BSG Beschluss v. - B 14 AS 25/11 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Kostenentscheidung gem § 193 im Abs 1 SGG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache durch zwischenzeitliche Klagerücknahme während des Beschwerdeverfahrens - Unzulässigkeit des Antrags auf Entscheidung auch über die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens

Leitsatz

Erledigt sich im Laufe eines Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde der Rechtsstreit in der Hauptsache, so hat das BSG nur über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.

Gesetze: § 193 Abs 1 SGG, § 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 3 SGG, § 160 Abs 2 SGG, § 161 VwGO

Instanzenzug: Az: S 2 AS 1032/07 Urteilvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Az: L 3 AS 397/09 Urteil

Gründe

1Wird ein Verfahren anders als durch Urteil beendet, entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben (§ 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom - L 3 AS 397/09 - in einem Rechtsstreit um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch durch die Zurücknahme der Klage im Laufe des Beschwerdeverfahrens erledigt und der Kläger beantragt hat, dem Beklagten die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen (vgl zur Zulässigkeit einer Klagerücknahme im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde: - SozR 1500 § 102 Nr 5).

2Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beteiligten bei Erledigung des Verfahrens ohne Urteil einander Kosten zu erstatten haben, erfolgt nach sachgemäßem bzw billigem Ermessen. Dabei steht grundsätzlich der nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung zu beurteilende Verfahrenserfolg im Vordergrund, aber auch die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung des Rechtsstreits können zu berücksichtigen sein (vgl B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4; - SozR 3-1500 § 193 Nr 10; - SozR 3-1500 § 193 Nr 2; zuletzt - Juris RdNr 8).

3Nach diesen Voraussetzungen hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, weil die Beschwerde aufgrund der zwischenzeitlichen Klagerücknahme des Klägers erfolglos war und keine Gründe zu erkennen sind, um dem Beklagten zB aufgrund des Veranlassungsprinzips (vgl B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 5; - SozR 4-1500 § 193 Nr 6 RdNr 37) die Kosten des Klägers aufzuerlegen.

4Die Aufwendungen des beklagten Jobcenters sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig (§ 193 Abs 4 SGG).

5Soweit der Kläger beantragt hat, dem Beklagten die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, ist der Antrag unzulässig.

6Zwar ist der Rechtsstreit - beschränkt auf die Frage der Kostenerstattung - nur noch vor dem Bundessozialgericht (BSG) anhängig, daraus alleine folgt jedoch ausgehend von einem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde keine Kompetenz zu einer Kostenentscheidung über alle Instanzen hinweg, selbst wenn - vordergründig - Gesichtspunkte der Prozessökonomie dafür sprechen sollten (vgl Bayerischer Verwaltungsgerichtshof vom - 11 ZE 98.3358).

7Eine Nichtzulassungsbeschwerde hemmt zwar die Rechtskraft des Urteils des LSG (§ 160a Abs 3 SGG), führt aber grundsätzlich nicht zu einer Überprüfung der vorinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache, sondern nur zu der Überprüfung, ob einer der drei in § 160 Abs 2 SGG enumerativ aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision gegeben ist (§ 160a SGG). Sie hat folglich nur einen begrenzten Devolutiveffekt hinsichtlich der (Neben-)Entscheidung des LSG über die Zulassung der Revision (ähnlich differenzierend: VIII B 200.67 - BVerwGE 34, 40).

8Eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Kosten auch des Klage- und des Berufungsverfahrens könnte mittelbar zu einer Überprüfung der Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache nach den oben dargestellten Kriterien führen und damit zu einer Erörterung von Fragen, deren Behandlung dem Revisionsgericht im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde gerade nicht eröffnet ist. Denn dadurch würden dem BSG im Rahmen einer Kostenentscheidung mehr Kompetenzen eingeräumt werden als in dem eigentlichen Zwischenverfahren "Nichtzulassungsbeschwerde". Gegen die Zulässigkeit einer Entscheidung des BSG über die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens spricht auch, dass nach § 144 Abs 4 SGG ein Rechtsmittel alleine wegen der Kosten ausgeschlossen ist.

9Aufgrund der vom SGG abweichenden gesetzlichen Vorgaben zur Kostenentscheidung in § 161 Verwaltungsgerichtsordnung folgt aus der gegenteiligen instanzgerichtlichen Rechtsprechung von Verwaltungsgerichten nichts anderes (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof vom - 11 ZE 98.3358; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom - 6 S 661/97; ebenso aber ohne Begründung: Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 941).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2011:120911BB14AS2511B0

Fundstelle(n):
EAAAH-40230