Einplanung zum Stabsoffizierlehrgang für "Seiteneinsteiger"
Leitsatz
Wird für alle Teilnehmer am Stabsoffizierlehrgang eine mindestens 17jährige Verpflichtungszeit gefordert, kann dies zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung von "Seiteneinsteigern" führen.
Gesetze: § 17 Abs 1 WBO, § 17 Abs 3 S 1 WBO, § 21 Abs 2 S 1 WBO, § 26 SLV, Art 3 Abs 1 GG
Tatbestand
1Der Antragsteller begehrt seine Einplanung für den Basislehrgang Stabsoffizier (BLS).
2Der ... geborene Antragsteller wurde mit Wirkung vom unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Hauptmann ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 eingewiesen. Er hatte zuvor das Fachhochschulstudium des Wirtschaftsingenieurwesens, technische Fachrichtung Maschinenbau, erfolgreich absolviert und war nach einer Eignungsübung als "Seiteneinsteiger" in der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Bundeswehr eingetreten. Die Dauer des Dienstverhältnisses wurde auf acht Jahre festgesetzt und endet hiernach am . Seit April 2018 wird er beim ... als Instandsetzungsoffizier ... verwendet.
3Während der Teilnahme am Offizierslehrgang 3 vermerkte der Antragsteller unter dem handschriftlich auf dem Einplanungsblatt: "baldiger Besuch des BLS erwünscht".
4Mit Schreiben vom erhob er "Beschwerde aufgrund unrichtiger Behandlung". Er habe am die für die Beförderung zum Major erforderliche Stehzeit von 2 1/2 Jahren im Dienstgrad Hauptmann erfüllt. Jedoch sei das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr nicht bereit, ihn für den Basislehrgang Stabsoffizier einzuplanen. Nach dem Ausbildungsplan Nr. ... vom sei dieser Lehrgang für nach § 26 SLV eingestellte Offiziere des Truppendienstes vorgesehen, wenn sie noch eine Restdienstzeit von drei Jahren hätten. Durch das Erfordernis, auch noch weitere Lehrgänge zu absolvieren, verschiebe sich seine Einsteuerung in den Basislehrgang Stabsoffizier weiter. Er erfahre einen Laufbahnnachteil, weil sich die Zeit bis zur Regelbeförderung zum Major nach hinten verschiebe.
5Unter dem erhob er "weitere Beschwerde nach § 16 Abs. 2 Wehrbeschwerdeordnung (WBO)". Da über seine Beschwerde nicht innerhalb eines Monats entschieden worden sei, beantrage er die Abgabe an die nächsthöhere Stelle. Das Bundesministerium der Verteidigung hat die weitere Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und mit einer Stellungnahme vom dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
6Der Antragsteller macht geltend, die Einplanung zum Stabsoffizierlehrgang sei zu Unrecht unterblieben. Die Grenzen sachgerechter Ermessensausübung würden überschritten, weil er unter Verkennung seiner Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst in einen unzutreffenden Verwendungsaufbau gedrängt werde. Verfahrensabläufe und Vorschriftenlage würden durch das Bundesministerium der Verteidigung falsch dargestellt. Die Nummern 4003, 4015 der Bereichsvorschrift C1-1340/0-1300 stünden seinem Begehren nicht entgegen, da sie für "Seiteneinsteiger" nach Nr. 4028 Fußnote 30 der Bereichsvorschrift nicht gelten. Die Einplanung für den Basislehrgang Stabsoffizier vom Status des Berufssoldaten abhängig zu machen, begründe ein faktisches Beförderungsverbot, für das es keine gesetzliche Grundlage gebe. Der Antragsteller habe aus § 3 SG und Art. 33 Abs. 2 GG einen Anspruch auf Zugang zu den weiteren Ämtern seiner Laufbahn. Dieser dürfe nicht ohne Grundlage durch oder aufgrund eines Gesetzes behindert werden. Der Bereichserlass genüge diesen Anforderungen nicht. Die Förderung zum Major von der Auswahl zum Berufssoldaten abhängig zu machen, diskriminiere ihn wegen seines Status als Zeitsoldat. Er werde trotz besserer Eignung und Leistung gegenüber weniger leistungsstarken Berufssoldaten hinsichtlich der Teilnahme am Basislehrgang Stabsoffizier zurückgesetzt. Nach dem Ausbildungsplan 171800 für den Basislehrgang Stabsoffizier sei die Einplanung von Quereinsteigern unabhängig vom Status des Berufssoldaten. Die Kosten-Nutzen-Erwägungen des Bundesministeriums der Verteidigung in Bezug auf die Restdienstzeit stünden im Widerspruch zur Vorschriftenlage. Nach der Lehrgangsbeschreibung betrage die notwendige Restdienstzeit 36 Monate. Die Einplanung zum Lehrgang erfolge von Amts wegen und müsse nicht beantragt werden. Ein Antragsteller erhalte allenfalls eine Planungsinformation zur zeitlichen Abstimmung. Gerügt werde die Untätigkeit der Behörden.
7Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
8Der Antrag auf Einplanung für den Basislehrgang Stabsoffizier sei mangels einer anfechtbaren Maßnahme oder deren Unterlassung im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO unzulässig. Die Teilnahme an diesem Lehrgang sei nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Anlass vorgeschrieben und vom Antragsteller auch nicht beantragt worden. Der Eintrag auf dem Einplanungsblatt stelle keinen tauglichen Antrag dar. Er solle nur der Personalführung für die weitere Planung relevante Umstände zur Kenntnis bringen. Der Antragsteller habe dort Präferenzen geäußert, es fehle aber an der intendierten Rechtserheblichkeit und an einer zeitlichen Konkretisierung. Der Antrag sei zudem unbegründet. Es gebe kein Verwendungsaufbaukonzept für "Seiteneinsteiger", die in der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes im Heer eingestellt würden. Die Einplanung zum Basislehrgang Stabsoffizier stehe im Ermessen des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr. Auch "Seiteneinsteiger" hätten keinen Anspruch auf Einplanung. In sinngemäßer Anwendung der Nr. 4003, 4011 Buchst. d bis e der Bereichsvorschrift C1-1340/0-1300 sei nach ständiger Verwaltungspraxis auch für die als "Seiteneinsteiger" in höherem Dienstgrad eingestellten Offiziere des Truppendienstes eine Verpflichtungszeit von mindestens 17 Jahren oder die Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten Bedingung für die Zulassung zum Basislehrgang Stabsoffizier. Dieser sei mit erheblichem dienstlichen Aufwand und Kosten verbunden und solle daher zur Wahrung eines sinnvollen Kosten-Nutzen-Verhältnisses nur "längerdienenden" zukünftigen Stabsoffizieren zugutekommen. Eine vorgeschaltete Bewährungszeit mit einer daraus resultierenden planmäßigen Beurteilung fließe mittelbar in die Entscheidung über die Zulassung ein, insofern dies Grundlage der Auswahl zum Berufssoldaten sei. Dem Antragsteller sei im Personalentwicklungsgespräch am eröffnet worden, er solle im Durchgang 2/20 am Basislehrgang Stabsoffizier teilnehmen. Verbindlich werde dies aber erst im Falle seiner Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten oder die Verlängerung seiner Dienstzeit auf mindestens 17 Jahre erfolgen. Der Antragsteller habe gute Chancen, im Rahmen einer Auswahlkonferenz in der 49. Kalenderwoche 2019 in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten übernommen zu werden.
9Der gleichzeitig gestellte Antrag auf Beförderung zum Major ist mit Beschluss vom heutigen Tage abgetrennt und an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen worden.
10Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Gründe
111. Der Antragsteller hat weder im Schriftsatz vom noch in den im gerichtlichen Antragsverfahren eingereichten Schriftsätzen selbst einen konkreten Sachantrag formuliert. Sein Rechtsschutzbegehren ist daher im Lichte seines Sachvortrages auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 86 Abs. 3 VwGO).
