BGH Beschluss v. - StB 25/19

Strafaussetzung zur Bewährung: Gerichtliche Entscheidung über den Bewährungswiderruf bei Weisungsverstößen

Gesetze: § 56f Abs 1 S 1 Nr 2 StGB

Gründe

11. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat den Beschwerdeführer am wegen versuchter mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf fünf Jahre festgesetzt. Der Verurteilte wurde der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und angewiesen, sich wöchentlich an einem bestimmten Tag zum präventiv-polizeilichen Gespräch bei der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums einzufinden. Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht ihn zudem angewiesen, sich zweimal wöchentlich beim zuständigen Polizeirevier zu melden. Der Generalbundesanwalt hat am beantragt, die Strafaussetzung zur Bewährung wegen Weisungsverstoßes zu widerrufen. Das Oberlandesgericht hat dem Verurteilten am Gelegenheit zur mündlichen Anhörung zum Antrag des Generalbundesanwalts gegeben. Zu diesem Termin ist der Verurteilte nicht erschienen. Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.

2Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde, mit der der Verteidiger des Beschwerdeführers auch dessen psychiatrische/psychologische Untersuchung beantragt hat, bleibt ohne Erfolg.

32. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) liegen vor. Der Senat schließt sich nach umfassender Prüfung den in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Gründen an und macht sich diese zu eigen. Sie werden durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet.

4Es hat insbesondere kein Anlass bestanden, dem Antrag des Verteidigers des Beschwerdeführers folgend ein psychiatrisches/psychologisches Gutachten einzuholen. Dem Beschwerdevorbringen kann schon nicht eindeutig entnommen werden, ob die beantragte Untersuchung der möglichen Aufdeckung einer psychischen Störung beim Beschwerdeführer, die einem Verschulden der Weisungsverstöße entgegenstehen könnte, oder der Klärung der Kriminalprognose dienen soll. Jedenfalls ist eine gutachterliche Untersuchung zu beiden Fragen nicht erforderlich. Zwar sind auch die Vollstreckungsgerichte mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gehalten, Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung und einer in tatsächlicher Hinsicht genügenden Grundlage zu treffen, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. u.a., BVerfGE 70, 297, 308 mwN). Indes liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer an einer psychischen Erkrankung leidet, die sich auf die Weisungsverstöße oder seine Gefährlichkeit auswirken könnte.

5Hierzu reicht es insbesondere nicht aus, dass die erste Anhörung des Verurteilten vor dem Strafsenat am wegen krampfartiger Ausfälle (so das Protokoll der Anhörung) bzw. einer kurzfristigen Ohnmacht des Beschwerdeführers (so der Verteidiger) unterbrochen werden musste; denn sie konnte nach Intervention des Ersthelfers des Oberlandesgerichts und einer kurzen Pause ohne Schwierigkeiten fortgesetzt werden.

6Auch im Übrigen ist die Einholung eines kriminalprognostischen Gutachtens nicht notwendig. Gesetzlich ist in Fällen einer Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen Weisungsverstößen eine prognostische Begutachtung durch einen Sachverständigen nicht gefordert. Für die vom Vollstreckungsgericht selbständig zu treffende Prognose (vgl. u.a., BVerfGE 70, 297, 310), ob aus einem Weisungsverstoß die Besorgnis folgt, der Verurteilte werde erneut Straftaten begehen, verfügen die Vollstreckungsgerichte in der Regel über eigene Sachkunde. Auf die Unterstützung eines Sachverständigen ist der zuständige Richter nach Aufklärungsgesichtspunkten nur angewiesen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine ergänzende Befunderhebung oder sachverständige wissenschaftliche Bewertung erforderlich sein könnte, für die ihm die Sachkunde fehlt. Dies ist mit Blick auf psychiatrische oder psychologische Sachverständigengutachten nur dann der Fall, wenn Anhaltspunkte für eine entscheidungserhebliche psychische Fehlhaltung oder gar Erkrankung vorliegen (, NJW 2002, 2773, 2774). Das Oberlandesgericht hat ausreichend begründet, warum es aus den fortgesetzten Verstößen gegen die Weisungen aus dem Bewährungsbeschluss auf die Gefahr neuerlicher Straffälligkeit geschlossen hat. Hinweise auf eine entscheidungserhebliche psychische Erkrankung oder sonstige Besonderheiten, die ausnahmsweise die Beiziehung eines Sachverständigen erforderten, liegen nicht vor.

7Der Senat ist an der vorliegenden Entscheidung nicht deshalb gehindert, weil die mit der Einlegung der sofortigen Beschwerde beantragte Pflichtverteidigerbestellung erst mit Verfügung vom heutigen Tage abgelehnt worden ist. Denn der Verteidiger hat das Rechtsmittel gleichwohl begründet. Dass er nach einer etwaigen Verteidigerbestellung nochmals und ergänzend vortragen wolle, hat er in diesem Zusammenhang nicht angekündigt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:171019BSTB25.19.0

Fundstelle(n):
OAAAH-41323