BFH Urteil v. - XI R 27/17

Ermäßigter Steuersatz für genehmigungsfreien Linienverkehr mit Schiffen

Leitsatz

1. NV: Die Voraussetzungen für die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG (Beförderung von Personen im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen) sind auch dann erfüllt, wenn die Beförderung —wie bei Stadtrundfahrten— dem Freizeit- oder Tourismusverkehr dient (Fortführung der , BFHE 234, 504, BStBl II 2011, 1003; vom  - XI R 32/14, BFH/NV 2016, 789).

2. NV: Auch die Personenbeförderung im Linienverkehr mit Schiffen unterliegt grundsätzlich nur dann dem ermäßigten Steuersatz, wenn die Personenbeförderung alle Merkmale des Linienverkehrs erfüllt und der Linienverkehr genehmigt ist.

3. NV: Ist für die Personenbeförderung im Linienverkehr mit Schiffen kein Genehmigungsverfahren vorgesehen, ist der genehmigungsfreie Linienverkehr dem genehmigten Linienverkehr gleichzustellen (Fortführung der , BFHE 153, 162, BStBl II 1988, 651; vom  - V R 39/87, BFH/NV 1989, 267).

Gesetze: UStG § 12 Abs. 2 Nr. 10; MwStSystRL Art. 98; PBefG §§ 21, 22, 42, 46, 48;

Instanzenzug: ,

Tatbestand

I.

1 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt Personenschifffahrt. Im Jahr 2012 (Streitjahr) führte er sowohl Stadtrundfahrten auf der O und um die Stadt M als auch Schiffsfahrten zu Ausflugszielen sowie Charterfahrten durch.

2 Die Stadtrundfahrten wurden im Streitjahr in der Hauptsaison täglich von 10 bis 18 Uhr in halbstündigem Rhythmus mit zwei Schiffen durchgeführt. Eine Rundfahrt dauerte etwa eine Stunde. Die Fahrgäste erhielten während der Fahrt Informationen zu Geschichte, Kultur und Architektur der Stadt M. Das Beförderungsentgelt betrug im Streitjahr für Erwachsene einheitlich 9 €. Eine Ermäßigung für Teilstrecken wurde nicht gewährt. Ausgangspunkt der Stadtrundfahrten war ein auf der Uferseite zur Altstadt der Stadt M gelegener Anleger (A). Weitere Fahrgäste wurden an einem 500 m entfernten Anleger auf der anderen Uferseite (B) aufgenommen. Nach Abschluss der Rundfahrt konnten die Fahrgäste nach ihrer Wahl an einem der beiden Anleger unabhängig davon aussteigen, ob sie dort auch zugestiegen waren.

3 Ein Einstieg von Fahrgästen während der Rundfahrt an weiteren Bedarfsanlegern war nur nach vorheriger telefonischer Mitteilung gegenüber dem Büro des Klägers oder durch Handzeichen gegenüber dem Schiffsführer vom Anleger aus möglich. Ein Hinweis auf die Einstiegsmöglichkeit an den weiteren Bedarfshaltestellen und das Erfordernis der vorherigen telefonischen Anmeldung bzw. des Handzeichens war im Streitjahr weder auf der Internetseite des Klägers noch in dessen Prospekt enthalten. Auf die Möglichkeit des Ausstiegs an den Bedarfsanlegern ist durch die Schiffsführer hingewiesen worden. Die Ausstiegsmöglichkeit ist aber im Wesentlichen nur durch Gruppenreisende wahrgenommen worden.

4 Die Schiffsfahrten zu den Ausflugszielen wurden nur durchgeführt, wenn sich (insbesondere durch Gruppenanmeldungen) eine ausreichende Anzahl an Personen zum vorgesehenen Abfahrtstermin zusammenfand.

5 Eine gesonderte Genehmigung für die vom Kläger durchgeführten Schiffsfahrten ist nach dem Landesrecht Schleswig-Holsteins nicht erforderlich. Für die bei den Stadtrundfahrten eingesetzten Schiffe erhielt der Kläger von der Stadt M die hafenbehördliche Erlaubnis zur Nutzung von Liegeplätzen. Die Beförderungsstrecken betrugen für alle Schiffsfahrten weniger als 50 km.

