BGH Beschluss v. - 2 StR 397/19

Adhäsionsverfahren: Feststellungsanspruch auf Schmerzensgeldzahlung hinsichtlich wahrscheinlich entstehender weiterer Schäden

Gesetze: § 406 Abs 1 S 3 StPO

Instanzenzug: LG Stralsund Az: 23 KLs 1/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat das Landgericht den Angeklagten dazu verurteilt, an die Nebenklägerinnen U.    V.     und F.       A.    ein Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 8.000 Euro und an die Nebenklägerin A.   A.    ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem (Nebenklägerin U.    V.    ) bzw. seit dem (Nebenklägerinnen A.   und F.       A.    ) zu zahlen. Es hat festgestellt, dass die Ansprüche der Nebenklägerinnen jeweils aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrühren, und dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Nebenklägerinnen sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aufgrund der abgeurteilten Taten entstehen werden, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.

2Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel ist im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen die strafrechtliche Verurteilung richtet. Hinsichtlich der Aussprüche im Adhäsionsverfahren führt es zu den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderungen.

31. Der Ausspruch über die Verpflichtung des Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes nebst Zinsen an die Adhäsionsklägerinnen ist rechtlich im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Jedoch ist der Zeitpunkt des Zinsbeginns dahin zu ändern, dass die Verpflichtung des Angeklagten zur Zinszahlung, soweit es die Nebenklägerinnen A.   und F.       A.    betrifft, nicht am , dem Tag des Eingangs der Antragsschriften bei Gericht, sondern am beginnt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Verpflichtung zur Zinszahlung gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1, § 187 Abs. 1 BGB analog erst ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag (, NStZ-RR 2019, 96 m. Anm. Dehne-Niemann; Senat, Beschlüsse vom - 2 StR 79/19, juris Rn. 3, und vom - 2 StR 190/19, juris Rn. 2, jeweils mwN).

42. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet der Ausspruch über die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, allen drei Nebenklägerinnen sämtliche immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus den abgeurteilten Taten zukünftig entstehen, soweit nicht Ansprüche auf Dritte übergegangen sind.

5a) Dieser Ausspruch ist wegen Fehlens einer auf den Einzelfall bezogenen Begründung rechtsfehlerhaft.

6aa) Auch der Feststellungsausspruch bedarf grundsätzlich einer - gegebenenfalls kurzen - Begründung mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls (vgl. Senat, Beschlüsse vom - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344 und vom - 2 StR 79/19, juris Rn. 6), soweit sich der Ausspruch nicht ohne Weiteres aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erklärt. Daran fehlt es hier.

7bb) Anders als hinsichtlich künftiger materieller Schäden ist weder dem Feststellungsausspruch noch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen, dass künftig immaterielle Schäden, die nicht bereits von dem Ausspruch über die Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung der Schmerzensgeldbeträge umfasst sind, wahrscheinlich entstehen werden.

8Verlangt der Geschädigte für erlittene Verletzungen ein Schmerzensgeld, so werden nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes davon alle Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden können (st. Rspr.; , NJW-RR 2018, 1426, 1427 mwN; Senat, Beschluss vom - 2 StR 79/19, juris Rn. 10). Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit anderer als bereits bei der Bemessung der Schmerzensgelder in den Blick genommener zukünftiger immaterieller Schäden enthalten die Urteilsgründe nicht.

9b) Der Feststellungsausspruch ist daher aufzuheben. Danach ist auszusprechen, dass von einer Entscheidung über den geltend gemachten Feststellungsanspruch abzusehen ist (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO). Eine Zurückverweisung der Sache nur zur teilweisen Erneuerung des Adhäsionsverfahrens scheidet aus (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 106/87, BGHR StPO § 405 Feststellungsmangel 1; , BeckRS 2012, 1453).

103. Die Kostenentscheidung folgt, soweit die Revision zum Adhäsionsausspruch Erfolg hat, aus § 472a Abs. 2 StPO, im Übrigen aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:221019B2STR397.19.0

Fundstelle(n):
WAAAH-41783