BVerwG Urteil v. - 3 C 22/17

Betriebsprämie; Zuordnung von Flächen zu einem Betrieb

Leitsatz

Eine landwirtschaftliche Fläche, die ein Landwirt gepachtet hat, bleibt auch nach Beendigung des Pachtverhältnisses Fläche seines Betriebs im Sinne von Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003, wenn er weiter die unmittelbare Sachherrschaft innehat und die Fläche landwirtschaftlich nutzt.

Gesetze: Art 2 Buchst b EGV 1782/2003, Art 2 Buchst c EGV 1782/2003, Art 36 Abs 1 EGV 1782/2003, Art 44 Abs 1 EGV 1782/2003, Art 44 Abs 2 EGV 1782/2003, Art 44 Abs 3 EGV 1782/2003, Art 2 Buchst a EGV 795/2004, Art 2 Buchst j EGV 795/2004, Art 2 Abs 1 EGV 796/2004, Art 2 Abs 2 EGV 796/2004, Art 30 Abs 2 EGV 796/2004, § 858 BGB, § 859 BGB, § 861 BGB

Instanzenzug: Sächsisches Oberverwaltungsgericht Az: 1 A 147/15 Urteilvorgehend VG Dresden Az: 4 K 50/12 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin begehrt eine weitere Betriebsprämie für das Wirtschaftsjahr 2006.

2Sie ist ein Landwirtschaftsunternehmen und beantragte mit ihrem Sammelantrag auf Direktzahlungen und Agrarförderung 2006 die Betriebsprämie. In ihrem Flächenverzeichnis gab sie landwirtschaftliche Flächen in der Größe von 508,55 ha an. Im Zuge der Verwaltungskontrolle wurde festgestellt, dass Flächen in der Größe von 43,08 ha zugleich von einem anderen Landwirtschaftsunternehmen beantragt worden waren. Hintergrund dieser Doppelbeantragung war, dass verschiedene Flächen, die die Klägerin gepachtet hatte, nach umstrittenen Kündigungen der Pachtverträge an dieses Unternehmen neu verpachtet worden waren. Nach Aufhebung des ursprünglichen Bescheides und Neuberechnung durch Bescheid vom blieben im Widerspruchsverfahren zuletzt noch Flächen in der Größe von 6,45 ha streitig. Der Beklagte wies insoweit den Widerspruch mit Bescheid vom zurück. Fördervoraussetzung sei ein Recht zur Flächennutzung. Die Klägerin habe für die noch streitigen Flächen kein Nutzungsrecht nachweisen können. Aufgrund Urteils des Oberlandesgerichts Dresden stehe fest, dass die Pachtverträge der Klägerin für 5,98 ha der streitigen Flächen gekündigt worden seien und sie zur Herausgabe verpflichtet gewesen sei. Die übrige 0,47 ha große Fläche sei nur bis zum an die Klägerin verpachtet gewesen, eine weitergehende Nutzungsberechtigung habe sie nicht nachgewiesen. Für die verbleibende Übererklärung verhängte der Beklagte die sich daraus ergebende Kürzung in Höhe der doppelten Differenz zwischen beantragter und ermittelter Fläche.

3Die dagegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil geändert und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin die begehrte weitere Betriebsprämie zu gewähren. Es stehe außer Streit, dass es sich bei den noch streitigen Flächen um landwirtschaftliche Flächen handele, die die Klägerin in dem hier maßgeblichen Zeitraum vom bis zum Anbau von Winterroggen beziehungsweise als Wiesen bewirtschaftet habe. Daraus ergebe sich die Zugehörigkeit der Flächen zum Betrieb der Klägerin. Dieser Zuordnung stehe nicht entgegen, dass der Verpächter das Pachtverhältnis zum gekündigt habe und sich die Kündigung im Nachhinein durch das im August 2010 verkündete Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Dresden als wirksam herausgestellt habe. Die flächenbezogene Beihilfe knüpfe an die tatsächliche Bewirtschaftung an. Die Befugnis zur Bewirtschaftung werde letztlich vorausgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs genüge die Befugnis, die Flächen zu verwalten. Dafür reiche aus, dass der Landwirt über eine gewisse Selbstständigkeit und hinreichende Entscheidungsbefugnis zur Ausübung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit verfüge. Das sei hier unstreitig der Fall gewesen, denn die Klägerin sei auch nach Beendigung der Pachtverhältnisse als unmittelbare Besitzerin in der Lage gewesen, über die Bewirtschaftung der Flächen zu entscheiden. Den Besitz habe sie sich nicht angemaßt, sondern aufgrund des schwebenden Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung weiter innegehabt.

