damit grundsätzlich gesetzlich vorgegeben und unterliegt nicht dem Ermessen.
4. „Muss“-Regelung (Abs. 2)
Wird eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr oder einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht,
nicht binnen 14 Monaten (in Fällen des § 149 Abs. 2 S. 2 AO: nicht binnen 19 Monaten) nach Ablauf des Kalenderjahres bzw. nicht binnen 14 Monaten (in Fällen des § 149 Abs. 2 S. 2 AO: nicht binnen 19 Monaten) nach dem Besteuerungszeitpunkt oder
bei Vorabanforderung i.S.d. § 149 Abs. 4 AO nicht bis zu dem in der Vorabanforderung bestimmten Abgabezeitpunkt abgegeben,
ist nach § 152 Abs. 2 AO ein Verspätungszuschlag festzusetzen. Es bedarf insoweit keiner Ermessensausübung, die Festsetzung hat in diesen Fällen ermessensunabhängig zu erfolgen.
Für die Anwendung der „Muss“-Regelung des § 152 Abs. 2 AO ist unbeachtlich, ob die Steuererklärung von einem steuerlichen Berater (verlängerte Abgabefrist i.S.d. § 149 Abs. 3 AO) oder vom Steuerpflichtigen selbst erstellt wird (Abgabefrist i.S.d. § 149 Abs. 2 AO) und aus welchen Gründen die Frist versäumt wurde.
5. Ausnahmen zur „Muss“-Regelung (Abs. 3)
Eine Pflicht zur Festsetzung eines Verspätungszuschlags besteht – trotz Vorliegen der Voraussetzungen von § 152 Abs. 2 AO – nicht bei
Nr. 1 : (rückwirkend) gewährter Fristverlängerung i.S.d. § 109 AO,
Nr. 2 : einer Steuerfestsetzung auf null Euro oder einer negativen Steuerfestsetzung (z.B. Umsatzsteuer),
Nr. 3 : sog. „Erstattungsfällen“ (d.h. festgesetzte Steuer < festgesetzte Vorauszahlungen und anzurechnende Steuerabzugsbeträge; nicht erforderlich ist hierbei, dass die festgesetzten Vorauszahlungen auch tatsächlich gezahlt worden sind) und
Nr. 4 : bei jährlich abzugebenden Lohnsteuer-Anmeldungen.
In diesen Fällen kann somit keine ermessensunabhängige Festsetzung eines Verspätungszuschlags von Amts wegen erfolgen. Allerdings ist in diesen Fällen weiterhin – bei verspäteter Abgabe – die Festsetzung eines Verspätungszuschlags im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach § 152 Abs. 1 AO möglich (vgl. Tz. 3).
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 1 AO in Fällen des § 152 Abs. 3 Nr. 1 AO nur in Betracht kommt, wenn die verlängerte Frist zur Abgabe der Steuererklärung nicht eingehalten wurde. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist in diesen Fällen nicht ermessensfehlerhaft, da das Verstreichenlassen einer antragsgemäßen Fristverlängerung regelmäßig nicht entschuldbar ist.
6. Mehrere Erklärungspflichtige (Abs. 4)
Mit § 152 Abs. 4 AO wurden gesetzliche Regelungen zur Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei mehreren erklärungspflichtigen Personen getroffen.
Die Finanzbehörde kann grundsätzlich nach ihrem Ermessen entscheiden, ob sie den Verspätungszuschlag
gegen eine erklärungspflichtige Person,
gegen mehrere der erklärungspflichtigen Personen oder
gegen alle erklärungspflichtigen Personen festsetzt.
Für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei verspäteter Abgabe einer Feststellungserklärung wurde in § 152 Abs. 4 S. 3 AO nunmehr eine Regelung geschaffen, nach der der Verspätungszuschlag vorrangig gegen die nach § 181 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 AO erklärungspflichtigen Personen zu richten ist.
