Online-Nachricht - Donnerstag, 06.02.2020

Umsatzsteuer | Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern (BFH)

Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es entgegen bisheriger Rechtsprechung nicht als Unternehmer tätig. Ist eine Gutschrift nicht über eine Leistung eines Unternehmers ausgestellt, steht sie einer Rechnung nicht gleich und kann keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG begründen (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger war leitender Angestellter der S-AG und zugleich Aufsichtsratsmitglied der E-AG, deren Alleingesellschafter die S-AG war. Nach der Satzung der E-AG erhielt jedes Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine jährliche Festvergütung von 20.000 € oder einen zeitanteiligen Anteil hiervon. Der Kläger wandte sich gegen die Annahme, dass er als Mitglied des Aufsichtsrats Unternehmer sei und in dieser Eigenschaft umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringe. Einspruch und Klage zum Finanzgericht hatten keinen Erfolg.

Demgegenüber gab der BFH der Klage statt:

  • Er begründete dies mit der Rechtsprechung des EuGH zur MwStSystRL, die bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sei.

  • Nach der EuGH-Rechtsprechung übe das Mitglied eines Aufsichtsrats unter bestimmten Voraussetzungen keine selbständige Tätigkeit aus. Maßgeblich ist, dass das Aufsichtsratsmitglied für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und dabei auch kein wirtschaftliche Risiko trägt.

  • Letzteres ergab sich in dem vom EuGH entschiedenen Einzelfall daraus, dass das Aufsichtsratsmitglied eine feste Vergütung erhielt, die weder von der Teilnahme an Sitzung noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig war.

  • Dem hat sich der BFH in seinem neuen Urteil unter Aufgabe bisheriger Rechtsprechung für den Fall angeschlossen, dass das Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine Festvergütung erhält.

  • Ausdrücklich offengelassen hat der BFH, ob für den Fall, dass das Aufsichtsratsmitglied eine variable Vergütung erhält, an der Unternehmereigenschaft entsprechend bisheriger Rechtsprechung festzuhalten ist.

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner , Richter im V. Senat des BFH:

Das Besprechungsurteil stellt eine Änderung der Rechtsprechung dar. Der BFH ist bisher ohne weitergehende Differenzierung davon ausgegangen, dass Mitglieder von Aufsichtsräten als Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG tätig seien (, BStBl II 1972, 810; v. - V R 68/78, BStBl II 1987, 42; v. - V R 32/08, BStBl II 2010, 88).

Das hat sich nach dem nicht mehr aufrechterhalten lassen. Denn der EuGH hat darin entschieden, dass ein Mitglied des Aufsichtsrats einer Stiftung, das weder in eigenem Namen noch für eigene Rechnung oder in eigener Verantwortung tätig wird und auch keinerlei wirtschaftliches Risiko trägt, kein Steuerpflichtiger i.S.d. Art. 9 und 10 MwStSystRL ist.

Der BFH "…schließt sich dem unter Einschränkung seiner bisherigen Rechtsprechung für den Fall an, dass das Mitglied des Aufsichtsrats kein wirtschaftliches Risiko trägt" und lässt ausdrücklich offen, in welchen anderen Fällen die Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats weiterhin als unternehmerisch ausgeübt anzusehen sein könnte. Viel deutlicher konnte der BFH seine Skepsis hinsichtlich des EuGH-Urteils IO kaum zum Ausdruck bringen; und das zu Recht. Denn das ist nicht durchweg überzeugend.

Zum einen ist das Urteil IO erkennbar auf den konkreten Einzelfall, nämlich den eines Aufsichtsratsmitglieds einer Stiftung, deren Haupttätigkeit darin besteht, hilfsbedürftigen Personen dauerhaft Wohnraum zur Verfügung zu stellen, zugeschnitten. Das ist vielleicht nicht ganz das Bild eines klassischen Aufsichtsrats. Der EuGH reduziert denn auch im Tenor seines Urteils den Wirkungsbereich seines Urteils folgerichtig ausdrücklich auf den konkreten Einzelfall. Das zu Recht, denn das Urteil wirft durchaus Fragen auf. So wird der Aufsichtsrat bei Abschluss des Vertrages mit der Gesellschaft (im Fall IO: Stiftung) selbstverständlich in eigenem Namen und auch auf eigene Rechnung tätig. Auf wessen Rechnung sonst sollte er bei der Vereinnahmung der Aufsichtsratsvergütung tätig werden? Hier wäre eine differenziertere Auseinandersetzung im Urteil IO vorstellbar gewesen. Das letzte Wort zur Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern dürfte daher noch nicht gesprochen sein.

Quelle: BFH, Pressemitteilung v. ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB YAAAH-41645