Keine Klagebefugnis eines Lärmbetroffenen für eine Klage gegen Lärmaktionsplan
Leitsatz
Die Klage eines Lärmbetroffenen gegen einen Lärmaktionsplan ist mangels Klagebefugnis unzulässig.
Gesetze: § 47 Abs 6 BImSchG, § 47d Abs 1 S 3 BImSchG, § 47 Abs 6 BImSchG, § 42 Abs 2 Halbs 1 VwGO, § 42 Abs 2 Halbs 2 VwGO, Art 9 Abs 2 AarhusÜbk, Art 9 Abs 3 AarhusÜbk, Art 8 EGRL 49/2002
Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 9 C 873/15.T Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin wendet sich gegen den Lärmaktionsplan Hessen - Teilplan Flughafen Frankfurt/Main - vom . Ihr zu Wohnzwecken und beruflich genutztes Grundstück liegt in der Tag-Schutzzone 1 sowie in der Nacht-Schutzzone gemäß der Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Frankfurt/Main vom .
2Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage auf Änderung, hilfsweise auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Lärmaktionsplans mit Urteil vom mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Eine auch dem Schutz der Klägerin dienende Norm, die einen Anspruch auf Überprüfung und Ergänzung eines Lärmaktionsplans begründe, könne weder aus dem nationalen Recht noch aus dem Unionsrecht hergeleitet werden.
3Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision der Klägerin, zu deren Begründung sie ausführt: Der Verwaltungsgerichtshof habe überzogene Anforderungen an das Vorliegen einer Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO gestellt. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur effektiven Durchsetzung von Umweltrichtlinien, die auch auf den Schutz der Gesundheit zielten, sowie die in der Aarhus-Konvention vorgesehenen Rechte auf Zugang zu einer gerichtlichen Kontrolle erforderten eine Modifizierung der strengen Schutznormtheorie hin zu einer normativen Interessentenklage. Für die Lärmaktionsplanung könne nichts anderes gelten als für die Luftreinhalteplanung, bei der Klagerechte sowohl für einzelne Betroffene als auch für Umweltverbände bereits anerkannt seien. Ungeachtet dessen folge ihre Klagebefugnis aus der in der Umgebungslärmrichtlinie und in § 47d Abs. 3 BImSchG vorgesehenen Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Aufstellung des Lärmaktionsplans, mit der ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des "Produkts" einhergehe. Der Lärmaktionsplan sei rechtswidrig. Er beruhe nicht auf strategischen Lärmkarten, sondern auf Lärmschutzbereichen, die sich auf das prognostizierte Verkehrsaufkommen für den Planungsfall 2020 bezögen. Auch die Grenzen des in § 47d BImSchG eröffneten Ermessens- und Planungsspielraums seien nicht berücksichtigt worden.
4Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Lärmaktionsplan Hessen - Teilplan Flughafen Frankfurt/Main - vom unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu fassen,
hilfsweise,
festzustellen, dass der Lärmaktionsplan Hessen - Teilplan Flughafen Frankfurt/Main - vom rechtswidrig ist.
5Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Revision zurückzuweisen.
6Sie verteidigen das angefochtene Urteil und führen ergänzend aus, dass die Klage jedenfalls unbegründet sei.
Gründe
7Die zulässige Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). In Einklang mit Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen.
81. Der Verwaltungsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage in ihrem Hauptantrag als allgemeine Leistungsklage statthaft ist. Die Rechtsprechung des Senats zum Anspruch auf Änderung eines Luftreinhalteplans ( 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 18) ist auf einen Lärmaktionsplan übertragbar, der ebenfalls mangels Außenwirkung gegenüber lärmbetroffenen Dritten keine Verwaltungsaktqualität hat. Auch scheidet eine Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO aus. Lärmaktionspläne sind nur verwaltungsintern bindend und folglich keine im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften.
9In Einklang mit Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof die in § 42 Abs. 2 VwGO normierte Sachurteilsvoraussetzung der Klagebefugnis entsprechend auch auf die allgemeine Leistungsklage angewendet (stRspr; etwa 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 18) und festgestellt, dass der Klägerin die Klagebefugnis fehlt.