7. Berechnung des Verspätungszuschlags (Abs. 5 – 7, 9 u. 10)
Die Berechnung des Verspätungszuschlags wird in § 152 Abs. 5 – 7, 9 und 10 AO geregelt, findet sowohl bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 1 AO („Kann“-Regelung, vgl. Tz. 3) als auch nach § 152 Abs. 2 AO („Muss“-Regelung, vgl. Tz. 4) Anwendung und steht daher nicht mehr im Ermessen des Finanzamts.
Lediglich in Fällen des § 152 Abs. 8 AO (verspätet abgegebene vierteljährlich oder monatlich abzugebende Steueranmeldungen und verspätet abgegebene jährlich abzugebende Lohnsteueranmeldungen) sind diese gesetzlichen Vorgaben nicht anzuwenden. Der Verspätungszuschlag ist vielmehr - wie bisher - an der Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitung sowie der Höhe der Steuer zu bemessen (§ 152 Abs. 8 S. 2 AO). Diese Regelung gilt nicht für Steueranmeldungen, die nur anlassbezogen abzugeben sind (z.B. die Kapitalertragsteuer-Anmeldung).
Der Verspätungszuschlag ist auf volle Euro abzurunden und darf 25.000 Euro nicht übersteigen (§ 152 Abs. 10 AO). Die bisherige Begrenzung auf 10 % der festgesetzten Steuer ist entfallen.
Sofern die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO geschätzt werden, ist der Verspätungszuschlag bis zur Wirksamkeit des erstmaligen Bescheids zu berechnen (§ 152 Abs. 9 AO). Die spätere Erklärungsabgabe hat keinen Einfluss mehr auf die Dauer der Verspätung.
8. Korrektur von Verspätungszuschlagsfestsetzungen
Nach § 152 Abs. 12 AO ist die Festsetzung des Verspätungszuschlags zu ermäßigen, zu erhöhen oder aufzuheben, wenn die Festsetzung der Steuer, die Anrechnung von Vorauszahlungen oder Steuerabzugsbeträgen auf die festgesetzte Steuer, die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags, der Zerlegungsbescheid oder die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen geändert, zurückgenommen, widerrufen, berichtigt oder aufgehoben wird. Der Verspätungszuschlag bleibt bestehen, wenn auch nach der Änderung oder Berichtigung die Mindestbeträge anzusetzen sind (§ 152 Abs. 12 S. 2 AO).
Ein Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG oder ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 2 oder Abs. 2 AO sind bei der Änderung oder Berichtigung nicht zu berücksichtigen (§ 152 Abs. 12 S. 3 AO)
9. Personelle Festsetzung
Für die personelle Festsetzung von Verspätungszuschlägen steht die Wordvorlage „Verspätungszuschlag Festsetzung ab VZ 2018“ im Ordner „Zentral/Veranlagung/Bearbeitung Verwaltungsakte“ zur Verfügung.
10. Einspruchsverfahren; Auslegung
Wegen der Auslegung bzw. Umdeutung von Verfahrenserklärungen wird auf die AO-Kartei, Karte 1 zu § 357 AO hingewiesen.
Ein innerhalb der Einspruchsfrist eingehender Antrag auf "Änderung, Aufhebung, Rücknahme, Widerruf oder Erlass" eines steuerlich nicht beratenen Steuerpflichtigen wird in der Regel in einen Einspruch umzudeuten sein. Dies gilt auch bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 2 AO, da die Erfolgsaussichtigen eines Einspruchs gegen die Festsetzung höher einzustufen sind als die eines Erlassantrags aus sachlichen Gründen
Etwas anderes gilt nur, wenn trotz entsprechenden Hinweises des Finanzamts ein Einspruch vom Steuerpflichtigen ausdrücklich ausgeschlossen wird.
Hinweis: Die bisherige Karte 1 (Kontroll-Nr. 35/2012) ist auszureihen. Die Karte wurde vollständig überarbeitet und daher nicht vollständig in gelb/kursiv wiedergegeben.
Bayerisches Landesamt für
Steuern v. - S 0323.1.1-2/10 St43
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
AO-Kartei
BY AO §
152 Karte 1 - Kontroll-Nr.
4/2020 -
AO-StB 2020 S. 217 Nr. 7
AAAAH-45029