12Er hat erläutert, neben der Beförderung sekundär die unverzügliche Förderung zum Major zu begehren. Beantragt werde die Verpflichtung des Bundesministeriums der Verteidigung zu einer Bescheidung seines Antrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Hiernach ist sinngemäß beantragt, das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, ihn zum Major zu ernennen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über seinen Antrag auf Einplanung zur Teilnahme am nächsten erreichbaren Basislehrgang Stabsoffizier zu entscheiden. Seinem Vortrag ist über die Einplanung zum Basislehrgang Stabsoffizier hinaus aber keine Verpflichtung zu weiteren für die Beförderung zum Major förderlichen Maßnahmen zu entnehmen. Denn er hat solche Maßnahmen nicht konkretisiert und weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren einen bescheidungsfähigen Antrag gestellt, der in die Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte fiele und zu dem bereits ein Beschwerdeverfahren durchgeführt worden wäre.
132. Der auf die Einplanung zum Basislehrgang Stabsoffizier gerichtete Antrag hat Erfolg.
14a) Der Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 21 Abs. 1 WBO) ist insoweit zulässig. Da mit der Einplanung für einen Lehrgang eine truppendienstliche Verwendungsentscheidung in Rede steht, die zudem einen nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 SLV vorgesehenen Lehrgang betrifft, ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet.
15Insbesondere ist er zulässig als Untätigkeitsantrag gestellt worden, weil das Bundesministerium der Verteidigung über die Beschwerde des Antragstellers nicht innerhalb eines Monats entschieden hat (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO).
16Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 17 Abs. 1 und 3 Satz 1 WBO (gegebenenfalls i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) nur geltend gemacht werden, dass eine dienstliche Maßnahme oder die Unterlassung einer solchen Maßnahme rechtswidrig sei. Der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt dabei eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten oder einer Dienststelle der Bundeswehr voraus, die im Verhältnis der Über- und Unterordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht darauf an, ob sie auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt ( 1 WB 10.17 - Rn. 19). Eine Unterlassung ist das Nichttätigwerden dann, wenn der Antragsteller einen Anspruch auf Vornahme einer Maßnahme im dargelegten Sinn zu haben glaubt ( 1 WB 9.96 - Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 15 S. 11 m.w.N.). Gegenstand eines Antrages auf gerichtliche Entscheidung kann ein "qualifiziertes" Unterlassen eines beantragten oder zu einem bestimmten Anlass oder Zeitpunkt vorgeschriebenen Tätigwerdens sein ( 1 WB 29.07 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 67 Rn. 25).
17Der Zulässigkeit des Antrages auf gerichtliche Entscheidung steht auch nicht das Fehlen eines bescheidungsfähigen Antrages auf Einplanung entgegen. Denn zum einen ist weder in einem formellen oder materiellen Gesetz noch in einer Verwaltungsvorschrift für die Einplanung von "Seiteneinsteigern" für den Basislehrgang Stabsoffizier ein formeller schriftlicher Antrag vorgeschrieben. Im Anwendungsbereich der Bereichsvorschrift C1-1340/0-1300 erfolgt die Einplanung nach ihrer Nr. 4028 vielmehr regelmäßig nach bestimmten Zeitabläufen, ohne dass dort ein gesonderter Antrag verlangt wird. Zum anderen hat der Antragsteller sein Begehren, zeitnah für den Lehrgang eingeplant zu werden, dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr gegenüber für eine Bescheidung seines Begehrens hinreichend deutlich artikuliert. Denn nach seinem, insoweit unwidersprochenem Vortrag in der Beschwerde vom sind ihm in einem Gespräch mit seinem Personalführer die Gründe dafür erläutert worden, warum die von ihm erstrebte Einplanung bislang noch nicht erfolgt ist. Gegen die ihm in diesem Gespräch erläuterte, ablehnende Haltung des Personalführers wendet sich die Beschwerde. Dem korrespondiert die