(Anforderungen an die gerichtlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung)
Gesetze: § 370 AO, § 267 Abs 1 S 1 StPO
Instanzenzug: Az: 526 KLs 8/16
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen Steuerhinterziehung in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten K. wegen Steuerhinterziehung in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Daneben hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 303.600 € gegen den Angeklagten C. und von 103.500 € gegen den Angeklagten K. angeordnet.
2Die hiergegen gerichteten, jeweils auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg.
31. Die Verurteilung der beiden Angeklagten hat keinen Bestand, weil das Urteil nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt; es fehlt zu allen abgeurteilten Taten an tragfähigen Feststellungen als Grundlage für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch.
4a) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für er-wiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise nachvollziehbar geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 538/17, NStZ-RR 2019, 79, 80 und vom – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341 f. jeweils mwN; Urteil vom – 1 StR 718/08, NJW 2009, 2546, 2547). Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 337 StPO).
5Die Strafvorschrift der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) wird materiell-rechtlich ausgefüllt durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 538/17, NStZ-RR 2019, 79, 80 und vom – 1 StR 176/17, NStZ 2018, 341 f. jeweils mwN). Auch hierzu bedarf es aus-reichender tatsächlicher Feststellungen, die eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen deshalb die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 538/17, NStZ-RR 2019, 79, 80 und vom – 5 StR 448/00, wistra 2001, 308, 309 mwN).
6b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Mitgeteilt wird neben einer rudimentären Darstellung des verfahrensgegenständlichen Hinterziehungssystems, das offenbar aus einer Vielzahl von – teilweise gesondert verfolgten – Personen bestand, dass die Angeklagten für die jeweils von ihnen geführten Gesellschaften, die in das vom gesondert Verfolgten W. unterhaltene groß angelegte Hinterziehungssystem, nämlich eine darin integrierte fiktive Lieferkette eingebunden waren, auf Geheiß des W. Eingangs- und Ausgangsrechnungen über den An- und Verkauf von Kupferkathoden erstellten. Sie wussten, dass diesen Rechnungen keine realen Vertrags- und Leistungsbeziehungen zugrunde lagen, dass sie in den benannten Voranmeldezeiträumen Umsatzsteuererklärungen über die in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge abgaben und dass sie hierbei jeweils Vorsteuerbeträge in Abzug brachten und hierdurch die „ins Soll zu stellenden Beträge“ minderten, was zu einer entsprechenden „Festsetzung“ durch das Finanzamt führte.
7In welchem Umfang und über welche Beträge von den Angeklagten Rechnungen erstellt wurden und Umsatzsteuer sowie Vorsteuer bei den jeweiligen Steuererklärungen angegeben bzw. geltend gemacht wurde, ergibt sich aus den landgerichtlichen Feststellungen nicht. Ebenso wenig lässt sich dem Urteil entnehmen, ob die Steueranmeldungen zu einem Erstattungsanspruch geführt haben und ob das Finanzamt diesem gegebenenfalls zugestimmt hat (vgl. , wistra 2014, 486, 487 f.). Das Landgericht teilt lediglich mittels Tabellen mit, die nicht einmal vollständig mit der knappen Darstellung im Fließtext übereinstimmen, zu welchen Zeitpunkten für welche Zeiträume Erklärungen abgegeben wurden und auf welche Beträge sich die Umsatzsteuerverkürzung seiner Auffassung nach in den jeweiligen Zeiträumen und in der Summe beläuft. Dabei wird nur ein Berechnungsergebnis angegeben, das mangels weitergehender Angaben zu den Berechnungsgrundlagen, insbesondere den in den Rechnungen ausgewiesenen Brutto- und Nettobeträgen, in keiner Weise nachvollziehbar ist. Den Urteilsgründen lässt sich daher auch nicht entnehmen, welcher Hinterziehungsumfang gerade durch die unrichtigen Steuererklärungen der Angeklagten verursacht wurde.
82. Der Senat hebt die gesamten Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (§ 353 Abs. 2 StPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:070219B1STR484.18.0
Fundstelle(n):
MAAAH-36971