BSG Urteil v. - B 8 SO 15/18 R

Sozialgerichtliches Verfahren - Feststellungsklage - Statthaftigkeit - Feststellung der Absicherung im Krankheitsfall - notwendige Beiladung einer gesetzlichen Krankenkasse - Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Hilfe bei Krankheit - Vorrang der Quasiversicherung - Verpflichtung zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung - Kostenersatz wegen sozialwidrigen Verhaltens

Leitsatz

1. Kommt ein Empfänger von Leistungen der Grundsicherung im Alter seiner Verpflichtung nicht nach, eine private Krankheitskostenversicherung abzuschließen, ist eine gesetzliche Krankenkasse seiner Wahl zur Erbringung von Behandlungsleistungen im Rahmen einer der Hilfe bei Krankheit vorrangigen Quasiversicherung verpflichtet.

2. Solange keine Behandlungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden, besteht unabhängig vom Risiko einer Erkrankung ein Interesse an der Feststellung einer vom Sozialhilfeträger bestrittenen Absicherung im Krankheitsfall.

Gesetze: § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, § 75 Abs 2 Alt 1 SGG, § 41 SGB 12, §§ 41ff SGB 12, § 48 S 1 SGB 12, § 48 S 2 SGB 12, § 2 Abs 1 SGB 12, § 103 Abs 1 S 1 SGB 12, § 264 Abs 2 S 1 SGB 5, § 193 Abs 3 S 1 VVG 2008

Instanzenzug: Az: S 21 SO 607/14 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 9 SO 124/16 Urteil

Tatbestand

1Im Streit ist die Frage, ob die Klägerin im Fall ihrer Erkrankung Anspruch auf Hilfe bei Krankheit nach dem Fünften Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) hat, obwohl sie ihrer Verpflichtung aus § 193 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), für sich bei einem privaten Versicherungsunternehmen eine Krankheitskostenversicherung im sog Basistarif abzuschließen, nicht nachkommt.

2Die 1934 geborene, verheiratete Klägerin war langjährig selbständig tätig und bis Mitte der 1990er-Jahre bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen krankenversichert; seither ist sie nicht krankenversichert. Sie bezieht eine Rente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund (im April 2014 in Höhe von 547,15 Euro). Die Beklagte gewährte ihr und ihrem Ehemann für die Zeit vom bis zum ergänzend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (im Hinblick auf noch durchzusetzende Schadensersatzansprüche gegen Aufwendungsersatz) und forderte die Klägerin zugleich auf, einen Krankenversicherungsvertrag im Basistarif bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen auf Grundlage von § 193 Abs 3 VVG abzuschließen (Bescheid vom ); für Juli 2014 bewilligte sie Grundsicherungsleistungen als Darlehen (Bescheid vom ). In der Folge wies sie die Klägerin darauf hin, dass der Abschluss eines Vertrags im Basistarif für die Weitergewährung von Grundsicherungsleistungen unabdingbar sei, bewilligte nur noch dem Ehemann Grundsicherungsleistungen und lehnte Ansprüche der Klägerin unter Hinweis auf § 2 SGB XII ab (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).

3Das Sozialgericht (SG) Köln hat den Bescheid vom und den Widerspruchsbescheid vom aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom bis zum verurteilt. Den Antrag der Klägerin festzustellen, "dass die Beklagte auf Basis des derzeit geltenden Rechts nicht berechtigt sei, sie im Fall eines Leistungsfalls gemäß den §§ 48 ff SGB XII statt ihrer Leistungen auf den Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages zu verweisen", hat es als unbegründet abgewiesen (Urteil vom ). Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom ). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Feststellungsklage sei unzulässig. Es liege kein ausreichend konkretes Rechtsverhältnis vor, weil sich die Klägerin nach eigenen Angaben in guter gesundheitlicher Verfassung befinde. Wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage sei die Klägerin damit darauf zu verweisen, im Fall ihrer Erkrankung zunächst einen Antrag auf Leistungen nach § 48 Satz 1 SGB XII zu stellen und sodann Anfechtungs- und Leistungsklage zu erheben.