handschriftliche Eintragung des Antragstellers auf dem Einplanungsblatt im Formularfeld "wichtige Ergänzungen für PersFhr". Dort ist auch der Grund niedergelegt, warum das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr die Einplanung bisher nicht verfügte, nämlich die nach seiner ständigen Praxis nicht ausreichend lange Verpflichtungszeit des Antragstellers. Vor diesem Hintergrund war dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr bereits vor der Beschwerde des Antragstellers bekannt, dass der Antragsteller die für ihn frühestmögliche Einplanung für den Lehrgang begehrte und es verfügte über alle Informationen, die nach seiner Rechtsauffassung für eine - auch formelle - Bescheidung notwendig waren. Hinzu kommt, dass der Antragsteller mit der Beschwerde vom auch schriftlich deutlich gemacht hatte, dass er eine zeitnahe Einplanung für den Lehrgang begehrte. Hierauf ist ihm weder ein Hinweis erteilt worden, dass für eine Bescheidung ein formeller Antrag notwendig wäre, noch ist der Beschwerde ein solcher Antrag im Wege der Auslegung entnommen und beschieden worden. Dass der Zulassung des Antragstellers zu dem Lehrgang nach der Rechtsauffassung des Dienstherrn entgegensteht, dass er weder Berufssoldat ist noch für mindestens 17 Jahre Soldat auf Zeit, ist dem Begehren des Antragstellers auch im gerichtlichen Verfahren entgegengehalten worden. Vor diesem Hintergrund wäre es eine bloße Förmelei, den Antragsteller auf eine formelle Antragstellung und die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens zu verweisen, über dessen Ausgang kein Zweifel bestehen kann. Daher widerspricht es Treu und Glauben, die Zulässigkeit seines Antrages auf gerichtliche Entscheidung am Fehlen eines formellen, schriftlichen Antrages auf Zulassung für den streitgegenständlichen Lehrgang scheitern zu lassen.
18Da das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr dem Antragsteller keinen Bescheid über seinen Antrag erteilte, konnte dieser nach § 1 Abs. 2 WBO zulässig Untätigkeitsbeschwerde einlegen.
19Es ist nicht dadurch Erledigung eingetreten, dass das Bundesministerium der Verteidigung dem Antragsteller eine Einplanung für den Basislehrgang Stabsoffizier ab Februar 2020 angekündigt hat. Wie das Bundesministerium der Verteidigung erläutert hat, ist dem Antragsteller die Teilnahme am Basislehrgang Stabsoffizier noch nicht verbindlich zugesagt worden. Sie hängt vielmehr noch von der Verlängerung seiner Dienstzeit auf mindestens 17 Jahre oder seiner Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten ab. Über letztere wird in 49. Kalenderwoche 2019 und damit nicht vor der Entscheidung des Senates entschieden. Dem Begehren des Antragstellers wird nicht schon durch die Ankündigung seiner künftigen Erfüllung entsprochen.
20b) Der Antrag ist auch begründet. Denn die mangels Berufssoldateneigenschaft oder einer Verpflichtungszeit von mindestens 17 Jahren unterbliebene Einplanung des Antragstellers verletzt den Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.
21aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat ein Soldat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung. Dies gilt auch für die Entscheidung über die Ausbildung eines Soldaten. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine Ausbildung handelt, die ihre Grundlage in den laufbahnrechtlichen Vorschriften nach § 27 SG und der darauf beruhenden Soldatenlaufbahnverordnung hat, oder ob es um eine verwendungsbezogene Ausbildung geht (BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 26.09 - Rn. 18, vom - 1 WB 15.17 - juris Rn. 27 und vom - 1 WB 32.17 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 100 Rn. 22).
22Über die Verwendung eines Soldaten - und damit auch über die Einplanung für den Basislehrgang Stabsoffizier - entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 m.w.N. und vom - 1 WB 15.17 - juris Rn. 28, vom - 1 WB 32.17 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 199 Rn. 23). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm bzw. ihr zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 114 VwGO).
