Bindungswirkung des Revisionsurteils - Würdigung neuer Indizien nach Zurückverweisung - Indizwirkung des festgestellten Jahresabschlusses
Leitsatz
1. NV: Hat das FG bei der freien Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens ein rechtlich erhebliches Indiz übersehen, hebt der BFH das Urteil wegen Verfahrensmangels schon dann auf, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das FG bei Berücksichtigung des Indizes anders entschieden hätte.
2. NV: Die Zurückverweisung der Sache an das FG schließt ein, dass sich das FG auf der Grundlage des unter Umständen im zweiten Rechtsgang erweiterten Gesamtergebnisses des Verfahrens erneut eine abschließende Überzeugung zu bilden hat. Dabei darf es das im ersten Rechtsgang nicht erkannte Indiz unter Beachtung seiner indiziellen Wirkung selbst würdigen.
3. NV: Die Indizwirkung des festgestellten Jahresabschlusses für das Vorliegen der in ihm zugrunde gelegten Rechtsverhältnisse zwischen den Gesellschaftern und im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
4. NV: An den (indiziellen) Nachweis eines steuerlich beachtlichen Treuhandverhältnisses sind strenge Anforderungen zu stellen.
Gesetze: AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2; FGO § 96 Abs. 1 Satz 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3; FGO § 126 Abs. 5; EStG § 17 Abs. 1, Abs. 2;
Instanzenzug:
Tatbestand
I.
1 Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im ersten Rechtsgang (Urteil vom - IX R 13/15, BFH/NV 2016, 1556) das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen. Das FG habe die indizielle Bedeutung des (festgestellten) Jahresabschlusses der P-GmbH selektiv gehandhabt und sich dadurch verfahrensfehlerhaft widersprüchlich verhalten. Das FG müsse außerdem noch feststellen, ob die Gesellschafter den (geänderten) Jahresabschluss festgestellt hatten.
2 Das FG hat im zweiten Rechtsgang u.a. ausgeführt, es sei aufgrund weiterer tatsächlicher Feststellungen davon überzeugt, dass der geänderte Jahresabschluss von allen Gesellschaftern zumindest formlos beschlossen worden sei. Daraus ergebe sich jedoch nicht zwingend der Schluss auf das von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) behauptete Treuhandverhältnis seit dem . Bei Würdigung sämtlicher Umstände sei es nicht davon überzeugt, dass der Kläger vor dem über die Aktien verfügen konnte.
Gründe
II.
3 Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) liegen nicht vor.
4 1. Ohne Erfolg rügen die Kläger die Verletzung der Bindungswirkung i.S. von § 126 Abs. 5 FGO. Sie erstreckt sich zumindest auf die tragenden Erwägungen des BFH-Urteils.
5 a) Als widersprüchlich und verfahrensfehlerhaft hat es der Senat in tragender Weise erachtet, dass das FG dem (geänderten) Jahresabschluss der P-GmbH für den Abschluss und die tatsächliche Durchführung des von den Klägern behaupteten Treuhandverhältnisses im ersten Rechtsgang keine Aussagekraft beigemessen hat, obwohl es dem Jahresabschluss im Übrigen indizielle Bedeutung zugemessen hat. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass die im Jahresabschluss der P-GmbH geänderte Bewertung (Wert der I-Aktien per ) ein Indiz für den von den Klägern behaupteten Sachverhalt (Forderungsverzicht am und Begründung eines Treuhandverhältnisses an diesem Tag) sein könne, falls der Jahresabschluss beschlossen war. Der Senat hat dem FG indes nicht bindend vorgegeben, wie es dieses Indiz abschließend zu würdigen hat. Die Zurückverweisung an das FG impliziert, dass sich das FG auf der Grundlage des u.U. im zweiten Rechtsgang erweiterten Gesamtergebnisses des Verfahrens erneut eine abschließende Überzeugung zu bilden hatte (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Ein Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des Urteils, wenn es auf ihm beruhen kann. Das kann u.U. schon dann der Fall sein, wenn das FG im Rahmen einer Gesamtwürdigung (nur) ein rechtlich beachtliches Indiz übersehen hat, sofern nicht ausgeschlossen werden kann, dass das FG bei Berücksichtigung dieses (zusätzlichen) Indizes anders hätte entscheiden können.
