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Aktuelle Informationen zum Thema „Gemeinnützigkeit“

Bezug: BStBl 2019 II S. 301

1. Auswirkungen des Attac-Urteils

1.1 Was sind die Kernaussagen des Attac-Urteils?

Im Urteil des Bundesfinanzhofs zu "Attac" werden folgende Aussagen zur politischen Betätigung gemeinnütziger Körperschaften getroffen:

  • Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck. Die Tätigkeit der Körperschaft darf weder unmittelbar noch allein auf das politische Geschehen und die staatliche Willensbildung gerichtet sein.

  • Eine gemeinnützige Körperschaft darf sich politisch dann betätigen, wenn dies der Verfolgung ihrer gemeinnützigen Zwecke dient.

  • Bei der Förderung der Volksbildung hat sich die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung daher auf bildungspolitische Fragestellungen zu beschränken.

  • Politische Bildung zielt auf die Schaffung und Förderung politischer Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins sowie auf die Diskussion politischer Fragen „in geistiger Offenheit“. Geht es einer Organisation im Rahmen politischer Bildung daher vorrangig um die Einflussnahme auf politische Willensbildung und die Gestaltung öffentlicher Meinung, um die eigene Auffassung durchzusetzen und über die offene Diskussion politischer Fragen hinaus, ist dies gemeinnützigkeitsrechtlich nicht förderbar.

1.2 Wirken sich die Kernaussagen des Attac-Urteils auf die Prüfungen der Gemeinnützigkeit anderer Vereine aus?

Die Steuerverwaltung nimmt das Urteil zu „Attac“ nicht zum Anlass generell Sonderprüfungen gemeinnütziger Vereine außerhalb des Turnus durchzuführen. Das bisherige Verfahren der turnusmäßigen Prüfung bleibt unverändert bestehen. Politisch engagierte Vereine haben jedoch die Kernaussagen des Urteils bei ihrem Handeln zu beachten.

1.3 Gibt es neue Prüfmaßstäbe? Werden die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit jetzt strenger?

An der Prüfung der Gemeinnützigkeit von Vereinen hat sich nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs nichts geändert.

Bei dem Urteil handelt es sich nicht um eine Änderung der Rechtsprechung. Vielmehr reiht sich das Urteil in die gefestigte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein, weshalb auch die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit nicht strenger werden.

2. Abgrenzung Gemeinnützigkeit und politische Betätigung

2.1 Weshalb ist eine Abgrenzung zwischen gemeinnütziger Betätigung und politischer Betätigung erforderlich?

Hintergrund der Abgrenzung zwischen gemeinnütziger Betätigung und einer Mitwirkung an der politischen Willensbildung in und durch Parteien ist die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung.

Zum Schutz der Chancengleichheit der Parteien und zur Wahrung des Rechts des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung des Volkes ist die steuerliche Abziehbarkeit von Spenden an Parteien wesentlich eingeschränkt, damit sich der Spendenabzug für Steuerpflichtige mit hohem Einkommen und Unternehmen nicht günstiger auswirkt als für Steuerpflichtige mit geringem Einkommen.

→ Ziel ist es, eine finanzielle Einflussnahme auf die politische Willensbildung weitgehend auszuschalten oder durch Transparenzvorschriften jedenfalls die Spendenherkunft offen zu legen.

2.2 Wie ist der Abzug von Spenden an politische Parteien und an gemeinnützige Körperschaften geregelt?

Spendenabzug für Spenden an Parteien

Der Spendenabzug von Spenden an Parteien ist im Einkommensteuergesetz auf folgende unbedenkliche Höchstbeträge begrenzt:

  • Zuwendungen von natürlichen Personen an politische Parteien sind in Höhe von 50% der Ausgaben, maximal bis zu 825 € (Einzelveranlagung) / 1.650 € (Zusammenveranlagung) von der tariflichen Einkommensteuer abzuziehen (Steuerermäßigung). Weitere 1.650 € / 3.300 € können als Sonderausgaben abgezogen werden, soweit für sie nicht bereits die Steuerermäßigung in Anspruch genommen wurde.

  • Zuwendungen von juristischen Personen (Unternehmen wie z.B. eine GmbH oder AG) an politische Parteien sind nicht abzugsfähig.

Spendenabzug für Spenden an gemeinnützige Körperschaften

Der Spendenabzug zur Förderung gemeinnütziger Körperschaften ist im Einkommensteuergesetz wie folgt geregelt:

  • Zuwendungen von natürlichen und juristischen Personen an gemeinnützige Körperschaften können bis zur Höhe von 20% des Gesamtbetrags der Einkünfte (natürliche Person) beziehungsweise des Einkommens (juristische Person) oder 4%o der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter von Unternehmen abgezogen werden.

  • Überschreiten die im jeweiligen Kalenderjahr geleisteten Zuwendungen diese individuellen Höchstgrenzen oder können sie im Jahr der Zuwendung nicht berücksichtigt werden, werden sie bis zum vollständigen Verbrauch in den folgenden Jahren berücksichtigt (sogenannter allgemeiner Spendenvortrag).