4Hiergegen richtet sich die von dem Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Beklagten. Er macht geltend, das Urteil sei mit Unionsrecht nicht vereinbar. Als Fördervoraussetzung müsse geprüft werden, ob eine Befugnis zur Nutzung der Flächen gegeben sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gehöre eine Fläche dann zum Betrieb eines Landwirts, wenn dieser befugt sei, sie für Zwecke einer landwirtschaftlichen Tätigkeit zu verwalten. Vorgaben zur Art des Rechtsverhältnisses bestünden zwar nicht, der Begriff der Befugnis impliziere aber ein Rechtsverhältnis. Der Besitz stelle kein Rechtsverhältnis dar, denn er besage nichts über den Rechtsgrund. Eine Befugnis lasse sich nicht schon darin sehen, dass ein Betriebsinhaber bei der Ausübung seiner Tätigkeit auf der Fläche tatsächlich über eine hinreichende Selbstständigkeit verfüge. Das betreffe nur den Umfang der erforderlichen Verwaltung. In den Fällen einer Doppelbeantragung bestehe ein greifbares Bedürfnis, eine rechtliche Befugnis zu fordern. Das sei auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt. Werde allein auf die tatsächliche Nutzung abgestellt, könne dies zu offenen Nutzungskonflikten führen ("Pflugkrieg"). Mit dem angefochtenen Urteil werde ein Anreiz geschaffen, eine Fläche nach Beendigung der Pacht nicht herauszugeben. Das sei nicht im Sinne des Unionsrechts.

5Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Für die Zuordnung der Flächen zum Betrieb sei die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit entscheidend, was der Europäische Gerichtshof bestätigt habe. Ein mit Unionsrecht unvereinbarer Anreiz werde damit nicht gesetzt. Denn im Falle einer widerrechtlichen Nutzung müsse der Nutzer Schadensersatzansprüche gewärtigen. Es sei zudem nicht Aufgabe der Bewilligungsbehörde, das Bestehen eines Pachtverhältnisses zu beurteilen.

6Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und trägt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vor, ein Recht zum Besitz sei keine Fördervoraussetzung, maßgeblich sei grundsätzlich die tatsächliche Bewirtschaftung. Nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschrift folge die Zuordnung einer Fläche zu einem Betrieb der Nutzung; er lasse genügen, dass die Fläche diesem zur Verfügung stehe. Dem folgend fordere das Verwaltungs- und Kontrollsystem keine Angaben über ein Besitzrecht und diesbezügliche Nachweise. Das entspreche dem Ziel, diejenigen zu fördern, die die Flächen bewirtschaften und damit entsprechende Ausgaben und Risiken tragen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sei die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum Besitzerin und als solche gemäß §§ 861 f. BGB in ihrem Besitz geschützt gewesen. Dem Eigentümer oder sonst Berechtigten sei es verwehrt, seinen Herausgabeanspruch ohne gerichtliche Hilfe eigenmächtig durchzusetzen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs genüge, dass der jeweilige Landwirt über die Fläche tatsächlich mit hinreichender Selbstständigkeit bei der Ausübung seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit verfüge. Die Fläche müsse nicht aufgrund eines Pachtvertrags oder eines ähnlichen Geschäfts zur Verfügung stehen. Soweit der Gerichtshof von einer "Befugnis zu verwalten" spreche, sei dies im Sinne der englischen Fassung ("power to manage") weit zu verstehen und umfasse die rein tatsächliche Möglichkeit. Zur Frage der zehnmonatigen Nutzungsdauer stelle der Gerichtshof ebenso darauf ab, dass die Fläche nicht von einem Dritten genutzt worden sein dürfe. Im Zusammenhang mit der für die Rinderprämie erforderlichen Futterfläche habe der Gerichtshof in vergleichbarer Weise entschieden, dass sich die Verfügbarkeit aus der tatsächlichen Nutzung ergeben könne. Auch die Europäische Kommission habe sich wiederholt auf den Standpunkt gestellt, es komme darauf an, wem eine Fläche de facto zur Verfügung stehe. Würde ein Recht zum Besitz vorausgesetzt, könnten zivilrechtliche Konflikte in das Bewilligungsverfahren getragen werden, womit erhebliche Nachteile für den bewirtschaftenden Betrieb verbunden seien. Auch würde der mit der Kontrolle verbundene Aufwand das intendiert vereinfachte Antragsverfahren und die Bewilligung der Direktzahlungen übermäßig verkomplizieren und hinauszögern, zumal es nicht Sache der Bewilligungsstellen sei, über zivilrechtliche Konflikte zu entscheiden.

