Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Vorliegen höchstrichterlicher Rechtsprechung - erneute Klärungsbedürftigkeit – Darlegung
Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Instanzenzug: Az: S 44 KR 775/14 Gerichtsbescheidvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 4 KR 147/17 Urteil
Gründe
1I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Beitragserhebung zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung auf die Kapitalauszahlung einer Direktversicherung.
2Der 1948 geborene Kläger ist seit bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) kranken- und bei der beigeladenen Pflegekasse pflegeversichert. Zum zahlte die A. Lebensversicherung einen kapitalisierten Versorgungsbezug in Höhe von 63 257,73 Euro an den Kläger. Die Beklagte berücksichtigte - auch im Namen der beigeladenen Pflegekasse - bei der Beitragsbemessung zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab dem für einen Zeitraum von zehn Jahren monatlich 1/120 der ausgezahlten Kapitalleistung und wies den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers zurück (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ).
3Das SG München hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom ). Das Bayerische LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom ). Die an den Kläger ausgezahlte Kapitalleistung unterliege der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung, da es sich um eine der Rente vergleichbare Einnahme (Versorgungsbezug) iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V handele. Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers habe einen Versicherungsvertrag zu Gunsten des Klägers bei einem in Deutschland zugelassenen Versicherer abgeschlossen und sei während der gesamten Vertragslaufzeit Versicherungsnehmer gewesen. Mit Beginn der Altersteilzeit des Klägers ab sei die Versicherung beitragsfrei geführt worden; vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers sei eine Aussetzung der Beitragszahlungen aber nicht möglich gewesen. Deshalb habe die Versicherung der Altersversorgung gedient. Es handele sich um eine Direktversicherung, die nach § 1 iVm § 1b Abs 2 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) ausschließlich als Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung definiert und daher institutionell vom Betriebsrentenrecht erfasst sei. Die der Beitragsbemessung nicht regelmäßig wiederkehrender Leistungen zugrunde liegende Vorschrift des § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V unterliege nach der Rechtsprechung des BVerfG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
4II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
5Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzulegen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt ( - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
6Der Kläger hat schon keine klare Rechtsfrage zu einer bestimmten bundesrechtlichen Norm formuliert. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160a RdNr 97). Aber selbst wenn eine Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt.
7Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Eine erneute Klärungsbedürftigkeit kann zwar - wie in der Beschwerdebegründung ausgeführt - entstehen, wenn es anderweitige geäußerte Auffassungen durch Veröffentlichungen in der Fachliteratur gibt; für die Darlegung einer erneuten Klärungsbedürftigkeit von höchstrichterlich bereits grundsätzlich entschiedenen Rechtsfragen müssen aber in Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG völlig neue, noch nicht erwogene Gesichtspunkte vorgetragen werden, mit denen im Schrifttum oder in der Rechtsprechung den ergangenen BSG-Entscheidungen substanziell widersprochen worden ist ( - juris RdNr 11; B 10 ÜG 7/18 B - juris RdNr 8). Unzureichend ist es, nur Stimmen im Schrifttum anzuführen, die vor Ergehen der Rechtsprechung veröffentlicht worden sind, oder die Entscheidung des Senats nur zu kritisieren und selbst eine andere Auffassung zu vertreten (vgl - juris RdNr 7; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 14g).
8Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht hinreichend gerecht, weil sie sich lediglich auf eine einzige Gegenstimme in der Literatur beruft. Angesichts der inzwischen ständigen Rechtsprechung zu diesem Themenfeld einschließlich mehrerer Entscheidungen des BVerfG begründet eine vereinzelt gebliebene Gegenauffassung regelmäßig noch keine erneute Klärungsbedürftigkeit ( - juris RdNr 9; vgl hierzu auch - NJW-RR 2010, 1047).
9Darüber hinaus ist diese Gegenauffassung - nach den Ausführungen in der Beschwerdebegründung - in zwei Aufsätzen aus 2011 und 2012 (NZS 2011, 801; NZS 2012, 281) veröffentlicht, während sich die darin kritisierte Rechtsprechung des BSG auch danach noch weiter verstetigt hat, zuletzt in zwei Entscheidungen vom (BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 24 und 25; davor aber auch noch zB in einem Urteil vom , KrV 2019, 24 = SGb 2018, 760). Auch das BVerfG hat noch im Beschluss vom (1 BvL 2/18 - juris RdNr 19) auf seine vorherigen Entscheidungen zur Verfassungsmäßigkeit der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge auch im Hinblick auf eine alleinige Beitragszahlung durch den Bezieher der Versorgungsleistung aus dem Nettoarbeitsentgelt verwiesen. Vor diesem Hintergrund fehlt es an Darlegungen dazu, dass die vom Kläger zitierte Gegenansicht völlig neue, in der kritisierten Rechtsprechung des BSG nicht mit abgewogene Gesichtspunkte enthalte.
10Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
11Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2020:210120BB12KR6419B0
Fundstelle(n):
HAAAH-42747