6 Mit der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr meldete der Kläger Umsatzsteuer in Höhe von ... € an. Der Steueranmeldung lagen steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von ... € zugrunde, die sich aus den Umsätzen aus Charterfahrten ergaben. Die Umsätze aus Stadtrundfahrten und Ausflugsfahrten in Höhe von insgesamt ... € behandelte der Kläger als steuerpflichtige Umsätze zum ermäßigten Steuersatz. Eine getrennte Aufzeichnung der Umsätze aus Stadtrundfahrten nahm der Kläger im Streitjahr nicht vor.

7 Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) zu der Überzeugung, dass die vom Kläger durchgeführten Stadtrundfahrten nicht als Linienverkehr i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) anzusehen seien, da die Fahrten ohne die Möglichkeit zum planmäßigen Verlassen des Schiffes zum Ausgangspunkt zurückgeführt hätten. Die vom Kläger erklärten steuerpflichtigen Umsätze zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von ... € unterlägen damit dem Regelsteuersatz. Dementsprechend setzte das FA die Umsatzsteuer für das Jahr 2012 mit Bescheid vom auf ... € fest.

8 Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom ) wies das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein die dagegen gerichtete Klage mit Urteil vom  - 4 K 34/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2017, 1625) ab, da sowohl die Stadtrundfahrten als auch die Ausflugsfahrten nicht im Linienverkehr erfolgt seien und so dem Regelsatz unterlägen.

9 Mit der Revision macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend.

10 Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom den Umsatzsteuerbescheid vom dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2012 in Höhe von ... € festgesetzt wird.

11 Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.

12 Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat rechtsfehlerhaft die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Stadtrundfahrten als Linienverkehr mit Schiffen (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG) versagt. Es sind noch weitere Feststellungen zum Umfang der nicht ermäßigten Ausflugsfahrten zu treffen.

13 1. Die Steuer beträgt nach § 12 Abs. 1 UStG für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage. Die Steuer ermäßigt sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG auf 7 % für die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kfz, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr innerhalb einer Gemeinde oder wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km beträgt.

14 2. Die streitbefangenen Fahrten dienten der Beförderung von Personen mit Schiffen. Davon ist das FG zu Recht ausgegangen.

15 a) Dass die „Raumüberwindung“ in Gestalt einer Rundfahrt erfolgt, steht einer Beförderungsleistung nicht entgegen. Auch der —z.B. touristische— Zweck der Beförderung ist unerheblich (, BFHE 56, 52, BStBl III 1952, 22, Rz 5; vom  - V R 36/11, BFH/NV 2013, 994, Rz 17; vom  - XI R 12/11, BFHE 241, 72, BStBl II 2013, 645, Rz 32; kritisch Illing, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2011, 845).

16 b) Die Beförderungsleistung stellt nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist (vgl. allgemein z.B. BFH-Beschlüsse vom  - XI B 87/10, BFH/NV 2011, 2128; vom  - V B 49/12, BFH/NV 2014, 189; vom  - XI B 16/14, BFH/NV 2014, 1098, Rz 16), auch die Hauptleistung der angebotenen Fahrten dar.

17 3. Die Stadtrundfahrten des Klägers erfüllen als Linienverkehr mit Schiffen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG; anderes gilt für die Ausflugsfahrten, die das FG ohne Rechtsfehler nicht als Linienverkehr qualifiziert hat.

18 a) Die Frage, ob eine Personenbeförderung im „Linienverkehr“ i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG vorliegt, ist grundsätzlich im verkehrsrechtlichen Sinne zu beantworten (vgl. , BFHE 234, 504, BStBl II 2011, 1003, Rz 17; vom  - XI R 39/10, BFHE 246, 549, BStBl II 2015, 421, Rz 19; vom  - XI R 22/10, BFHE 246, 537, BStBl II 2015, 416, Rz 26; vom  - XI R 32/14, BFH/NV 2016, 789, Rz 34), auch wenn den einzelnen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) im Hinblick auf die fehlende Verweisung in § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung keine abschließende Bedeutung zukommt und das PBefG auf Schiffe an sich nicht anwendbar ist. Gleichwohl sind die dort definierten Anforderungen an den Linienverkehr auf Schiffe anwendbar (ebenso Abschn. 12.13 Abs. 10a Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses —UStAE—).