23bb) Im vorliegenden Fall war es ermessensfehlerhaft, die Einplanung des Antragstellers für den Stabsoffizierlehrgang davon abhängig zu machen, dass seine Dienstzeit zuvor auf 17 Jahre verlängert oder sein Dienstverhältnis in dasjenige eines Berufssoldaten umgewandelt wird. Daher hat der Antragsteller einen Anspruch, dass über seine Zulassung zum Lehrgang entschieden wird, ohne dass sie ihm allein deswegen verweigert wird, weil er nicht Berufssoldat oder Soldat auf Zeit mit einer Verpflichtungszeit von 17 Jahren ist.
24aaa) Den "Verwendungsaufbau der Offiziere des Truppendienstes im Uniformträgerbereich Heer" regelt grundsätzlich die Bereichsvorschrift C1-1340/0-1300 (im Folgenden: Bereichsvorschrift). Entsprechend Nr. 4002 Satz 2 und 4013 Satz 1 Bereichsvorschrift erfolgt der Verwendungsaufbau von Zeit- und Berufssoldaten gleich. Nr. 4003 Satz 2 Bereichsvorschrift sieht vor, dass für Offiziere im Truppendienst im Status eines Soldaten auf Zeit die Beförderung zum Stabsoffizier nur mit einer Verpflichtungszeit von mehr als 17 Jahren erreicht werden kann. Nach Nr. 4011 Buchst. d Bereichsvorschrift ist der Basislehrgang Stabsoffizier eine der Schwellen in der individuellen Karriereentwicklung der Offiziere des Truppendienstes. Gemäß Nr. 4015 Bereichsvorschrift ist ab einer festgesetzten Dienstzeit von 17 Jahren für einen Soldaten auf Zeit die Teilnahme am Basislehrgang Stabsoffizier vorgesehen. Nach Nr. 4028 Bereichsvorschrift beginnt die Stabsoffizierausbildung regelmäßig nach Vollendung des achten Offizierdienstjahres im Dienstgrad Hauptmann (bei einer Verpflichtungszeit von mindestens 17 Jahren) und umfasst auch ein vorangestelltes heeresspezifisches Ausbildungsmodul. Nach der Fußnote 30 zu Nr. 4029 Bereichsvorschrift wird die Ausbildung von "Seiteneinsteigern" mit abgeschlossenem zivilen Studium in der Bereichsvorschrift nicht dargestellt. Dies entspricht der vom Bundesministerium der Verteidigung eingeholten Auskunft des Erlasshalters, nach der der in der Bereichsvorschrift vorgesehene Verwendungsaufbau auf "Seiteneinsteiger" in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes - wie den Antragsteller - nicht unmittelbar anwendbar ist. Der Verwendungsaufbau dieses Personenkreises ist mithin nicht abstrakt-generell in einer Verwaltungsvorschrift konzipiert.
25bbb) Nur solchen Offizieren mit Hochschulausbildung i.S.v. § 26 SLV die Teilnahme am Basislehrgang Stabsoffizier zu ermöglichen, die sich im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten befinden oder sich für mindestens 17 Jahre verpflichtet haben, überschreitet aber die Grenzen pflichtgemäßen Ermessen, weil es sie gegenüber ohne Hochschulausbildung in die Bundeswehr eingetretenen Offiziersanwärtern ohne rechtfertigenden Grund entgegen Art. 3 Abs. 1 GG schlechter stellt.
26Dass die Bereichsvorschrift keine Aussage über den Verwendungsaufbau von "Seiteneinsteigern" trifft, schließt es nicht aus, einzelne Regelungen auch auf diesen Personenkreis anzuwenden, wenn dies durch die Vergleichbarkeit der Sachverhalte und das Eingreifen gleicher sachlicher Gründe gerechtfertigt ist. Bei der pflichtgemäßen Ausübung von Ermessen ist dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Dieser verbietet nicht nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem ohne eine hinreichend gewichtige sachliche Rechtfertigung ( - BVerfGE 116, 164 <180> m.w.N.). Diesen Grundsatz verletzt aber die Forderung nach einer Verpflichtungszeit von mindestens 17 Jahren als Voraussetzung für die Zulassung von "Seiteneinsteigern" zu dem Lehrgang.