4Mit ihrer Revision macht die Klägerin einen Verfahrensmangel geltend. Die Feststellungsklage sei entgegen der Auffassung des LSG zulässig. Sie sei auch begründet. Sie dürfe nicht auf Grundlage von § 2 Abs 1 SGB XII auf den Abschluss eines privatrechtlichen Vertrags verwiesen werden. Bei § 2 Abs 1 SGB XII handele es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Grundsatz um keine eigenständige Ausschlussnorm. Um ein ohne Weiteres realisierbares "Mittel zur Selbsthilfe" handele es sich angesichts der Höhe der Altersbezüge und dem Entstehen erheblicher Schuldverpflichtungen durch die Prämienzahlung wegen des verspäteten Abschlusses nicht.

5Die Klägerin beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Köln vom zu ändern und festzustellen, dass die Beklagte ihr im Leistungsfall Leistungen der Hilfe bei Krankheit zu gewähren hat.

6Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

7Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Gründe

8Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Zutreffend rügt die Klägerin zwar, dass das LSG die Feststellungsklage nicht als unzulässig hätte abweisen dürfen; im Ergebnis erweist sich die Entscheidung des LSG aber als richtig. Der begehrten Feststellung steht entgegen, dass die Krankenbehandlung der Klägerin, solange sie laufend Grundsicherungsleistungen erhält und soweit sie nicht anderweitig gesetzlich oder privat versichert ist, von einer gesetzlichen Krankenkasse ihrer Wahl im Rahmen der sog Quasiversicherung nach § 264 Abs 2 bis 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) übernommen wird. Hilfe bei Krankheit scheidet demgegenüber wegen des in § 48 Satz 2 SGB XII normierten Nachrangs aus.

9Die Feststellungsklage ist entgegen der Auffassung des LSG zulässig. Nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn konkrete Rechte in Anspruch genommen bzw vom beklagten Träger bestritten werden. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Klägerin ist auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) zumindest seit Mitte 2014 und absehbar auch weiterhin hilfebedürftig iS des § 19 Abs 2 und Abs 3 SGB XII. Aus diesem Sachverhalt der Hilfebedürftigkeit, der der Beklagten bekannt geworden ist, ergibt sich ein umfassendes Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten (vgl § 18 Abs 1 Satz 1 SGB XII). Die Klägerin macht vorliegend das Bestehen eines einzelnen Rechts aus diesem Rechtsverhältnis gegen den hierfür (nach den bindenden Feststellungen des LSG) örtlich und sachlich zuständigen Sozialhilfeträger geltend, nämlich auf Hilfe bei Krankheit nach dem SGB XII. Zwar zeigt sich die Auswirkung des behaupteten Rechts erst in der Zukunft im Fall einer Erkrankung. Dies allein macht eine Feststellungsklage aber nicht unzulässig (vgl nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 RdNr 8a mwN), solange ein Feststellungsinteresse besteht.

10Ein Feststellungsinteresse kann nicht mit der Begründung verneint werden, die (über 80jährige) Klägerin sei derzeit gesund. Die Frage nach der Absicherung im Krankheitsfall als Teil der Existenzsicherung (dazu nur Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 135; - BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1, RdNr 33 mwN) muss schon wegen der damit verbundenen Kosten unabhängig vom Vorliegen einer Erkrankung geklärt werden können, zumal sich das Risiko einer Erkrankung in jedem Alter unvorhersehbar verwirklichen kann. Auch die Säumnis der Klägerin, in Ausübung ihres Wahlrechts nach § 264 Abs 2 iVm Abs 3 Satz 1 SGB V eine Erklärung gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse abzugeben, führt hier nicht zum Fortfall des Feststellungsinteresses, gerichtet auf Ansprüche nach § 48 SGB XII. Unabhängig davon, welche Auswirkungen dieses Recht materiell-rechtlich auf den vorliegenden Streit hat (im Einzelnen später), geht die Beklagte davon aus, dass auch eine solche Berechtigung, die sich aus dem Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ableitet und für die sie im Ergebnis (über die Pflicht zur Erstattung der Aufwendungen gegenüber der Krankenkasse) aufzukommen hat, nicht besteht. Damit liegt ein Bedürfnis der Klärung der von der Klägerin aufgeworfenen Frage nach ihrer Absicherung im Krankheitsfall auch unter diesem Gesichtspunkt vor. Erst wenn anlässlich einer Inanspruchnahme von Behandlungen die damit zusammenhängenden Rechtsfragen zu klären wären, würde das Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage entfallen. Dies ist nach den Feststellungen des LSG und dem Vortrag der Klägerin in der Revisionsinstanz aber bislang nicht der Fall gewesen.