19 b) Nach § 42 Satz 1 PBefG ist Linienverkehr eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können. Er setzt nicht voraus, dass ein Fahrplan mit bestimmten Abfahrts- und Ankunftszeiten besteht oder Zwischenhaltestellen eingerichtet sind (§ 42 Satz 2 PBefG). In ähnlicher Weise bestimmt Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 300 vom , S. 88 —VO Nr. 1073/2009/EG—), dass „Linienverkehr“ die regelmäßige Beförderung von Fahrgästen auf einer bestimmten Verkehrsstrecke ist, wobei Fahrgäste an vorher festgelegten Haltestellen aufgenommen oder abgesetzt werden können.

20 aa) Ausgangs- und Endpunkt der Strecke müssen lediglich im Vorhinein fest bestimmt sein (, BVerwGE 148, 307, Rz 23; Fiedler in Heinze/Fehling/Fiedler, 2. Aufl., PBefG § 42 Rz 2; Lampe in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 42 PBefG Rz 2).

21 bb) Hinsichtlich der Regelmäßigkeit des Linienverkehrs ist ausschlaggebend, dass er für das Fahrgastpublikum vorhersehbar wiederkehrend —auf derselben Strecke und über eine gewisse Dauer— stattfindet, so dass sich Fahrgäste auf die Benutzung einrichten können (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof —BayVGH—, Urteil vom  - 11 B 80 A.922, Die öffentliche Verwaltung —DÖV— 1983, 518; BayVGH, Urteil vom  - 11 B 11.332, Verkehrsrechtssammlung —VRS— 121, 150, Rz 49; BVerwG-Urteil in BVerwGE 148, 307, Rz 27; Fiedler in Heinze/Fehling/Fiedler, a.a.O., PBefG § 42 Rz 3; Lampe in Erbs/Kohlhaas, a.a.O., § 42 PBefG Rz 3; Fromm/Sellmann/Zuck, 4. Aufl., § 42 PBefG Rz 1, jeweils m.w.N.). Daran fehlt es bei einer bedarfsabhängigen Durchführung des Verkehrs (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom  - 3 ObOWi 23/98, DÖV 1999, 649, Rz 10; BVerwG-Urteil in BVerwGE 148, 307, Rz 27).

22 cc) Außerdem muss Fahrgastfreiheit insofern gewährleistet sein, als ein Linienverkehr einem unbestimmten und unbeschränkten Personenkreis offen steht und auf der Hin- und Rückfahrt ein Fahrgastwechsel eintreten kann bzw. wenigstens möglich sein muss (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom  - 9 S 2312/06, DÖV 2008, 879, Rz 35; Oberverwaltungsgericht —OVG— Rheinland-Pfalz, Urteil vom  - 7 A 10246/12, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report —NVwZ-RR— 2012, 645, Rz 36; OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom  - 3 L 2/11, juris, Rz 78; Lampe in Erbs/Kohlhaas, a.a.O., § 42 PBefG Rz 4; Fiedler in Heinze/Fehling/Fiedler, a.a.O., PBefG § 42 Rz 6; Fromm/Sellmann/Zuck, a.a.O., § 42 PBefG Rz 1, jeweils m.w.N.). Dies ergibt sich nicht nur aus der Beförderungspflicht gemäß § 22 PBefG und für öffentlichen Linienverkehr aus § 8 Abs. 1 PBefG, sondern auch daraus, dass § 43 PBefG und Art. 2 Nr. 3 der VO Nr. 1073/2009/EG nur ausnahmsweise bestimmte Verkehre „unter Ausschluss anderer Fahrgäste“ dem Linienverkehr zuordnen (Fiedler in Heinze/Fehling/Fiedler, a.a.O., PBefG § 42 Rz 6).

23 dd) An diese Regelungsbestandteile des § 42 PBefG —konkretisiert durch die verkehrsrechtliche Rechtsprechung— hat der nationale Gesetzgeber durch Verwendung des Begriffs „Linienverkehr“ typisierend angeknüpft.

