BGH Beschluss v. - IX ZB 55/18

Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nur durch Insolvenzgläubiger mit angemeldeter Forderung zur Insolvenztabelle

Leitsatz

Den Antrag, die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn sich nach dem Schlusstermin herausstellt, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 InsO vorgelegen hat, können nur Insolvenzgläubiger stellen, die sich durch Anmeldung ihrer Forderung am Insolvenzverfahren beteiligt haben.

Gesetze: § 290 Abs 1 InsO, § 297a Abs 1 InsO

Instanzenzug: Az: 84 T 60/18vorgehend Az: 36a IN 3102/15

Gründe

I.

1Über das Vermögen des A.       (fortan: Schuldner) wurde auf Eigenantrag vom am das (Regel-)Insolvenzverfahren eröffnet. Der Schuldner beantragte die Erteilung der Restschuldbefreiung. In dem eingereichten Gläubigerverzeichnis führte er die S.            (im Folgenden: Beteiligte) nicht als Gläubigerin auf. Diese meldete auch keine Forderung zur Insolvenztabelle an. Nach Durchführung des Schlusstermins am wurde das Insolvenzverfahren am aufgehoben. Mit Schreiben vom beantragte die Beteiligte, dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach §§ 297a, 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO zu versagen. Zur Begründung führte sie aus, sie habe gegen den Schuldner offene Steuerforderungen aus dem Jahr 2010 in Höhe von rund 2.400 € einschließlich der bisher angefallenen Säumniszuschläge. Von diesen Forderungen habe der Schuldner bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewusst. Er habe auf Antrag der Beteiligten am die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO abgegeben. Im Insolvenzverfahren habe er die Beteiligte als Gläubigerin vorsätzlich, mindestens aber grob fahrlässig verschwiegen. Sie - die Beteiligte - habe vom Insolvenzverfahren erst im Juni 2017 erfahren.

2Das Insolvenzgericht hat den Antrag der Beteiligten zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte ihren Versagungsantrag weiter.

II.

3Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.

41. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Beteiligte sei nicht berechtigt, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nach § 297a InsO zu stellen. Antragsberechtigt seien nur Insolvenzgläubiger, die eine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hätten.

52. Diese Ansicht trifft zu. Den Antrag, die Restschuldbefreiung nach § 297a InsO zu versagen, wenn sich nach dem Schlusstermin herausstellt, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 InsO vorgelegen hat, können nur Insolvenzgläubiger stellen, die sich durch Anmeldung ihrer Forderung am Insolvenzverfahren beteiligt haben.

6a) Die Vorschrift des § 297a InsO ist durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom (BGBl. I S. 2379) mit Wirkung vom in die Insolvenzordnung eingefügt worden. Sie ist hier anwendbar, weil das Insolvenzverfahren nach dem beantragt worden ist (Art. 103h Satz 1 EGInsO). Nach dem Wortlaut der Norm kann der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung nur von einem Insolvenzgläubiger gestellt werden. Insolvenzgläubiger sind alle persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). Eine Anmeldung des Anspruchs zur Insolvenztabelle setzt der Begriff des Insolvenzgläubigers grundsätzlich nicht voraus.

7b) Bevor das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte in Kraft trat, konnte die Restschuldbefreiung unter den Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 InsO versagt werden, wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt wurde (§ 290 Abs. 1 InsO). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (, NZI 2015, 132 Rn. 7 mwN) stand dieses Antragsrecht nur Insolvenzgläubigern zu, die ihre Forderung im Verfahren angemeldet hatten und sich dadurch am Insolvenzverfahren beteiligten. Entsprechendes galt für Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung wegen eines Verstoßes gegen Obliegenheiten in der Wohlverhaltensphase nach §§ 296, 297 InsO und für Anträge auf Widerruf der Restschuldbefreiung nach § 303 InsO; das im Gesetz vorgesehene Antragsrecht der Insolvenzgläubiger wurde auch hier auf Gläubiger beschränkt, die ihre Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet hatten (, ZInsO 2009, 52 Rn. 2 mwN; vom , aaO Rn. 9).