Beispiele zum Abzug von Spenden nach der bestehenden Rechtslage:

Beispiel 1:
a)

Allgemeine Spende

A (ledig) spendet im Jahr 2018 3.000 € an eine gemeinnützige Körperschaft. Seine Einkünfte im Kalenderjahr betragen 50.000 €

A kann Spenden bis 20% von 50.000 €= 10.000 € abziehen. Die Spende in Höhe von 3.000 € ist also in voller Höhe als Sonderausgabe abzugsfähig und mindert das zu versteuernde Einkommen.

b)

Parteispende

A (ledig) spendet 3.000 € an eine politische Partei.

Die Spende führt in Höhe von 50% von 3.000 €= 1.500 €, maximal bis zu 825 € zu einem Abzug von der tariflichen Einkommensteuer (Steuerermäßigung). Aufgrund der Abzugsfähigkeit von 50 % der Ausgaben und der Ausschöpfung des Höchstbetrags von 825 € gelten 1.650 € für die Berechnung des weiteren Sonderausgabenabzugs als verbraucht. Die weiteren 1.350 € (3.000 € abzüglich 1.650 €) sind als Sonderausgaben abzugsfähig.

Beispiel 2:
a)

Allgemeine Spende

B (ledig) spendet im Jahr 2018 10.000 € an eine gemeinnützige Körperschaft. Seine Einkünfte im Kalenderjahr betragen 50.000 €.

B kann Spenden bis 20% von 50.000 €= 10.000 € abziehen. Die Spende in Höhe von 10.000 € ist also in voller Höhe als Sonderausgabe abzugsfähig und mindert das zu versteuernde Einkommen.

b)

Parteispende

B (ledig) spendet 10.000 € an eine politische Partei.

Die Spende führt in Höhe von 50% von 10.000 €=5.000€, maximal bis zu 825 € zu einem Abzug von der tariflichen Einkommensteuer (Steuerermäßigung). Aufgrund der Abzugsfähigkeit von 50 % der Ausgaben und der Ausschöpfung des Höchstbetrags von 825 € gelten 1.650 € für die Berechnung des weiteren Sonderausgabenabzugs als verbraucht. Weitere 1.650 € sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Der verbleibende Betrag in Höhe von 6.700 € (10.000 € abzüglich 2 x 1.650 €) wirkt sich als Spende steuerlich nicht aus.

Beispiele zum Abzug von Spenden, wenn die Förderung politischer Zwecke als gemeinnützig anerkannt würde:

Beispiel 1:

C (ledig) spendet im Jahr 2018 10.000 € an eine politische Körperschaft, die als gemeinnützig anerkannt ist. Seine Einkünfte im Kalenderjahr betragen 50.000 €.

C kann Spenden bis 20% von 50.000 €= 10.000 € abziehen. Die Spende ist in voller Höhe als Sonderausgabe abzugsfähig und mindert das zu versteuernde Einkommen.

Beispiel 2:

C (ledig) spendet 10.000 € an eine politische Partei.

Die Spende führt in Höhe von 50% von 10.000 €, maximal bis zu 825 € zu einem Abzug von der tariflichen Einkommensteuer (Steuerermäßigung). Aufgrund der Abzugsfähigkeit von 50% der Ausgaben und der Ausschöpfung des Höchstbetrags von 825 € gelten 1.650 € für die Berechnung des weiteren Sonderausgabenabzugs als verbraucht. Weitere 1.650 € sind als Sonderausgaben abzugsfähig. Der verbleibende Betrag in Höhe von 6.700 € (10.000 € abzüglich 2 x 1.650 €) wirkt sich als Spende steuerlich nicht aus.

2.3 Welche Anforderungen bestehen an die Transparenz der Spendenherkunft?

Politische Parteien:

Für Spenden an politische Parteien bestehen in § 25 Parteiengesetz umfangreiche Transparenzanforderungen. Unter anderem ist geregelt:

  • Spenden über 50.000 € müssen dem Präsidenten des Deutschen Bundestages sofort angezeigt werden. Dieser veröffentlicht die Zuwendung unter Angabe der Zuwenderin oder des Zuwenders zeitnah als Bundestagsdrucksache.

  • Spenden über 10.000 € müssen im Rechenschaftsbericht der Partei verzeichnet werden. Der Rechenschaftsbericht wird veröffentlicht.

  • Verbot der Annahme unter anderem von folgenden Spenden: anonyme Spenden über 500 €, Spenden aus dem Ausland, Spenden von Berufsverbänden.

Gemeinnützige Körperschaften:

Für Spenden an gemeinnützige Körperschaften bestehen keine Regelungen zur Offenlegung der Spendenherkunft.

2.4 Welche weiteren Regelungen gibt es, um die Abgrenzung zwischen gemeinnützigen Körperschaften und politischen Parteien zu wahren?