24 c) Im Streitfall genügen die Ausflugsfahrten des Klägers, die nur bei Bedarf durchgeführt wurden, nicht dem Erfordernis eines regelmäßigen Verkehrs, wie das FG zu Recht entschieden hat. Anderes gilt für die Stadtrundfahrten, zu denen das FG mit bindender Wirkung für den Senat festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 FGO), dass mit den bei jeder Fahrt angefahrenen Anlegern (A und B) bestimmte Ausgangs- und Endpunkte der Fahrt vorlagen und dass es zusätzlich Bedarfshaltestellen gab. Auch hat das FG festgestellt, dass die Stadtrundfahrten in der Hauptsaison täglich von 10 bis 18 Uhr in halbstündigem Rhythmus durchgeführt wurden, so dass der Verkehr regelmäßig erfolgte. Schließlich war ein Fahrgastwechsel auf der Fahrt —zumindest soweit der Schiffsführer über einen Ein- bzw. Ausstiegswunsch informiert wurde— möglich. Anzeichen dafür, dass der Verkehr einem unbestimmten und unbeschränkten Personenkreis nicht offen gestanden habe, konnte das FG nicht erkennen.

25 Damit sind insoweit die Voraussetzungen eines Linienverkehrs —unabhängig vom Abstand zwischen den Haltestellen und der Frequenz der Bedienung der Bedarfshaltestellen— hinsichtlich der Stadtrundfahrten erfüllt.

26 d) Darauf, ob die Fahrgäste in vielen Fällen ein Ausflugszweck i.S. des Gelegenheitsverkehrs nach § 46 PBefG verbindet, kommt es nicht an, denn dieser würde das Vorliegen von Linienverkehr i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG nicht ausschließen.

27 aa) Vom Linienverkehr grenzt § 46 Abs. 1 PBefG den Gelegenheitsverkehr, zu dem auch der Ausflugsverkehr nach § 48 PBefG zählt (§ 46 Abs. 2 Nr. 2 PBefG), negativ ab: Gelegenheitsverkehr ist die Personenbeförderung mit Kfz, die nicht Linienverkehr i.S. der §§ 42 ff. PBefG ist, wenn die Beförderung unter eine der in § 46 Abs. 2 PBefG genannten Typen fällt (Prinzip des geschlossenen Kreises; vgl. , BVerfGE 17, 306, Rz 20; , BVerwGE 152, 382, Rz 13). Art. 2 Nr. 4 der VO Nr. 1073/2009/EG definiert den Gelegenheitsverkehr dahingehend, dass „Gelegenheitsverkehr“ der Verkehrsdienst ist, der nicht der Begriffsbestimmung des Linienverkehrs, einschließlich der Sonderformen des Linienverkehrs, entspricht und dessen Hauptmerkmal die Beförderung vorab gebildeter Fahrgastgruppen auf Initiative eines Auftraggebers oder des Verkehrsunternehmers selbst ist.

28 Bei der Prüfung der rechtlichen Einordnung hat somit die Frage, ob eine der Formen des Linienverkehrs vorliegt, den Vorrang. Erst wenn sie verneint wird, ist zu prüfen, ob es sich um Gelegenheitsverkehr handelt (Lampe in Erbs/Kohlhaas, a.a.O., § 42 PBefG Rz 1). Damit ist auch eine Stadtrundfahrt bei Vorliegen aller Begriffsmerkmale des Linienverkehrs als Linienverkehr anzusehen (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom  - 13 B 577/07, NVwZ-RR 2007, 561, Rz 6; BayVGH, Urteil in VRS 121, 150, Rz 52; , Gewerbearchiv —GewArch— 2011, 481, Rz 36; BayVGH, Urteil vom  - 11 B 12.321, juris, Rz 82; VG Bayreuth, Urteil vom  - B 1 K 13.668, juris, Rz 33; Frye in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 12 Abs. 2 Nr. 10 Rz 78; a.A. noch wegen des Ausflugszwecks: Hamburgisches , juris; nicht eindeutig insofern: , juris, Rz 4; Hamburgisches , GewArch 2007, 121, Rz 29).

29 bb) Diese Regelungssystematik des PBefG übersieht die Vorinstanz, die die Bestimmung, ob Linienverkehr vorliegt, durch eine Abwägung des für den Linienverkehr prägenden Merkmals der Fahrgastfreiheit einerseits und des für den Ausflugsverkehr prägenden Merkmals des gemeinsamen Ausflugszwecks andererseits vorgenommen hat. Vielmehr liegt nach den verkehrsrechtlichen Vorgaben ein Linienverkehr vor, wenn —wie hier— dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Dass vorab geschlossene Fahrgastgruppen gebildet wurden, ist ebenfalls weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

30 e) Schließlich ist auch nicht ausschlaggebend, ob der Verkehr —über seine regelmäßige und einem unbeschränkten Personenkreis offenstehende Durchführung hinaus— Bedürfnissen der Daseinsvorsorge oder in erster Linie touristischen Zwecken dient.