Gründe

7Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil steht in Einklang mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die noch in Rede stehenden 6,45 ha großen Flächen im Wirtschaftsjahr 2006 Flächen des Betriebs der Klägerin waren. Eine landwirtschaftliche Fläche, die ein Landwirt gepachtet hat, bleibt auch nach Beendigung des Pachtverhältnisses Fläche seines Betriebs im Sinne von Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003, wenn er - wie hier die Klägerin - weiter die unmittelbare Sachherrschaft innehat und die Fläche landwirtschaftlich nutzt. Die Klägerin hat daher über den bewilligten Betrag hinaus Anspruch auf eine weitere Betriebsprämie für diese Flächen und für ihre übrigen Flächen im Umfang der insoweit nicht gerechtfertigten Kürzung.

81. Rechtsgrundlage der hier in Rede stehenden Betriebsprämie ist die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 (ABl. L 270 S. 1, mit Berichtigung in ABl. 2004, L 94 S. 70), in der für das Wirtschaftsjahr 2006 geltenden Fassung.

9Gemäß Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 werden Betriebsprämien auf der Grundlage von Zahlungsansprüchen für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächen gezahlt. Jeder Zahlungsanspruch gibt zusammen mit je einem Hektar beihilfefähiger Fläche Anspruch auf Zahlung des mit dem Zahlungsanspruch festgesetzten Betrags (Art. 44 Abs. 1 VO <EG> Nr. 1782/2003). Dabei ist "beihilfefähige Fläche" jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, die als Ackerland oder Dauergrünland genutzt wird, ausgenommen die für Dauerkulturen, Wälder oder nicht landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten Flächen (Art. 44 Abs. 2 VO <EG> Nr. 1782/2003).

102. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist unstreitig, dass es sich bei den in Rede stehenden Flächen um "landwirtschaftliche Flächen" handelt, weil sie tatsächlich als Acker- beziehungsweise Dauergrünland genutzt wurden (zur Legaldefinition vgl. Art. 2 Buchst. a VO <EG> Nr. 795/2004 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung <EG> Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe <ABl. L 141 S. 1> i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und 2 VO <EG> Nr. 796/2004 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung <EG> Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe <ABl. L 141 S. 18> in der Fassung der Verordnung <EG> Nr. 239/2005 der Kommission vom zur Änderung und Berichtigung der Verordnung <EG> Nr. 796/2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung <EG> Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe <ABl. L 42 S. 3>). Ebenfalls unstreitig festgestellt ist, dass die Flächen allein von der Klägerin genutzt wurden. Sie hat auf den Flächen für sich und damit im eigenen Namen und auf eigene Rechnung eine landwirtschaftliche Tätigkeit (vgl. Art. 2 Buchst. c VO <EG> Nr. 1782/2003) ausgeübt, was Voraussetzung für die Aktivierung von Zahlungsansprüchen und damit die Betriebsprämie ist ( [ECLI:EU:C:2010:606], Landkreis Bad Dürkheim - Rn. 69). Ein Betriebsprämienanspruch des Landwirtschaftsunternehmens, das neben der Klägerin für dieselben Flächen eine Betriebsprämie beantragt hat, scheidet vor diesem Hintergrund aus.

113. Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob die Flächen dem Betrieb der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 2006 zuzuordnen sind, es sich also um "Flächen des Betriebs" im Sinne von Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 gehandelt hat.

12a) Die Voraussetzungen für die Zuordnung einer Fläche zum Betrieb sind mit dem Wortlaut inhaltlich nicht weiter umschrieben. Allerdings ist der Begriff des "Betriebs" gesetzlich definiert als die Gesamtheit der vom Betriebsinhaber verwalteten Produktionseinheiten, die sich im Gebiet desselben Mitgliedstaates befinden (Art. 2 Buchst. b VO <EG> Nr. 1782/2003). Einem Betrieb konstitutiv zugeordnet sind damit die von ihm verwalteten (en: managed; fr: gérées) Produktionseinheiten, wozu Flächen gehören (vgl. Art. 2 Buchst. j VO <EG> Nr. 795/2004). Ferner müssen die für die Betriebsprämie angemeldeten Flächen dem Betriebsinhaber für einen Zeitraum von mindestens zehn Monaten "zur Verfügung" stehen (Art. 44 Abs. 3 Satz 2 VO <EG> Nr. 1782/2003).

13Der Europäische Gerichtshof hat auf der Grundlage dieser systematischen Zusammenhänge die Voraussetzungen der Zuordnung näher bestimmt. In der Rechtssache Landkreis Bad Dürkheim hat er zum Begriff der "vom Betriebsinhaber verwalteten Produktionseinheiten" und der dafür erforderlichen Verfügungsgewalt entschieden, dass es genüge, wenn der Betriebsinhaber hinsichtlich der Flächen bei der Ausübung seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit über eine hinreichende Selbstständigkeit verfüge, er mithin in der Lage sei, die Flächen mit der gebotenen Selbstständigkeit zu nutzen (, Landkreis Bad Dürkheim - Rn. 59 bis 65). Eine der tatsächlichen Verfügungsgewalt zugrunde liegende rechtliche Nutzungsbefugnis gegenüber dem Eigentümer der Flächen aus einem wirksamen Pachtvertrag oder einem ähnlichen Rechtsverhältnis hat er nicht gefordert.

14b) In diesem Sinne hat der Europäische Gerichtshof auch in der Rechtssache Pontini u.a. geurteilt. Zur Bestimmung einer innerbetrieblichen Futterfläche, die für die Rinderprämien während eines Kalenderjahres als "Betriebsfläche" "zur Verfügung" stehen muss, hat er das Unionsrecht dahin ausgelegt, dass es auf die tatsächliche Futterkapazität ankomme und ein Nachweis einer Berechtigung zur Nutzung der Flächen nicht gefordert sei ( [ECLI:EU:C:2010:365], Pontini u.a. - Rn. 57 ff., 66; zu den Ursprüngen der Flächenverfügbarkeit vgl. Busse, AuR 2017, 370 <372>). Dem lag ein Betriebsbegriff zugrunde, der einen Betrieb als Gesamtheit der in demselben Mitgliedstaat ansässigen und von einem Erzeuger geleiteten (en: managed; fr: gérées) Produktionseinheiten definierte und damit - soweit hier bedeutsam - gleich definiert war (vgl. Art. 3 VO <EG> Nr. 1254/1999 des Rates vom über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch <ABl. L 160 S. 21>). Zur Begründung verwies der Gerichtshof darauf, die Betriebsdefinition und der Verweis auf die zur Verfügung stehende Betriebsfläche erlaubten nicht den Schluss, dass ein Berechtigungsnachweis vorgelegt werden müsse. Zudem verwies er auf die Regelung zur Flächenbestimmung, für die die tatsächlich genutzte Fläche maßgeblich sei (Art. 22 Abs. 2 VO <EG> Nr. 2419/2001 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung <EWG> Nr. 3508/92 des Rates eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen <ABl. L 327 S. 11>). Letzterem entspricht für die Betriebsprämie der in Rede stehende Art. 30 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004.