10a) Die Klage ist nicht nach § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO aufgrund gesetzlicher Bestimmung ohne Geltendmachung einer Rechtsverletzung zulässig.
11Diese Öffnungsklausel muss durch eine Entscheidung des zuständigen Normgebers umgesetzt werden. Neben Bestimmungen des Bundes- und des Landesrechts können auch Vorschriften des Unionsrechts als andere gesetzliche Regelung eigenständige, von materiellen Berechtigungen losgelöste Klagerechte vermitteln.
12Eine besondere Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO, mit der eine objektive Rechtskontrolle ermöglicht wird, ist im nationalen Recht nur in eng begrenzten Bereichen normiert worden (vgl. 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 25 ff.). Die vorhandenen, der Durchsetzung umweltrechtlicher Belange dienenden Bestimmungen sind nicht einschlägig. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG - privilegiert nur die Verbandsklage. § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG befreit allein nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigungen, nicht aber sonstige Kläger von der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten.
13Auch auf Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention - AK - kann die Klägerin sich nicht berufen. Diese Norm ist nicht unmittelbar anwendbar. Nach Art. 9 Abs. 3 AK stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. Die Vorschrift enthält indes keine unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte. Da nur "Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige (im) innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen", Inhaber der in Art. 9 Abs. 3 AK vorgesehenen Rechte sind, hängen die Durchführung und die Wirkungen dieser Vorschrift vom Erlass eines weiteren Rechtsakts ab (vgl. [ECLI:EU:C:2011:125], slowakischer Braunbär I - Rn. 45 f. und vom - C-664/15 [ECLI:EU:C:2017:987], Protect - Rn. 45; 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 21, 37).
14Bei der hiernach gebotenen gesetzlichen Festlegung von Kriterien, nach denen ein Mitglied der Öffentlichkeit Zugang zu gerichtlichen Überprüfungsverfahren hat, kommt den Mitgliedstaaten ein Gestaltungsspielraum zu. Er ist zwar insoweit eingeschränkt, als Art. 9 Abs. 3 AK i.V.m. Art. 47 der Grundrechte-Charta die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten ( - Rn. 45, 47). Das schließt aber auch in diesem Regelungszusammenhang die Entscheidung für das in Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 1 AK ausdrücklich neben der Interessentenklage aufgeführte Regelungsmodell der dem Individualrechtsschutz dienenden Verletztenklage, das in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht infrage gestellt wird (siehe [ECLI:EU:C:2011:289], BUND <Trianel> - Rn. 38 ff., 44 ff., vom - C-570/13 [ECLI:EU:C:2015:231], Gruber - Rn. 32 ff. und vom - C-137/14 [ECLI:EU:C:2015:683], Kommission/Deutschland - Rn. 32 f.), nicht aus. Eine auch dem Individualkläger offenstehende Popularklage fordert das Unionsrecht nicht. Die gebotene Effektivität des Rechtsschutzes bei der Rüge der Verletzung von Vorschriften des Umweltrechts ist in dieser Situation in erster Linie durch die Ausgestaltung der verfahrensrechtlichen Stellung der Umweltverbände sicherzustellen, denen schon nach Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 3 Satz 2 und 3 AK eine besondere Rolle zugewiesen ist ( [ECLI:EU:C:2016:838], slowakischer Braunbär <LZ> II - Rn. 58 f. und vom - C-644/15 - Rn. 47).
15b) Die Klägerin ist auch nicht nach § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO klagebefugt. Die Klagebefugnis nach dieser Vorschrift fehlt, wenn die vom Kläger geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen kann (vgl. 2 A 2.14 - BVerwGE 156, 193 Rn. 16). So liegt es hier. Eine auch dem Schutz der Klägerin dienende Rechtsposition, die ihr einen Anspruch auf Überprüfung und Änderung bzw. Ergänzung des Lärmaktionsplans vermittelt, lässt sich weder aus nationalen noch aus unionsrechtlichen Bestimmungen herleiten.
16aa) Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht angenommen, dass sich eine Klagebefugnis nicht aus § 47d Abs. 6 i.V.m. § 47 Abs. 6 BImSchG ergibt.
17Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewähren die §§ 47a ff. BImSchG, die der Umsetzung der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (ABl. EU L 189 S. 12 - Umgebungslärmrichtlinie) dienen, einzelnen Immissionsbetroffenen keine Schutzansprüche, sondern begründen lediglich Pflichten der zuständigen Behörde zur Erarbeitung von Lärmkarten und Aufstellung von Lärmaktionsplänen (vgl. 9 A 43.08 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 56 Rn. 46, vom - 9 A 20.11 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 229 Rn. 30, vom - 4 C 34.13 - BVerwGE 150, 294 Rn. 22 und vom - 4 C 35.13 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 56; Beschlüsse vom - 4 B 7.18 - juris Rn. 27 und vom - 7 B 16.18 - juris Rn. 12). Nach § 47d Abs. 6 i.V.m. § 47 Abs. 6 Satz 2 BImSchG sind planungsrechtliche Festlegungen in den Plänen von den zuständigen Planungsträgern bei ihren Planungen zu berücksichtigen. Daraus folgt nur, dass die in einem Lärmaktionsplan enthaltenen Festlegungen als objektive Belange der Lärmbetroffenheit in die fachplanerische Abwägung einzustellen sind. Dass Teile des Lärmaktionsplans damit zum Abwägungsmaterial gehören, verleiht lärmbetroffenen Dritten aber keine subjektive Rechtsposition im Zusammenhang mit der Lärmaktionsplanung.
18bb) Ein subjektiv-rechtlicher Anspruch auf Überprüfung und Änderung des Lärmaktionsplans folgt auch nicht aus Unionsrecht. Die Klägerin kann eine Klagebefugnis weder unmittelbar aus der Umgebungslärmrichtlinie herleiten noch ist eine richtlinienkonforme Auslegung von § 47d BImSchG geboten.
19Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können sich unmittelbar betroffene Einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie berufen (vgl. [ECLI:EU:C:2008:447], Janecek - Rn. 36, vom - C-723/17 [ECLI:EU:C:2019:533], Craeynest - Rn. 42 und vom - C-197/18 [ECLI:EU:C:2019:824], Wasserleitungsverband Nördl. Burgenland - Rn. 32, 70). Eine Regelung ist in diesem Sinne unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung begründet, die weder an eine Bedingung geknüpft ist noch zu ihrer Erfüllung oder Wirksamkeit einer Maßnahme der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf (stRspr; vgl. u.a. [ECLI:EU:C:2015:496], Larentia - Rn. 48 f.). Ist den Mitgliedstaaten bei der Erfüllung einer solchen Verpflichtung Ermessen eingeräumt, muss sich die gerichtliche Kontrolle auch auf die Frage erstrecken, ob die Behörden die der Ausübung dieses Ermessens gesetzten Grenzen nicht überschritten haben (vgl. - Rn. 70, 72).
20Der Umgebungslärmrichtlinie ist eine diesen Anforderungen genügende Bestimmung nicht zu entnehmen. Zwar zielt die Richtlinie im Interesse eines hohen Gesundheits- und Umweltschutzniveaus auf die Festlegung eines gemeinsamen Konzepts, um schädliche Auswirkungen einschließlich Belästigungen durch Umgebungslärm zu verhindern, ihnen vorzubeugen oder sie zu mindern, und verpflichtet die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck zur Ermittlung der Lärmbelastung anhand von Lärmkarten sowie zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen (vgl. Erwägungsgründe Nr. 1 und 7 und Art. 1 Abs. 1, Art. 7 und 8).
21Die normativen Vorgaben für die Ausgestaltung des Lärmaktionsplans sind jedoch in Bezug auf die Erreichung der von der Richtlinie verfolgten Zielsetzung, die mit dem Gesundheitsschutz auch auf ein Individualrechtsgut gerichtet ist, nicht hinreichend konkret; diese Zielsetzung verdichtet sich nicht zu einem subjektiven Anspruch des Betroffenen.