31 aa) Zwar ist die Steuerermäßigung historisch aus der beabsichtigten Begünstigung des Sozialverkehrs zu erklären (vgl. BTDrucks 8/1779, 40) und dieser Zweck ist —auch mit Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Beförderungsmittel, die typischerweise nicht dem Personennahverkehr dienen— womöglich nicht aufgegeben worden (vgl. BTDrucks 16/6739, 24; , EFG 2013, 253, Rz 10, 18; kritisch Nieuwenhuis, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2011, 1349).

32 bb) Jedoch ergibt der maßgebliche Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Regelung allein sozialen Zwecken dient (BFH-Urteil in BFHE 234, 504, BStBl II 2011, 1003, Rz 19; a.A. Illing, UR 2011, 845, 847). Und auch nach dem PBefG kommt es bei der Frage, ob Linienverkehr vorliegt, nicht auf den Zweck der Beförderung an (Fiedler in Heinze/Fehling/Fiedler, a.a.O., PBefG § 42 Rz 10, m.w.N.).

33 4. Der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes steht auch nicht entgegen, dass der Linienverkehr nicht genehmigt war. Denn in Fällen, in denen für Schiffsverkehr kein Genehmigungsvorbehalt gilt, ist § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG dahingehend auszulegen, dass eine Genehmigung des Linienverkehrs nicht erforderlich ist (vgl. zur stillschweigenden Genehmigung Abschn. 12.13 Abs. 10a Satz 5 UStAE; USt-Kurzinformation Nr. 2014/05 für die Finanzämter des Landes Schleswig-Holstein vom ). Der genehmigungsfreie Linienverkehr ist dem genehmigten Linienverkehr gleichzustellen (vgl. , BFHE 153, 162, BStBl II 1988, 651; vom  - V R 39/87, BFH/NV 1989, 267).

34 a) Im vorliegenden Fall ist eine Genehmigung nach dem PBefG nicht erforderlich, da bereits der Anwendungsbereich dieses Gesetzes nach § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 PBefG für eine Beförderung mit Schiffen nicht eröffnet ist.

35 b) Auch nach landesrechtlichen Vorschriften ist ein Genehmigungsvorbehalt für die Personenbeförderung mit Schiffen im vorliegenden Fall nicht vorgesehen (vgl. USt-Kurzinformation Nr. 2014/05 für die Finanzämter des Landes Schleswig-Holstein vom ). Zwar bedürfen nach § 139 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 des Wassergesetzes des Landes Schleswig-Holstein die Einrichtung oder der Betrieb einer Fähre über Gewässer erster Ordnung und ein sonstiger Übersetzverkehr über die Elbe bzw. Seeverkehrsdienstleistungen im Verkehr mit Inseln und Halligen, wenn dies zur Sicherstellung der ganzjährigen, angemessenen Versorgung der Inseln und Halligen erforderlich ist, einer Genehmigung; dies betrifft den Streitfall jedoch nicht.

36 c) Entscheidend ist jedoch die Vergleichbarkeit der erbrachten Leistungen mit dem genehmigten Linienverkehr mit Schiffen.

37 aa) Für die nach der Freistellungsverordnung zum PBefG genehmigungsfreien Linienverkehre wurde bereits entschieden, dass eine fehlende Genehmigung aufgrund Vergleichbarkeit mit anderem genehmigungsfähigen Verkehr einer Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG nicht entgegen steht (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1989, 267, unter II.2.b, Rz 16; in BFHE 153, 162, BStBl II 1988, 651, unter II.2., Rz 13).

38 bb) Zwar ist insofern zweifelhaft, ob hinsichtlich „genehmigungsfreiem“ Schiffsverkehr auch von einer „planwidrigen“ Unvollständigkeit der Umsatzsteuerregelung ausgegangen werden kann, nachdem sich der Gesetzgeber ausdrücklich für ein Auslaufen der bis zum verlängerten Übergangsregelung, wonach jede Beförderung von Personen mit Schiffen dem ermäßigten Steuersatz unterfiel (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a UStG a.F. i.V.m. § 28 Abs. 4 UStG), entschieden hat (BTDrucks 17/8320, 6; BT-Plenarprotokoll 17/162, 19250).