11Andere Verfahrensmängel, die einer Sachentscheidung entgegenstehen, liegen nicht vor. Insbesondere war eine gesetzliche Krankenkasse nicht notwendig beizuladen. Nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG sind Dritte zu einem Rechtsstreit beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (sog echte notwendige Beiladung). Aus der vorliegend begehrten Feststellung eines Anspruchs auf Hilfe zur Gesundheit ergeben sich aber keine unmittelbaren Rechtswirkungen für die Frage einer nach § 264 Abs 2 SGB V durch das Gesetz eintretenden "Quasiversicherung". Auch wenn die von der Klägerin begehrte Feststellung einer Leistungsverpflichtung nach § 48 SGB XII im Ergebnis ausscheidet, weil mit § 264 Abs 2 SGB V ein vorrangiger Weg der Absicherung im Krankheitsfall zur Verfügung steht (im Einzelnen sogleich), gestaltet diese Entscheidung des Gerichts - anders als für die echte notwendige Beiladung erforderlich - nicht zugleich die eigenen Rechte einer Krankenkasse. Die "Feststellung einer Quasiversicherung" steht gerade nicht im Raum, sondern es können sich aus der Entscheidung lediglich Folgewirkungen auf ein solches Rechtsverhältnis ergeben, die für eine notwendige Beiladung aber nicht ausreichen (ähnlich - SozR 4-2500 § 5 Nr 27 RdNr 23 ff zur fehlenden Notwendigkeit der Beiladung eines Sozialhilfeträgers zu einem Rechtsstreit, in dem die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V zu prüfen war).

12Die Klage ist aber unbegründet. Eine Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin bei Fortbestehen von Hilfebedürftigkeit im Fall einer Erkrankung Leistungen bei Krankheit zu gewähren, besteht nicht. Nach § 19 Abs 3 iVm § 48 Satz 1 SGB XII werden Leistungsberechtigten Leistungen der Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel des SGB V erbracht, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Diesen Leistungen (die hier dem Grunde nach bei Fortdauer der Hilfebedürftigkeit in Betracht kommen) gehen die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 Abs 2 SGB V aber vor (vgl § 48 Satz 2 SGB XII).

13So liegt der Fall hier. Die Klägerin unterfällt - was auch die Beklagte einräumt - dem in § 264 Abs 2 SGB V genannten Personenkreis. Sie steht laufend (über einen Monat hinaus) im Bezug von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII und ist nicht versichert. Der Senat hat bereits entschieden, dass nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 264 Abs 2 Satz 1 SGB V in die Quasiversicherung wegen einer fehlenden Versicherung Personen einbezogen sind, wenn sie weder in der gesetzlichen noch der privaten Krankenversicherung versichert sind ( - BSGE 116, 71 = SozR 4-2500 § 264 Nr 5, RdNr 29); allein die Berechtigung zum Abschluss einer anderen Versicherung schließt die Quasiversicherung nicht aus (im Einzelnen später). § 264 Abs 2 SGB V verpflichtet die Krankenkasse schließlich zur Erbringung der Behandlungsleistungen ua an den Kreis der nicht versicherten Empfänger von Grundsicherungsleistungen, ohne dass ihr oder dem Träger der Sozialhilfe eine eigene Regelungskompetenz über den Eintritt der "Quasiversicherung" zusteht (zur fehlenden Regelungskompetenz des Trägers der Sozialhilfe gegenüber dem Leistungsberechtigten bereits - BSGE 116, 71 = SozR 4-2500 § 264 Nr 5, RdNr 18); einer konstituierenden Erklärung ("Anmeldung") der Beklagten gegenüber einer Krankenkasse bedarf es nicht. Insoweit erklärt lediglich der Hilfeempfänger der Krankenkasse gegenüber (einmalig für die Dauer des Leistungsbezugs), dass er diese Kasse wählt; es handelt sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die entgegen der verbreiteten Praxis der Sozialhilfeträger und der Krankenkassen allein gegenüber der Krankenkasse zu erfolgen hat ( - SozR 4-2500 § 264 Nr 7 RdNr 9).