8c) Durch das Gesetz vom wurden die Gläubigerrechte insoweit gestärkt, als Versagungsanträge nun auch schon vor dem Schlusstermin gestellt werden können (§ 290 Abs. 1 und 2 InsO nF) und - wenn sich erst nach dem Schlusstermin herausstellt, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 InsO vorgelegen hat, - auch noch nach diesem Zeitpunkt (§ 297a InsO). Antragsberechtigt sind nach der Neuregelung in § 290 Abs. 1 InsO Insolvenzgläubiger, die ihre Forderung angemeldet haben. Damit soll nach der Begründung des Gesetzentwurfs die Rechtsprechung nachgezeichnet werden, die nur diesen Insolvenzgläubigern ein Antragsrecht zubilligt (BT-Drucks. 17/11268, S. 26). Von einer entsprechenden Ergänzung wurde bei den weiteren bereits bestehenden Versagungs- und Widerrufsnormen (§§ 296, 297, 303 InsO) ebenso abgesehen wie bei der Neuregelung in § 297a InsO. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird jedoch ausgeführt, die Einschränkung des Antragsrechts auf Insolvenzgläubiger, die Forderungen im Verfahren angemeldet haben, gelte ohne ausdrückliche Regelung über die Grundnorm des § 290 InsO hinaus auch für die anderen Anträge auf Versagung oder Widerruf der Restschuldbefreiung (BT-Drucks. 17/11268, aaO).

9d) Im Blick auf diese Entstehungsgeschichte wird im Schrifttum nahezu einhellig vertreten, dass ein Versagungsantrag nach § 297a InsO nur von Insolvenzgläubigern gestellt werden kann, die eine Forderung angemeldet haben (Ahrens, Aktuelles Privatinsolvenzrecht, 3. Aufl., Rn. 975 f; ders., NZI 2013, 721, 722; ders. in FK-InsO, 9. Aufl., § 297a Rn. 16; MünchKomm-InsO/Stephan, 4. Aufl., § 297a Rn. 14; Uhlenbruck/Sternal, InsO, 15. Aufl., § 297a Rn. 5 f; HK-InsO/Waltenberger, 9. Aufl., § 297a Rn. 5; Schmidt/Henning, InsO, 19. Aufl., § 297a Rn. 2; HmbKomm-InsO/Streck, 7. Aufl., § 297a Rn. 2; Graf-Schlicker/Kexel, InsO, 5. Aufl., § 297a Rn. 4; AGR/Weinland, InsO, 3. Aufl., § 297a Rn. 2; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2019, § 297a Rn. 2; BK-InsO/Ley, 2014, § 297a Rn. 2; BeckOK-InsO/Riedel, 2019, § 297a Rn. 2; Frind, Praxishandbuch Privatinsolvenz, 2. Aufl., Rn. 876; Schmidt/Montag, Privatinsolvenzrecht, § 297a InsO Rn. 4; Schmerbach/Semmelbeck, NZI 2014, 547, 550; Laroche/Siebert, NZI 2014, 541, 544 f; Jenal/Schüssler, KSI 2014, 16, 17 f; nicht eindeutig a.A., aber von der Rechtsbeschwerde als Gegenmeinung bezeichnet: Nerlich/Römermann, InsO, 2015, § 297a Rn. 4; Braun/Pehl, InsO, 8. Aufl., § 297a Rn. 1 und 4).