6 b) Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Senats hat ein von den Gesellschaftern bestätigter Jahresabschluss für das Steuerrecht zumindest indizielle Bedeutung, soweit es um Rechtsverhältnisse unter den Gesellschaftern oder im Verhältnis zur Gesellschaft geht (vgl. zuletzt , BFHE 265, 333). Dabei kann die indizielle Wirkung unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Dies hängt auch davon ab, wie eindeutig die abgebildeten Rechtsverhältnisse im (festgestellten) Jahresabschluss der Gesellschaft zum Ausdruck gekommen sind. Bei einer in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter bedarf es tragfähiger Feststellungen, um den Ausweis in Zweifel zu ziehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 265, 333). Geht es —wie hier— um die indizielle Feststellung eines Treuhandverhältnisses, an dessen Feststellung nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zudem strenge Anforderungen zu stellen sind, liegen die Dinge anders. Zum einen handelte es sich um einen geänderten Jahresabschluss. Dem ist zwar nicht per se jede Indizwirkung abzusprechen. Das FG durfte in diesem Zusammenhang aber würdigen, ob mit der Änderung lediglich ein Fehler korrigiert werden sollte – oder ob damit (auch) andere Motive verfolgt worden sind. Dabei durfte es auch berücksichtigen, dass sich durch die Änderung bei der GmbH (wie im Streitfall) eine steuerliche Auswirkung nicht ergab. Zu weit ginge es allerdings, dem geänderten Jahresabschluss deshalb keine indizielle Bedeutung zuzumessen, weil das Treuhandverhältnis nicht in der Bilanz der GmbH, sondern nur in der GuV abgebildet worden ist. Dies war auch dem BFH bewusst. In vertretbarer Weise hat das FG jedoch angenommen, dass auch die geänderte Bewertung im Jahresabschluss der P-GmbH einen sicheren Schluss auf einen Forderungsverzicht des Klägers und die Begründung eines Treuhandverhältnisses an diesem Tag nicht zuließen, zumal keine anderen Umstände festgestellt werden konnten, die den Sachvortrag des Klägers stützen.
7 c) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem BFH-Urteil im ersten Rechtsgang. Zwar hat der Senat in diesem Zusammenhang u.a. wörtlich ausgeführt: „Wäre insofern davon auszugehen, dass die Kläger rechtsverbindlich bereits am auf ihre Forderungen gegen die P-GmbH verzichtet hätten, läge die Annahme nahe, dass sie die Aktien ebenfalls an diesem Tag von der P-GmbH erworben haben.“ Unabhängig davon, ob und ggf. welche Bindungswirkung dieser Aussage zukommt, setzt sich das FG schon deshalb nicht darüber hinweg, weil es nicht davon ausgegangen ist, dass der Kläger am auf seine Forderung verzichtet hatte. Es hat vielmehr ausgeführt, dass Rückschlüsse auf den Zeitpunkt des Verzichts nicht gezogen werden könnten. Der Senat hat in dem zitierten Satz aber lediglich einen Zusammenhang hergestellt zwischen dem (festgestellten) Forderungsverzicht und dem Erwerb der Aktien am selben Tag. Er hat indes gerade nicht (bindend) vorgegeben, dass der Forderungsverzicht am erklärt worden sei.
8 2. Die behauptete Divergenz besteht nicht. Das FG hat dem geänderten Jahresabschluss im zweiten Rechtsgang nicht etwa „keine Bedeutung“, sondern es hat ihm unter Abwägung sämtlicher Umstände letztlich nicht die ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Die Entscheidung beruht insoweit auf den Besonderheiten des Einzelfalls, was eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte und eine Abweichung im Grundsätzlichen jeweils ausschließt.
9 3. Die gerügte Gehörsverletzung liegt ebenfalls nicht vor. Das FG hat zur Kenntnis genommen und erwogen, dass vergleichbare Sachverhalte bei anderen Gesellschaftern abweichend (in dem auch vom Kläger intendierten Sinne) gewürdigt worden sind. Es hat jedoch zutreffend darauf abgehoben, dass sich daraus keine Bindungswirkung für die Behandlung im vorliegenden Fall ergibt.
10 4. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft die angefochtene Entscheidung nicht mehr auf.
11 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2019:B.091219.IXB12.19.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 376 Nr. 4
KoR 2020 S. 250 Nr. 5
FAAAH-43199