27Dass die Zulassung zum Basislehrgang Stabsoffizier nicht vom Status des Berufssoldaten abhängig gemacht und einem Zeitsoldaten von vornherein verweigert werden darf, ergibt sich bereits daraus, dass § 29 SLV die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes auch für Soldatinnen und Soldaten auf Zeit öffnet und dass die §§ 24, 25 SLV den Aufstieg zum Stabsoffizier nicht von einer Lebenszeitverpflichtung abhängig machen. Zudem setzt § 26 SLV voraus, dass auch "Seiteneinsteiger" im Status des Zeitsoldaten den Dienstgrad eines Majors erlangen können, dessen Erreichung der Basislehrgang Stabsoffizier dient.
28Hier steht nach dem Vortrag des Bundesministeriums der Verteidigung zwar grundsätzlich auch dem Zeitsoldaten die Einplanung zum Basislehrgang Stabsoffizier offen. Der Anspruch des Antragstellers aus Art. 3 Abs. 1 GG ist aber dadurch verletzt, dass die Zulassung zum Basislehrgang Stabsoffizier für "Seiteneinsteiger" von derselben Verpflichtungszeit abhängig gemacht wird, die nach dem Schulabschluss in die Bundeswehr eingetretenen Zeitsoldaten abverlangt wird. Die undifferenzierte Anwendung der Mindestdienstzeitbestimmung für Zeitsoldaten nach der Bereichsvorschrift auf Offiziere mit Hochschulausbildung nach § 26 SLV verletzt Art. 3 Abs. 1 GG durch eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem und benachteiligt damit ohne sachlichen Grund "Seiteneinsteiger" i.S.v. § 26 SLV gegenüber von nach dem Schulabschluss als Offizieranwärter in die Bundeswehr eingetretenen Zeitsoldaten.
29(1) Die Personengruppen der Zeitsoldaten, die "Seiteneinsteiger" i.S.v. § 26 SLV sind, und der Zeitsoldaten, die ohne abgeschlossene Hochschulausbildung i.S.v. § 23 SLV als Offizieranwärter in die Bundeswehr eingetreten sind, sind vergleichbar, insofern beide der Laufbahngruppe der Offiziere und innerhalb dieser der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes im Sinne von Abs. 3 Nr. 1 der Anlage zu § 3 SLV angehören. Beiden Gruppen stehen daher grundsätzlich im Wege der Beförderung nach Maßgabe von Eignung, Leistung und Befähigung alle Ämter der Laufbahn vom Leutnant bis zum Oberst offen (vgl. Nr. 227 Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) A-1340/49 "Beförderung, Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Soldaten").
30Es ist sachgerecht und gleicht die Interessen des Dienstherrn angemessen mit denjenigen der betroffenen Soldaten aus, wenn nur solche Soldaten eine zeit- und kostenintensive Ausbildung erhalten, deren Dienstzeit so lang ist, dass ihre Arbeitskraft und der Erfolg der Ausbildung nach deren Abschluss auch dem Dienstherrn noch eine angemessene Zeit zur Verfügung steht. Daher ist es grundsätzlich gerechtfertigt, aufwendige Ausbildungen - neben Berufssoldaten - "längerdienenden" Soldaten auf Zeit vorzubehalten. Diese Forderung ist verhältnismäßig, insofern sie eine "Restdienstzeit" eines Soldaten auf Zeit nach der Ausbildung gewährleistet, in der auch der Dienstherr noch eine - im Verhältnis zu den Kosten der Ausbildung - angemessene Zeit vom Erfolg der Ausbildung profitieren kann.