Gemeinnützige Körperschaften dürfen mit ihren Mitteln politische Parteien nicht unterstützen oder fördern (§ 55 Absatz 1 Nummer 1 Satz 3 Abgabenordnung). Parteien dürfen keine Spenden von gemeinnützigen Körperschaften annehmen (§ 25 Absatz 2 Nummer 2 Parteiengesetz).

Sinn dieser Regelungen ist es, Umgehungen des eingeschränkten Spendenabzugs für Spenden an Parteien, über Zuwendungen an gemeinnützige Körperschaften zu vermeiden.

2.5 Wann können Zivilorganisationen damit rechnen, dass das Gemeinnützigkeitsrecht geändert wird?

Die politische Betätigung von zivilgesellschaftlichen Organisationen beziehungsweise die politische Betätigung steuerbegünstigter Körperschaften wird derzeit auf Bund-Länder-Ebene erörtert. Dazu werden unterschiedliche Reformansätze bewertet. Die Erörterung der Reformansätze ist noch nicht abgeschlossen. Eine Entscheidung durch die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder steht noch aus.

Bei allen Reformansätzen und Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts müssen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Trennung zwischen gemeinnütziger Betätigung und Mitwirkung an der politischen Willensbildung) beachtet werden. Dies erfordert eine umfassende Bewertung, die aufgrund der Komplexität der Thematik Zeit in Anspruch nehmen wird. Das Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg setzt sich dafür ein, weitgehend Rechtsicherheit für gemeinnützige Vereine zu gewährleisten.

3. Aberkennung der Gemeinnützigkeit

3.1 Wie oft werden gemeinnützige Vereine geprüft?

Gemeinnützige Vereine werden regelmäßig vom zuständigen Finanzamt geprüft. Wenn ein Verein erstmalig seine Satzung beim Finanzamt einreicht und diese den Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nach der Abgabenordnung entspricht, dann erhält der Verein die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen durch das zuständige Finanzamt. Ab diesem Zeitpunkt darf er zum Beispiel Spendenbescheinigungen grundsätzlich ausstellen und zwar für längstens drei Jahre.

Ein Verein, der schon gemeinnützig ist, muss seiner Gemeinnützigkeitserklärung, die er in der Regel alle drei Jahre einreichen muss, Nachweise über die vergangenen drei Jahre beifügen. Unter Umständen können sich auch jährliche Fristen ergeben, zum Beispiel bei Vereinen mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Nach erfolgreicher Prüfung wird durch das Finanzamt ein Freistellungsbescheid erteilt. Mit diesem Bescheid ist der Verein von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit und darf auch Spendenbescheinigungen ausstellen. Diese Begünstigungen gelten bis zur Erteilung des nächsten Freistellungsbescheides, längstens jedoch für fünf Jahre.

Wenn aufgrund von Presseberichten oder Ähnlichem Zweifel an der Gemeinnützigkeit eines Vereins bestehen, ist es schon immer üblich, den Verein im Rahmen einer Anhörung um Stellungnahme zu bitten. Die Anhörung ist kein Versuch die Gemeinnützigkeit zu entziehen, sondern lediglich eine Maßnahme zur Ermittlung des zutreffenden Sachverhalts. Das Finanzamt ist hierzu aufgrund der Pflicht zur gleichmäßigen Besteuerung aller Vereine unabhängig vom Zweck des Vereins verpflichtet.

3.2 Gibt es nun Extraüberprüfungen außerhalb des Turnus aufgrund des Urteils?

Das Urteil zu "Attac" nimmt die Steuerverwaltung nicht zum Anlass zusätzliche Prüfungen gemeinnütziger Vereine außerhalb des regulären Prüfungsturnus durchzuführen.

4. Ausschluss bestimmter Gruppierungen

Dürfen Rechts- oder Linksextremisten von einem gemeinnützigen Verein aus geschlossen werden?

Zugangsbeschränkungen eines Vereins für bestimmte Gruppierungen führen nicht zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit, wenn hierfür sachlich relevante Gründe vorliegen. Davon ist zum Beispiel auch im Falle eines Ausschlusses von Mitgliedern extremistischer Organisationen auszugehen. Welche Gruppierungen und Organisationen als extremistisch einzustufen sind, richtet sich nach den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder.

Eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit ist hier weder durch die Rechtsprechung vorgegeben, noch entspricht dies der Verwaltungspraxis.

5. Bedeutung der Gemeinnützigkeit für Vereine

Welche Bedeutung hat die Gemeinnützigkeit für einen Verein?

Ist ein Verein als gemeinnützig anerkannt, ist er in der Regel von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit und darf Spendenbescheinigungen ausstellen.

Daneben erhalten viele Vereine Zuschüsse aus öffentlichen Kassen, die an den Gemeinnützigkeitsstatus geknüpft sind. Auch erfolgt oftmals eine kostengünstige Überlassung von öffentlichen Räumen nur aufgrund der Gemeinnützigkeit eines Vereins. Viele Dachverbände machen die Gemeinnützigkeit ebenfalls zur Voraussetzung der Aufnahme eines Mitgliedvereins.

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