14Bislang hat die Klägerin ihre Rechte aus § 264 Abs 2 SGB V gegenüber einer Krankenkasse wegen der fehlerhaften Hinweise der Beklagten im laufenden Verwaltungs- und Klageverfahren zwar nicht durchgesetzt. Da die begehrten Behandlungsleistungen von der Krankenkasse von Gesetzes wegen zu erbringen sind, besteht aber kein Anhaltspunkt dafür, dass sich eine von der Klägerin gewählte Krankenkasse nicht gesetzeskonform verhalten wird und die Behandlung und die damit verbundene Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte ablehnt. Erst in einem solchen Fall käme eine (ggf übergangsweise) Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zu Leistungen auf Grundlage des § 48 Satz 1 SGB XII in Betracht (vgl Bieritz-Harder, ZFSH/SGB 2012, 514, 518).

15Ein Nachrang einer Krankenbehandlung über die Quasiversicherung nach § 264 Abs 2 SGB V (wie auch der Hilfe bei Krankheit) gegenüber einer Absicherung durch Abschluss eines Vertrags bei einem privaten Versicherungsunternehmen iS von § 2 Abs 1 SGB XII besteht nicht, unabhängig davon, dass die über eine Quasiversicherung erbrachte Krankenbehandlung nach der Rechtsprechung des Senats keine Leistung des Sozialhilfeträgers nach dem SGB XII ist (vgl - BSGE 116, 71 = SozR 4-2500 § 264 Nr 5, RdNr 17; anders dagegen - SozR 4-2500 § 264 Nr 6 RdNr 12). Es handelt sich bei § 2 Abs 1 SGB XII, auf den die Beklagte sich insoweit bezieht, regelmäßig nicht um eine eigenständige Ausschlussnorm; vielmehr lässt sich mit § 2 Abs 1 SGB XII lediglich im Zusammenhang mit ergänzenden bzw konkretisierenden Vorschriften des SGB XII ein Leistungsanspruch ausschließen. Der Abschluss des Vertrags nach § 193 Abs 3 Satz 1 VVG unterliegt (seitens des Versicherten) aber im Grundsatz der Vertragsfreiheit (zum Kontrahierungszwang des Versicherers, der an Art 12 Abs 1 Grundgesetz <GG> zu messen ist, vgl - BVerfGE 123, 186 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8, RdNr 161 ff). Zwar bleibt der Empfänger von Grundsicherungsleistungen (mit Wohnsitz im Inland) grundsätzlich auch bei Absicherung über § 264 Abs 2 SGB V verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen eine Krankheitskostenversicherung in einem dort näher bestimmten Mindestumfang für sich abzuschließen und aufrecht zu erhalten; denn eine Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) iS des § 193 Abs 3 Satz 2 VVG vermittelt § 264 Abs 2 SGB V nicht (im Einzelnen - SozR 4-2500 § 264 Nr 7 RdNr 18). Die Verstöße gegen die auferlegte Pflicht zur Absicherung sanktioniert der Gesetzgeber aber ausschließlich durch Prämienzuschläge nach § 193 Abs 4 VVG (vgl zu deren Begründung und der Möglichkeit einer Stundung zuletzt BT-Drucks 17/13947 S 30), nicht dagegen durch einen Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung bzw nach § 48 Satz 1 SGB XII oder dem Ausschluss einer Krankenbehandlung nach § 264 Abs 2 SGB V. Über Einkommen und Vermögen, aus dem die Klägerin die Aufwendungen aus einem Vertrag nach § 193 Abs 3 Satz 1 VVG selbst hätte aufbringen können, verfügte sie jedenfalls ab Mitte 2014 ohnehin nicht.