15Die Parallelität von Wortlaut und Systematik der Regelungen sowie der Umstand, dass die Betriebsprämienregelung aus den genannten produktbezogenen Beihilferegelungen entwickelt wurde, legen nahe, die Entscheidung in der Rechtssache Pontini u.a. auf das hier in Rede stehende Betriebsprämienrecht zu übertragen und verstärken die vorstehend genannten Aussagen des Gerichtshofs in der Rechtssache Landkreis Bad Dürkheim. Aus dem Systemwechsel von den produktbezogenen Beihilfen zu der von der konkreten Produktion entkoppelten Betriebsprämie lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Sowohl bei den produktbezogenen Beihilfen wie auch bei der Betriebsprämie handelt es sich um Einkommensstützungsregelungen (vgl. Erwägungsgründe 1 und 21 VO <EG> Nr. 1782/2003 und Erwägungsgrund 2 VO <EG> Nr. 1254/1999), die unter anderem über die Zuordnung von Flächen zum Betrieb begrenzt werden.

16c) Allerdings weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Landkreis Bad Dürkheim zur Zuordnung einer Fläche zu einem Betrieb eingangs formuliert, sie gehöre zum Betrieb eines Landwirts, wenn dieser "befugt" sei, sie zum Zwecke der Ausübung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit zu verwalten (, Landkreis Bad Dürkheim - Rn. 58). In seinen weiteren Ausführungen ist der Gerichtshof auf eine Befugnis jedoch nicht zurückgekommen und hat zusammenfassend festgestellt, dass ein Betrieb im Sinne von Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 aus Ackerland und Dauergrünland bestehe, das vom Betriebsinhaber mit einer gewissen Selbstständigkeit für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird ( a.a.O. Rn. 68). Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in der englischen Sprachfassung des Urteils von "the power to manage" die Rede ist ( a.a.O. Rn. 58). Dem entspricht in der Arbeitssprache des Gerichts die Wendung "dispose du pouvoir de la gérer". Beide Formulierungen zwingen nicht zu der Annahme, der Gerichtshof setzte eine rechtliche Befugnis voraus, womit sich zugleich das Spannungsverhältnis zu den weiteren vertiefenden Ausführungen des Gerichtshofs auflöst. Dem entsprechend hat der Europäische Gerichtshof in nachfolgenden Urteilen die Voraussetzungen der Zuordnung von Flächen im Sinne von Art. 44 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 dahingehend zusammengefasst, dass eine Fläche zum Betrieb gehöre, "wenn der Betriebsinhaber befugt ist, die Fläche zum Zwecke der Ausübung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit zu verwalten, das heißt, wenn er hinsichtlich dieser Fläche über eine hinreichende Selbständigkeit bei der Ausübung seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit verfügt" ( [ECLI:EU:C:2015:439], Demmer - Rn. 58 und - zur Folgevorschrift der Verordnung <EG> Nr. 73/2009 - Urteil vom - C-422/13 [ECLI:EU:C:2015:438], Wree - Rn. 44). Vertragliche Vereinbarungen können gegebenenfalls die Nutzung von Flächen tatsächlich einschränken (vgl. , Demmer - Rn. 59), reichen andererseits aber nicht ohne weiteres aus, die Frage nach der tatsächlichen Nutzung zu beantworten (, Wree - Rn. 43). Ferner hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Landkreis Bad Dürkheim, in der die Nutzung vertraglich geregelt war, ausgeführt, dass es auf die Art des Rechtsverhältnisses, auf dessen Grundlage eine Fläche genutzt werde, nicht ankomme. Im Übrigen verwies er die Zuordnung in die Verantwortung der nationalen Gerichte, die diese anhand aller Umstände des Falles zu prüfen hätten (, Landkreis Bad Dürkheim - Rn. 51, 54, 62, 69).

17d) Auf der Grundlage dieser Auslegung von Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 durch den Europäischen Gerichtshof ist nicht zweifelhaft, dass die hier streitigen Flächen dem Betrieb der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 2006 zuzuordnen waren, so dass es einer Vorlage gemäß Art. 267 AEUV nicht bedarf (vgl. [ECLI:EU:C:1982:335], C.I.L.F.I.T. - Rn. 21).