39 cc) Jedoch gebietet es der Neutralitätsgrundsatz, dass bei Durchführung vergleichbarer Schiffsverkehre, aber unterschiedlich ausgestalteter landesrechtlicher Regelungen, der ermäßigte Steuersatz demjenigen Unternehmer nicht versagt werden darf, der mangels Genehmigungsbedürftigkeit eine Genehmigung nicht erlangen kann.

40 aaa) Unionsrechtliche Grundlage für § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG ist Art. 98, Anhang III Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach können die Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz auf die Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks anwenden.

41 Die den Mitgliedstaaten zuerkannte Wahrnehmung der Möglichkeit einer selektiven Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes unterliegt allerdings der zweifachen Bedingung des Inhalts, dass zum einen für die Zwecke der Anwendung des ermäßigten Satzes nur konkrete und spezifische Aspekte der in Rede stehenden Kategorie von Leistungen herausgelöst werden und zum anderen der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union —EuGH— Pro Med Logistik und Pongratz vom  - C-454/12 und C-455/12, EU:C:2014:111, BStBl II 2015, 437, Rz 45; Oxycure Belgium vom  - C-573/15, EU:C:2017:189, UR 2017, 276, Rz 28; AZ vom  - C-499/16, EU:C:2017:846, UR 2018, 204, Rz 24 f.; Belgisch Syndicaat van Chiropraxie u.a. vom  - C-597/17, EU:C:2019:544, UR 2019, 541, Rz 46; , BFHE 222, 176, BStBl II 2009, 321, unter II.3.d bb, Rz 55; in BFHE 234, 504, BStBl II 2011, 1003, Rz 15, jeweils m.w.N.; in BFH/NV 2016, 789, Rz 30 f.; in BFHE 246, 537, BStBl II 2015, 416, Rz 49 f.; in BFHE 246, 549, BStBl II 2015, 421, Rz 33 ff.).

42 bbb) Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität lässt es nicht zu, gleichartige Gegenstände oder Dienstleistungen, die miteinander in Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. EuGH-Urteile K vom  - C-219/13, EU:C:2014:2207, HFR 2014, 1032, Rz 24; Oxycure Belgium, EU:C:2017:189, UR 2017, 276, Rz 30; Belgisch Syndicaat van Chiropraxie u.a., EU:C:2019:544, UR 2019, 541, Rz 47), ohne dass dadurch jedoch der Geltungsbereich eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ohne eindeutige Bestimmung ausgeweitet werden könnte (EuGH-Urteile Kommission/Luxemburg vom  - C-502/13, EU:C:2015:143, UR 2015, 308, Rz 51; De Fruytier vom  - C-334/14, EU:C:2015:437, UR 2015, 636, Rz 37; Oxycure Belgium, EU:C:2017:189, UR 2017, 276, Rz 31).

43 Bei der Beantwortung der Frage, ob Gegenstände oder Dienstleistungen gleichartig sind, ist in erster Linie auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Gegenstände oder Dienstleistungen sind gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Gegenständen oder Dienstleistungen nicht erheblich beeinflussen (EuGH-Urteile Pro Med Logistik und Pongratz, EU:C:2014:111, BStBl II 2015, 437, Rz 53 ff.; AZ, EU:C:2017:846, UR 2018, 204, Rz 31; Belgisch Syndicaat van Chiropraxie u.a., EU:C:2019:544, UR 2019, 541, Rz 48; BFH-Urteile in BFHE 246, 549, BStBl II 2015, 421, Rz 35; vom  - V R 6/16, BFHE 262, 272, BStBl II 2019, 293, Rz 29).

44 ccc) Zwar hat der Senat entschieden, dass aus maßgeblicher Sicht des Durchschnittsverbrauchers ein Unterschied zwischen Stadtrundfahrten, die im genehmigten Linienverkehr mit Betriebs- und Beförderungspflichten, und solchen, die ohne diese Pflichten nicht im genehmigten Linienverkehr durchgeführt werden, gegeben ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 789, Rz 31). Allerdings betraf dies den Linienverkehr mit Kfz, für den nach § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 PBefG ein Genehmigungsvorbehalt besteht.