16Der Verstoß gegen die Pflicht zum Abschluss eines Vertrags nach § 193 Abs 3 Satz 1 VVG kann im Grundsatz allerdings ein sozialwidriges Verhalten iS des § 103 Abs 1 Satz 1 SGB XII darstellen, das zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, die Kosten für eine Krankenbehandlung selbst aufzubringen (ähnlich bereits Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> vom - 5 C 22/99 - BVerwGE 109, 331). Der Gesetzgeber verfolgt mit der Möglichkeit der Versicherung im Basistarif das Ziel, allen Bürgern der Bundesrepublik Deutschland einen bezahlbaren Krankenversicherungsschutz in der gesetzlichen oder in der privaten Krankenversicherung zu sichern. Es ist dabei ein legitimes Konzept, die für die Abdeckung der dadurch entstehenden Aufwendungen notwendigen Mittel auf der Grundlage einer Pflichtversicherung auch durch private Versicherungsunternehmen sicherzustellen (vgl - BVerfGE 123, 186 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8, RdNr 171) und - als vom Bürger hinzunehmende sozialpolitische Entscheidung - diesem Weg der Absicherung gegenüber der Quasiversicherung bzw den Hilfen zur Gesundheit den Vorzug zu geben. Ob und wie sich Kosten der "Sozialhilfe" im Fall einer Absicherung über eine Quasiversicherung bestimmen lassen, die nach der Rechtsprechung des Senats nur in einem auftragsähnlichen Rechtsverhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Krankenkasse ihre Begründung finden ( - BSGE 116, 71 = SozR 4-2500 § 264 Nr 5, RdNr 24; anders dagegen - SozR 4-2500 § 264 Nr 6 RdNr 12), braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Ohnehin sind irgendwelche Kosten bei der Beklagten, die zu erstatten wären, nach dem Vortrag der Beteiligten bislang nicht entstanden. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob die Beklagte mit ihrem bisherigen Verhalten ausreichend deutlich gemacht hat, dass sie im Fall des Abschlusses eines privaten Krankenversicherungsvertrags die Beiträge auf Grundlage von § 32 SGB XII übernimmt, was die Frage nach dem Verschulden der Klägerin iS des § 103 Abs 1 Satz 1 SGB XII maßgeblich beeinflussen dürfte. Mit der Auffassung, die Gewährung von Leistungen nach dem Vierten Kapitel überhaupt vom Nachweis eines Krankenversicherungsschutzes abhängig machen zu dürfen, hat die Beklagte es zunächst jedenfalls selbst verhindert, dass die Klägerin zügig (unter Nachweis ihrer Bedürftigkeit) einen Vertrag zu den für Leistungsberechtigte nach dem Vierten Kapitel geltenden Konditionen (vgl nunmehr § 152 Abs 4 Versicherungsaufsichtsgesetz <VAG>) abschließt, dessen laufende Kosten sie im Ergebnis dann nicht selbst zu tragen hat. Ebenso wenig braucht entschieden zu werden, ob die Verpflichtung zur Zahlung eines Prämienzuschlags in der hier in Rede stehenden Höhe und vor dem Hintergrund der dargestellten Besonderheiten des Einzelfalls trotz der Möglichkeit der Stundung (vgl § 193 Abs 4 Satz 6 VVG) einen Sachverhalt darstellt, der eine Härte iS des § 103 Abs 1 Satz 3 SGB XII bedeuten kann.

17Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2019:050919UB8SO1518R0

Fundstelle(n):
VAAAH-43253