BGH Beschluss v. - VI ZR 215/19

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör: Berufungszurückweisung vor Ablauf der vom Gericht gesetzten Stellungnahmefrist zum Hinweisbeschluss

Leitsatz

Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird verletzt, wenn das Gericht eine dem Beteiligten selbst gesetzte Frist zur Äußerung mit seiner Entscheidung nicht abwartet (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZR 287/17, VersR 2018, 935 Rn. 8; BVerfG, - 2 BvR 402/60, BVerfGE 12, 110, 113).

Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 522 Abs 2 S 2 ZPO, § 544 Abs 7 ZPO

Instanzenzug: Az: 9 U 1464/17vorgehend LG Nürnberg-Fürth Az: 19 O 7767/14

Gründe

I.

1Der Beklagte zu 1 wird von der Klägerin auf Schadensersatz wegen arglistiger Täuschung beim Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung in Anspruch genommen.

2Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Nach Berufungseinlegung und -begründung durch den Beklagten zu 1 hat das Oberlandesgericht am einen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erteilt und den Parteien Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen nach Zustellung Stellung zu nehmen. Dieser Hinweis ist dem Beklagten zu 1 am zugestellt worden. Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht die Berufung des Beklagten zu 1 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte zu 1 mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten zu 1 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 522 Abs. 3, § 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie hat in der Sache Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht zu Recht geltend, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten zu 1 auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, indem es die Berufung zurückgewiesen hat, bevor die vom Berufungsgericht gesetzte Frist zur Stellungnahme zu dem nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergangenen Hinweisbeschluss abgelaufen war.

41. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird verletzt, wenn das Gericht eine dem Beteiligten selbst gesetzte Frist zur Äußerung mit seiner Entscheidung nicht abwartet (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZR 287/17, VersR 2018, 935 Rn. 8; BVerfGE 12, 110, 113). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Beklagte zu 1 in seinem Schriftsatz vom , auf den das Berufungsgericht in seinem Zurückweisungsbeschluss Bezug nimmt, bereits in einer Weise geäußert hatte, die als abschließend verstanden werden konnte. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre - was hier schon deshalb nicht angenommen werden kann, weil der Hinweisbeschluss vom dem Beklagten zu 1 am noch nicht zugestellt worden war und dieser in dem Schriftsatz vom nur zu dem Schriftsatz der Klägerin vom Stellung genommen hat - hätte das Berufungsgericht den Fristablauf am (§§ 221, 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB) nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen abwarten müssen (vgl. BVerfG, MDR 2018, 614, 615 Rn. 8).

52. Das Berufungsurteil beruht auf der Gehörsverletzung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Abwarten des Ablaufs der Äußerungsfrist zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre.

6Am , also innerhalb der vom Berufungsgericht gewährten Äußerungsfrist, ging ein Schriftsatz des Beklagten zu 1 beim Berufungsgericht ein, in dem zum richterlichen Hinweis vom Stellung genommen wurde. Das Berufungsgericht konnte diese Stellungnahme bei seiner Entscheidung nicht mehr berücksichtigen. Der Beklagte zu 1 hat in seinem Schriftsatz vom zwar in weiten Teilen, aber nicht ausschließlich auf sein bisheriges Vorbringen Bezug genommen und ist - wie die Beschwerde zu Recht geltend macht - argumentativ auf den Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts eingegangen. Dabei hat er versucht, das Gericht noch von seiner im Hinweisbeschluss zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung abzubringen, z.B. hinsichtlich der Fragen, ob eine Verlesung bestimmter Passagen des Strafurteils hätte erfolgen und ein weiterer Zeuge hätte geladen werden müssen (vgl. , NJW-RR 2011, 424 Rn. 17). Darüber hinaus enthielt die Stellungnahme vom noch einen Befangenheitsantrag gegen die erkennenden Richter, der wegen des bereits erfolgten Erlasses des Zurückweisungsbeschlusses ins Leere ging.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:191119BVIZR215.19.0

Fundstelle(n):
NJW 2020 S. 935 Nr. 13
NJW-RR 2020 S. 248 Nr. 4
VAAAH-41056