31(2) Die genannten Gruppen von Soldaten auf Zeit unterscheiden sich aber darin, dass nach dem Schulabschluss gemäß § 23 SLV in die Bundeswehr eingetretenen Offizieranwärter innerhalb ihrer Dienstzeit auch ein Studium absolvieren (vgl. Nr. 4011 und die schematische Darstellung des idealtypischen Verwendungsaufbaus unter Punkt 5.1.1 Bereichsvorschrift), das "Seiteneinsteiger" dagegen bereits vor ihrer Dienstzeit absolviert haben. Wegen dieses Unterschiedes wirkt die Forderung nach einer Gesamtverpflichtungszeit von mindestens 17 Jahren für Zeitsoldaten beider Gruppen im Hinblick auf die Ausbildung zum Stabsoffizier unterschiedlich: Der Soldat, der nach § 23 Abs. 1 SLV als Offizieranwärter und Soldat auf Zeit in die Bundeswehr eintritt und in Anwendung von § 24 Abs. 1 SLV nach drei Jahren zum Leutnant befördert wird, hat von der für die Zulassung zum Stabsoffizierlehrgang geforderten Verpflichtungszeit von 17 Jahren noch maximal sechs Jahre vor sich, wenn er nach Vollendung des achten Offizierdienstjahres gemäß Nr. 4028 Bereichsvorschrift die Stabsoffizierausbildung beginnen kann. Dementsprechend kann in den von der Bereichsvorschrift erfassten Fällen nach Abschluss der Stabsoffizierausbildung der Dienstherr noch weniger als sechs Jahre von den durch den Basislehrgang Stabsoffizier erworbenen Kenntnissen profitieren. Auf die verlangte Verpflichtungszeit von 17 Jahren entfällt im Regelfall nämlich auch das von dem Offizieranwärter im Status des Soldaten auf Zeit absolvierte Studium. Von dem mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SLV in die Bundeswehr als Hauptmann eingetretenen Soldaten auf Zeit eine Verpflichtungszeit von mindestens 17 Jahren für die Zulassung zum Lehrgang zu verlangen, bedeutet demgegenüber, dass der Dienstherr vor dem Beginn der Stabsoffizierausbildung eine bedeutend längere Restdienstzeit erwartet, in der er sowohl von dem Erfolg der Stabsoffizierausbildung als auch von dem - vom Dienstherrn nicht finanzierten - Hochschulstudium profitiert.
32Im Falle des 2016 in die Bundeswehr eingetretenen Antragstellers würde eine Verpflichtungszeit von 17 Jahren bedeuten, dass dem Dienstherrn die Arbeitskraft des Antragstellers noch ca. 13 Jahre nach Beginn einer Stabsoffizierausbildung im Jahre 2020 zugutekommen würde. Damit würde von ihm eine mehr als doppelt so lange Restdienstzeit nach Beginn der Stabsoffizierausbildung erwartet wie von dem unmittelbar nach dem Abitur in die Bundeswehr eingetretenen Offizieranwärter, der innerhalb seiner siebzehnjährigen Gesamtverpflichtungszeit zudem vom Dienstherrn ein Studium finanziert worden ist. Ein sachlicher Grund dafür, dass der Dienstherr von den durch den Basislehrgang Stabsoffizier erworbenen Kenntnissen eines "Seiteneinsteigers" mit Hochschulstudium länger teilhaben soll als von den gleichen Kenntnissen eines im niedrigsten Mannschaftsdienstgrad eingetretenen Offizieranwärters, ist nicht ersichtlich.
33Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob es - wie der Antragsteller vorträgt - für die Forderung nach einer Restdienstzeit für "Seiteneinsteiger" als Voraussetzung für ihre Zulassung zum Basislehrgang Stabsoffizier einer normativen Grundlage durch oder aufgrund eines Gesetzes bedarf (vgl. dazu 1 WB 8.17 - Rn. 19 ff: für die - hier nicht in Rede stehende - Zulassung zum Laufbahnaufstieg).
344. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:211119B1WB28.18.0
Fundstelle(n):
WAAAH-40117