22Nach Art. 3 Buchst. t der Umgebungslärmrichtlinie ist ein Aktionsplan ein Plan zur Regelung von Lärmproblemen und von Lärmauswirkungen, erforderlichenfalls einschließlich der Lärmminderung. Die inhaltlichen Mindestanforderungen ergeben sich aus Art. 8 Abs. 4 i.V.m. Anhang V der Umgebungslärmrichtlinie. Der in Anhang V Nr. 1 umschriebene zwingende Inhalt eines Lärmaktionsplans belegt zunächst, dass die Umgebungslärmrichtlinie keinen rein maßnahmenbezogenen Ansatz verfolgt. In seinem beschreibenden Teil dient der Lärmaktionsplan der Bestandsaufnahme der Lärmbelastung in der Europäischen Union. Soweit im folgenden normativen Teil die Benennung von bereits vorhandenen oder geplanten Maßnahmen zur Lärmminderung und der Maßnahmen, die die zuständigen Behörden für die nächsten fünf Jahre geplant haben, gefordert wird, fehlt für den näheren Inhalt dieser Maßnahmen, die in Anhang V Nr. 2 lediglich beispielhaft aufgeführt werden, jegliche verbindliche Vorgabe. Sie sind nicht auf ein konkretes Lärmminderungsziel ausgerichtet, das zu einem festgesetzten Stichtag erreicht werden muss, und auf diese Weise Art. 8 Abs. 4 der Umgebungslärmrichtlinie individualrechtsschützenden Charakter für Lärmbetroffene verleihen könnte. So gibt die Umgebungslärmrichtlinie keine Grenz- oder Zielwerte für Lärmbelastungen vor; der Hinweis auf die geltenden Grenzwerte gemäß Art. 5 der Umgebungslärmrichtlinie in Anhang V Nr. 1 4. Spiegelstrich ist insoweit unbeachtlich, als in Art. 5 Abs. 4 lediglich auf mitgliedstaatliche Grenzwerte Bezug genommen wird. Die Umgebungslärmrichtlinie normiert folglich keine konkrete, auf die Erreichung eines festgelegten Ergebnisses bezogene Handlungspflicht. Damit unterscheidet sich die Umgebungslärmrichtlinie schon insoweit grundlegend von den Luftreinhalterichtlinien (Richtlinie 96/62/EG des Rates vom über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität <ABl. L 296, S. 55> und Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Luftqualität und saubere Luft für Europa <ABl. L 152 S. 1>) und der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen - Nitratrichtlinie - (ABl. L 375, S. 1), die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom - C-237/07 - Rn. 39, vom - C-723/17 - Rn. 42 f. und vom - C-197/18 - Rn. 35, 38) den Betroffenen subjektive Rechte vermitteln.
23Eine subjektive Rechtsposition wird dem Betroffenen aber auch dann nicht gewährt, wenn man das Fehlen unionsrechtlicher Grenzwerte wegen des von der Umgebungslärmrichtlinie verfolgten Regelungskonzepts für allein nicht ausschlaggebend ansehen und darauf abstellen wollte, dass das Unionsrecht sich - auch unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsgrundsatzes des Art. 5 EUV - inhaltlich zurücknimmt und sich einer Ergänzung durch das nationale Recht öffnet, indem Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 der Umgebungslärmrichtlinie ausdrücklich auf von den Mitgliedstaaten erlassene Grenzwerte (Art. 3 Buchst. s der Richtlinie) verweist. Auch aus dieser Vorschrift folgt keine hinreichend klare Verpflichtung, auf die sich die Betroffenen berufen könnten.
24Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 der Umgebungslärmrichtlinie sind die in den Plänen genannten Maßnahmen in das Ermessen der zuständigen Behörden gestellt, sollen aber insbesondere auf die Prioritäten eingehen, die sich gegebenenfalls aus der Überschreitung relevanter Grenzwerte oder aufgrund anderer von den Mitgliedstaaten festgelegter Kriterien ergeben. Die hier maßgeblichen Grenzwerte folgen aus § 14 i.V.m. § 2 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - FluglärmG -; sie bestimmen unter Verwertung lärmmedizinischer Erkenntnisse die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle und weisen insoweit den Gesundheitsbezug auf ( 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 180 ff.). Auch bei Überschreitung dieser Werte, von der die Klägerin aufgrund der Lage ihres Wohnhauses betroffen ist, trifft die zuständige Stelle keine strikte Handlungsverpflichtung. Ihr ist weiterhin bei der Wahl der in den Lärmaktionsplan aufzunehmenden Maßnahmen Ermessen, d.h. eine behördliche Gestaltungsfreiheit eröffnet. Eine solche Regelung steht der Annahme einer schutzfähigen Rechtsposition zwar nicht von vornherein entgegen ( - Rn. 72). Das Maß der rechtlichen Steuerung beim Gebrauch des der Behörde zugebilligten Entscheidungsspielraums ist aber so gering, dass ein subjektives Recht auf Überprüfung des normativen Teils des Lärmaktionsplans nicht vermittelt wird. Bei dem hier allein streitigen "Wie", d.h. der Ausgestaltung des Lärmaktionsplans, geht es um eine planerische Abwägung. Sie setzt in Bezug auf mögliche Maßnahmen, bei denen das Ausmaß der Zielerreichung von der Richtlinie nicht vorgegeben ist, zunächst eine Prioritätensetzung voraus, wobei die Kriterien nicht abschließend benannt werden und normative Vorgaben für deren Gewichtung fehlen. Auch wenn sich die Weite möglicher Kriterien bei einer Lärmaktionsplanung, die sich wie hier auf die mit dem Betrieb eines Flughafens zusammenhängende Lärmproblematik beschränkt, verengt, ist letztlich nur die Orientierung am Ziel einer Lärmminderung durch auch langfristig wirkende Maßnahmen im Rahmen eines Managementansatzes vorgegeben. Angesichts dieser nur rudimentären rechtlichen Bindungen für die planerische Bewältigung einer Problemlage, die ein komplexes Interessengeflecht - gegebenenfalls auch im Sinne einer gerechten "Lärmverteilung" - berücksichtigen muss, fehlt es an klaren und präzisen rechtlichen Verpflichtungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die Voraussetzung für einen Individualrechtsschutz sind.
25Eine Klagebefugnis lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus Art. 8 Abs. 7 der Umgebungslärmrichtlinie herleiten. Die dort vorgesehene Möglichkeit der rechtzeitigen und effektiven Mitwirkung an der Ausarbeitung der Pläne eröffnet keinen Anspruch auf Überprüfung des Lärmaktionsplans. Art. 8 Abs. 7 der Umgebungslärmrichtlinie gibt kein konkretes Ziel zum Schutz der unmittelbar Betroffenen vor, zu dessen Erreichung die Pläne aufgestellt oder Maßnahmen ergriffen werden müssen.
26Auch Art. 9 der Umgebungslärmrichtlinie vermittelt keine Klagebefugnis zur Überprüfung der Rechtskonformität des Lärmaktionsplans. Die Pflicht zur proaktiven Information der Öffentlichkeit begründet keine Klagebefugnis für ein Verfahren auf objektive Rechtmäßigkeitskontrolle des Lärmaktionsplans, sondern nur einen Anspruch auf Information.
27Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch kein Fall des Art. 9 Abs. 2 AK vor. Danach müssen Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit unter den dort bestimmten Bedingungen Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren für die von Art. 6 AK umfassten Handlungen haben. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und b AK besteht bei den in Anhang I aufgeführten geplanten Tätigkeiten sowie bei geplanten Tätigkeiten, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, eine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung. Beides ist hier nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom in der Rechtssache C-243/15 (Rn. 56 f.) nicht einschlägig. Dort ging es um ein Projekt, das unter Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie und mithin auch unter Art. 6 Abs. 1 Buchst. b AK fiel.
28Im Hinblick auf die sonstigen Rügen der Revision, insbesondere sei der Planungsspielraum unterschritten oder Vorschläge aus Öffentlichkeitsbeteiligung seien nicht berücksichtigt worden, fehlt es an Vorgaben in der Umgebungslärmrichtlinie. Die Revision macht vielmehr Verstöße gegen deutsches Planungs- und Verwaltungsrecht geltend.
292. Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof die hilfsweise erhobene Feststellungsklage mangels möglicherweise betroffenen subjektiven öffentlichen Rechts als unzulässig angesehen. Hiergegen ist nichts zu erinnern.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:281119U7C2.18.0
Fundstelle(n):
GAAAH-44337