10e) Die Rechtsbeschwerde tritt dem unter Berufung auf eine Entscheidung des 68g IK 757/15, juris) entgegen. Sie meint, die Rechtsprechung, die der Gesetzgeber nach seinem erklärten Willen habe umsetzen wollen, verlange nicht die Auslegung, dass nur solche Insolvenzgläubiger einen Versagungsantrag nach § 297a InsO stellen könnten, die eine Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet haben. Grundlage dieser Rechtsprechung sei gewesen, dass nach alter Rechtslage der Schlusstermin für Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO eine Zäsur gebildet habe und dass bis zu diesem Zeitpunkt auch Forderungsanmeldungen möglich gewesen seien. Wenn die Berechtigung, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen, an eine Forderungsanmeldung geknüpft worden sei, sei dies letztlich nur ein Reflex auf die Zäsur des Schlusstermins gewesen. Durch die Neuregelung in § 297a InsO sei diese strikte Zäsurwirkung aufgehoben worden. Der Versagungsantrag könne nun noch zu einer Zeit gestellt werden, da eine Forderungsanmeldung nicht mehr möglich sei. Es sei unter Wertungsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt, in diesem Zeitraum einem Tabellengläubiger mehr Rechte einzuräumen als einem Gläubiger, der eine unterlassene Forderungsanmeldung nun nicht mehr nachholen könne.

11f) Diese Einwände greifen nicht durch. Ausschlaggebend dafür, dass nach altem Recht nur Insolvenzgläubiger, die eine Forderung zur Tabelle angemeldet hatten, als berechtigt angesehen wurden, die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen, war nicht die Zäsurwirkung des Schlusstermins. Entscheidend war vielmehr die Überlegung, dass ein Versagungsantrag als Verfahrensrecht denjenigen Gläubigern vorbehalten sein sollte, die sich am Insolvenzverfahren durch Anmeldung ihrer Forderung beteiligten (, NZI 2015, 132 Rn. 9; vgl. FK-InsO/Ahrens, 9. Aufl., § 290 Rn. 218; ders., NZI 2013, 721, 722; Jaeger/Henckel, InsO, § 38 Rn. 18). Aus diesem Grund wurden auch Versagungsanträge nach §§ 296, 297 InsO, die nach dem Schlusstermin gestellt werden konnten, dem Erfordernis einer Forderungsanmeldung unterstellt, obschon eine solche zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war (, NZI 2005, 399, 400; vom - IX ZB 16/08, ZInsO 2009, 52 Rn. 2; vom , aaO). Der Wille des Gesetzgebers, auch nach neuem Recht nur Tabellengläubigern Versagungsanträge zu gestatten, korrespondiert daher sowohl mit den Aussagen als auch mit den Beweggründen der Rechtsprechung zum früheren Recht (vgl. Graf-Schlicker/Kexel, InsO, 5. Aufl., § 297a Rn. 4).

12g) Insolvenzgläubiger, die wie die Beteiligte in dem vom Schuldner eingereichten Gläubigerverzeichnis nicht aufgeführt wurden, sind damit nicht schutzlos. Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können sie aufgrund der öffentlichen Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses erlangen, die als Nachweis der Zustellung an alle Beteiligten gilt (§§ 28, 30 Abs. 1, § 9 Abs. 3 InsO; vgl. , NZI 2009, 66 Rn. 10). Erfahren sie hiervon erst zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Forderungsanmeldung nicht mehr möglich ist, können sie versuchen, einen anderen Gläubiger, der seine Forderung rechtzeitig angemeldet hat, dazu zu bewegen, die Versagung der Restschuldbefreiung zu beantragen (vgl. , NZI 2015, 132 Rn. 11). Gelingt dies nicht, bleibt die Möglichkeit, den Schuldner bei Vorliegen der Voraussetzungen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen (vgl. dazu aaO Rn. 2; vom , aaO Rn. 11; vom , aaO Rn. 9, 11; OLG Saarbrücken, NZI 2015, 712 mit Anm. Ahrens, NZI 2015, 687; Ahrens, NZI 2013, 721, 725 ff; Uhlenbruck/Sternal, InsO, 15. Aufl., § 297a Rn. 6) .

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:130220UIXZB55.18.0

Fundstelle(n):
DStR 2020 S. 14 Nr. 13
NJW 2020 S. 9 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 11/2020 S. 752
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2020 S. 692
WM 2020 S. 468 Nr. 10
ZIP 2020 S. 17 Nr. 9
ZIP 2020 S. 681 Nr. 14
EAAAH-43049