18In tatsächlicher Hinsicht ist unstreitig, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum die unmittelbare Sachherrschaft über die streitigen Flächen innehatte und damit in der Lage war, diese - wie geschehen - landwirtschaftlich zu nutzen. Auch die rechtlichen Verhältnisse bestätigen hier die Zuordnung der Flächen zum Betrieb der Klägerin. Die Nutzung vollzog sich - ungeachtet des Nachweises beziehungsweise Fortbestehens eines Pachtverhältnisses - im rechtlichen Rahmen des mit der unmittelbaren Sachherrschaft einhergehenden Besitzes, der im Zuge der Pacht der Klägerin überlassen worden war. Mit den Worten des Oberverwaltungsgerichts hat sich die Klägerin den Besitz nicht angemaßt, diesen mithin nicht durch verbotene Eigenmacht erlangt (§ 858 BGB). Soweit sie gegenüber den Eigentümern nach Beendigung der Pachtverhältnisse nicht mehr zum Besitz berechtigt war, war sie gleichwohl im Fortbestand des Besitzes geschützt und damit auch rechtlich in der Lage, die Flächen weiter zu nutzen. Als unmittelbare Besitzerin war sie durch Einräumung eines Gewaltrechts (§ 859 BGB) und durch die Besitzschutzansprüche der §§ 861 ff. BGB gegenüber der Allgemeinheit und auch im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gegenüber den Eigentümern und anderweitig Berechtigten geschützt. Entsprechend war sie in der Lage, Dritte von einer konkurrierenden Nutzung auszuschließen (vgl. [ECLI:EU:C:2010:265], Landkreis Bad Dürkheim - Rn. 58). Die Flächen wurden nicht von einem Dritten genutzt und konnten deshalb auch nicht dem Betrieb eines anderen Landwirts zugeordnet werden (vgl. , Landkreis Bad Dürkheim - Rn. 66). Der Schutz des Besitzes nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs endet nicht vor Aufgabe oder Verlust des Besitzes, etwa durch Vollstreckung eines Herausgabetitels. Das war im maßgeblichen Zeitraum ersichtlich nicht der Fall, nachdem das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden erst nach dem hier maßgeblichen Zeitraum rechtskräftig wurde.

19e) Die weiteren Argumente des Beklagten stellen dieses Ergebnis nicht in Frage. Es mag zwar zutreffen, dass die im Falle eines gekündigten Pachtverhältnisses fortbestehende Zuordnung von Pachtflächen ebenso wie die allgemeine Möglichkeit, Flächen weiter zu nutzen, ein gewisser Anreiz dafür sein kann, diese pflichtwidrig nicht herauszugeben. Das ist jedoch Folge des Besitzschutzes, der im Interesse des Rechtsfriedens den Eigentümer oder sonst Berechtigten auf den Rechtsweg verweist und auf diese Weise einem "Pflugkrieg" entgegenwirkt. Zudem muss der unberechtigte Besitzer Sekundäransprüche aus dem früheren Vertragsverhältnis beziehungsweise dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gewärtigen. Dem Unionsrecht ist eine gegenläufige Wertung nicht zu entnehmen.

20Schließlich hat der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Agrarförderung im Interesse einer effizienten Massenverwaltung in einem einfachen Antragsverfahren bewältigt werden soll und es - zumindest in aller Regel - nicht Aufgabe der für die Agrarförderung zuständigen Stellen ist, zivilrechtliche Konflikte zwischen dem Eigentümer und dem Nutzer einer landwirtschaftlichen Fläche oder zwischen verschiedenen Nutzern zu entscheiden, zumal diese auf dem Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen werden können.

21f) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus nationalen Bestimmungen zur Umsetzung des Agrarförderrechts. Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache Pontini u.a. zwar anerkannt, dass den Mitgliedstaaten im Rahmen des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems ein Gestaltungsspielraum zukommt. Im Interesse der Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten kann unter Beachtung bestimmter Grenzen eine nationale Regelung zulässig sein, auf deren Grundlage der Nachweis einer Nutzungsberechtigung verlangt wird (, Pontini u.a. - Rn. 75 ff.). Eine derartige nationale Regelung besteht jedoch nicht.

22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:051219U3C22.17.0

Fundstelle(n):
VAAAH-42900