BGH Beschluss v. - 1 StR 91/19

Erneuter Betäubungsmittelhandel nach Entwendung

Gesetze: § 29 Abs 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 22 StGB, § 24 Abs 2 S 1 StGB, § 27 Abs 1 StGB, § 242 StGB

Instanzenzug: LG München I Az: 365 Js 103573/18 - 9 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen vorsätzlichen Besitzes einer verbotenen Waffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

2Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat keinen Bestand.

I.

3Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4Der nicht revidierende Mitangeklagte       M.      lagerte spätestens ab dem in der Putzkammer einer Spielothek ca. 830 Gramm eines Kokaingemischs mit einem Wirkstoffgehalt von 89,4 % Kokainhydrochlorid zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Die Betäubungsmittel wurden am sichergestellt. Der Mitangeklagte        M.       ging irrtümlich davon aus, der Zeuge Ab.       habe das Rauschgift an sich genommen. In der Folgezeit unterstützte der Angeklagte den Mitangeklagten bei dem Versuch, das Kokain von dem Zeugen Ab.       zurückzuerlangen. So ließ er sich am von dem Zeugen das polizeiliche Sicherstellungsprotokoll zeigen, dessen Echtheit der Mitangeklagte        M.       bezweifelte. In der Nacht vom 7. auf den begaben sich der Mitangeklagte        M.       und der Angeklagte zur Wohnung des Zeugen Ab.      , stellten diesen zur Rede und wollten ihn unter Druck setzen, um ihn zur Herausgabe des Rauschgifts zu bewegen. Dabei äußerte der Angeklagte, dass er und M.       „das alles nicht glauben“ und man „eine Lösung finden“ müsse.

5Das Landgericht hat hinsichtlich des Mitangeklagten        M.       ein einheitliches unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen. Diese Haupttat sei trotz polizeilicher Sicherstellung der Betäubungsmittel noch nicht beendet, so dass eine Beihilfe des Angeklagten daran möglich sei.

II.

6Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht.

71. Die Haupttat des Mitangeklagten       M.       , zu der der Angeklagte Hilfe geleistet hat, erweist sich lediglich als versuchtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

8Zwar liegt - wovon auch das Landgericht ausgegangen ist - in dem Lagern der Betäubungsmittel in der Spielothek mit dem Ziel des späteren gewinnbringenden Verkaufs ein vollendetes unerlaubtes Handeltreiben durch den Mitangeklagten       M.       vor. Durch den Umstand, dass dieser davon ausgegangen ist, der Zeuge Ab.       habe das Rauschgift an sich genommen, ist es jedoch zu einer tatbestandsrelevanten Zäsur gekommen, da aus der Sicht des Mitangeklagten ein Verkauf der gegenständlichen Betäubungsmittel nicht mehr möglich war, vielmehr nunmehr zunächst der Besitz an dem Rauschgift wiedererlangt werden musste (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation ). Damit liegt aber nach der Zäsur ein - infolge der Sicherstellung der Betäubungsmittel untauglicher - (erneuter) Versuch des unerlaubten Handeltreibens vor. Für eine vergleichbare Sachverhaltsgestaltung, dass ein Täter sich die von ihm zum Verkauf bestimmten Betäubungsmittel durch Diebstahl beschaffen will, hierzu ansetzt, aber bereits vor Besitzerlangung des Rauschgifts scheitert, ist anerkannt, dass lediglich ein versuchtes Handeltreiben in Betracht kommt (vgl. Rn. 7 f.). Durch den Umstand, dass der Mitangeklagte        M.       davon ausging, der Zeuge habe das tatsächlich sichergestellte Rauschgift an sich genommen, unterscheidet sich die vorliegende Konstellation auch maßgeblich von den Fällen, in denen die Betäubungsmittel sichergestellt wurden, dem Täter dies nicht bekannt ist, er aber sein weiterhin auf Betäubungsmittelumsatz gerichtetes Tun fortsetzt (vgl. dazu Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 285 ff. mwN). Denn hier fehlt es nach der Zäsur an einer entsprechenden, auf Betäubungsmittelumsatz gerichteten Tätigkeit des Mitangeklagten        M.       .

92. Sind damit ein versuchtes Handeltreiben des Mitangeklagten        M.       und eine Beihilfe des Angeklagten zu dieser Haupttat gegeben, wäre weitergehend zu prüfen, ob beide gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB durch einverständliches Nichtweiterhandeln strafbefreiend von dem Versuch des Handeltreibens zurückgetreten sind (vgl. Rn. 8 mwN; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 24 Rn. 40a). Die - bisherigen - Feststellungen ermöglichen eine entsprechende Prüfung eines Rücktritts nicht.

103. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des - tatmehrheitlichen - Schuldspruchs wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Dies entzieht ohne Weiteres der für diesen Fall verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe die Grundlage.

11Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich lediglich um einen Wertungsfehler handelt (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen können getroffen werden, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

III.

12Die Aufhebung ist nicht gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten        M.       zu erstrecken. Zwar liegt bezogen auf dessen Strafbarkeit derselbe Rechtsfehler vor, der sich jedoch nicht auswirken würde, weil es sich bei ihm möglicherweise um eine mitbestrafte Nachtat handelte, durch die im Blick auf dieselbe Handelsmenge kein zusätzliches Tatunrecht verwirklicht wurde. Zudem ist vor dem Hintergrund, dass - vor der Zäsur - ein vollendetes Handeltreiben durch den Mitangeklagten vorliegt und dieser auch nur wegen dieser Straftat verurteilt worden ist, unter den besonderen Umständen des Falls auszuschließen, dass sich die Aufhebungserstreckung zu Gunsten des Mitangeklagten auswirken könnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 564/01 Rn. 5 und vom - 3 StR 112/91 Rn. 6; KK/Gericke, StPO, 8. Aufl., § 357 Rn. 17).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:221019B1STR91.19.0

Fundstelle(n):
GAAAH-43903