45 Beim Schiffsverkehr stellt das Vorliegen einer Genehmigung dagegen kein spezifisches Differenzierungskriterium für den Durchschnittsverbraucher dar, wenn für den nicht genehmigten Verkehr landesrechtlich eine Genehmigungspflicht nicht vorgesehen ist. Vielmehr ist für den Durchschnittsverbraucher maßgeblich, ob die konkreten Anforderungen eines Linienverkehrs nach § 42 PBefG erfüllt sind. Ist dies (vor allem nach den Kriterien der Regelmäßigkeit und Fahrgastfreiheit) gewährleistet, ist jeder Linienverkehr mit Schiffen ebenso geeignet, dem Beförderungsbedürfnis des Nutzers zu entsprechen. Da die Genehmigungsbedürftigkeit somit keinen Einfluss auf die Entscheidung, die eine oder die andere Beförderungsart zu wählen, haben kann, liegen gleichartige Leistungen vor. Diese Anforderungen sind auch geeignet, als rechtlicher Rahmen unterschiedliche Leistungen zu kennzeichnen, so dass der Linienverkehr einen konkreten und spezifischen Aspekt der Personenbeförderungen mit Schiffen darstellt und die selektive Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes rechtfertigt.

46 dd) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Entscheidung des BFH, nach der § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG an die Leistungserbringung, nicht hingegen an den Leistenden anknüpft, so dass steuerbegünstigte Beförderungsleistungen durch einen Unternehmer erbracht werden können, wenn die leistungsbezogenen Merkmale erfüllt sind, ohne dass der Unternehmer selbst Inhaber einer Genehmigung für den Verkehr mit Taxen zu sein braucht oder dieser die Leistung selbst durchführt (, BFHE 251, 444, BStBl II 2016, 494, Rz 25).

47 d) Unerheblich ist, dass für den Betreiber eines Linienverkehrs mit Schiffen ohne Genehmigung seines Verkehrs die Betriebs- und Beförderungspflicht nach §§ 21, 22 PBefG nicht gilt.

48 Zum einen ist dies auch für den genehmigten Linienverkehr nicht zwingend der Fall, da das PBefG auf Schiffsverkehr nicht anwendbar ist und z.B. die Landesgesetzgeber frei in der Ausgestaltung sowohl der Voraussetzungen einer Genehmigung als auch deren Rechtsfolgen sind.

49 Zum anderen ergeben sich die Betriebs- und Beförderungspflichten nur aufgrund des generellen Genehmigungsvorbehalts nach § 2 PBefG, da sie als generell-abstrakte, für alle Genehmigungsinhaber geltende Regelungen der Art und Weise der Beförderungstätigkeit untrennbar mit der Genehmigung verbunden sind, denn der Inhalt der Pflichten wird erst durch die Beförderungsleistungen konkretisiert, die den Gegenstand der Genehmigung bilden (Heinze in Heinze/Fehling/Fiedler, a.a.O., § 21 Rz 2 f., § 22 Rz 2; Fromm/Sellmann/Zuck, a.a.O., § 21 PBefG Rz 3). Ohne (erforderliche) Genehmigung fehlt insofern die Grundlage.

50 Im Übrigen beinhaltet die für einen Linienverkehr erforderliche Regelmäßigkeit und Fahrgastfreiheit auch die wesentlichen Elemente der Beförderungspflicht nach § 22 PBefG, so dass für die Steuerermäßigung des Linienverkehrs mit Schiffen keine weiteren Pflichten gelten müssen (vgl. Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 12 Abs. 2 Nr. 10 Rz 122; a.A. , EFG 2019, 299, Rz 19, Rev. V R 2/19).

51 5. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, da das FG (aus seiner Sicht folgerichtig) bisher nicht festgestellt hat, in welcher Höhe der Kläger im Streitjahr ermäßigt zu besteuernde Umsätze aus Stadtrundfahrten und dem Regelsteuersatz unterliegende Ausflugsfahrten ausgeführt hat.

52 6. Der erkennende Senat entscheidet durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 i.V.m. § 121 FGO). Der Kläger und das FA haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

53 7. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2019:U.280819.XIR27.17.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 108 Nr. 2
HFR 2020 S. 280 Nr. 3
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2020 S. 402
UR 2020 S. 394 Nr. 10
UStB 2020 S. 52 Nr. 2
EAAAH-38397