Instanzenzug: Az: S 14 R 383/13vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 12 R 33/17
Gründe
I
1Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom die Anrechnung der Verletztenrente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf dessen Altersrente für schwerbehinderte Menschen als rechtmäßig bestätigt. Die Beklagte sei bei der Berechnung des sog Grenzbetrags nach § 93 Abs 3 SGB VI zutreffend von dem Jahresarbeitsverdienst ausgegangen, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liege.
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem am zugestellten Urteil hat der Kläger fristgerecht Beschwerde beim BSG eingelegt. Nach gerichtlichem Hinweis vom auf den Ablauf der Begründungsfrist am hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat an Eides statt versichert, dass der Begründungsschriftsatz am gefertigt und am auf Anweisung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts von dem Rechtsreferendar ausgefertigt und zur Post gegeben worden sei. In dem zugleich eingereichten Schriftsatz vom macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
3Die Beschwerde ist unzulässig.
41. Der Kläger hat die zweimonatige Frist zur Beschwerdebegründung des § 160a Abs 2 Satz 1 SGG versäumt. Ob wegen der Fristversäumnis Wiedereinsetzung zu gewähren ist, bedarf keiner Entscheidung. Zur Begründung des Antrags nach § 67 SGG auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist muss glaubhaft gemacht werden, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Es kann hier dahinstehen, ob mit den Angaben des Prozessbevollmächtigten ein zuzurechnendes Organisationsverschulden hinreichend ausgeschlossen werden kann, selbst im Falle einer Wiedereinsetzung genügt die nachgeholte Begründung der Beschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen. Sie wäre unzulässig (dazu 2.).
52. Der in der Beschwerdebegründung vom allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) wird nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargelegt (§ 160 Abs 2 Satz 3 SGG).
6Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ist in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4, jeweils mwN). Um die Klärungsbedürftigkeit aufzuzeigen, muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenkreis noch keine Entscheidung getroffen hat bzw dass sich aus der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Anhaltspunkte für dessen Beantwortung ergeben (vgl Senatsbeschluss vom - B 13 R 195/10 B - Juris RdNr 9). Auch und insbesondere zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt, genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG, im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl - juris RdNr 16 mwN).
7Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
8Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
ob die Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung verfassungsgemäß ist.
9Hierzu trägt er vor, dass die Regelung gegen Art 3 Abs 1 GG und insbesondere gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, weil die Regelung auf den Verdienst im Beruf des Flugzeugbauers abstelle, den er zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn ausgeübt und bei dessen Ausübung er 1970 den Wegeunfall erlitten habe. Der Großteil seiner "Einzahlungen" in die Rentenkasse sei aber aufgrund der Tätigkeit als Dipl. Ingenieur erfolgt, sodass dieses Gehalt als Grundlage für den Jahresarbeitsverdienst für die Berechnung des Grenzwerts zugrunde zu legen sei. Der Grenzwert hätte dann entsprechend höher gelegen mit der Folge, dass eine Anrechnung nicht stattgefunden hätte; hierzu führt er ein Berechnungsbeispiel an. Im Erwerbsleben sei die Unfallrente neben dem höheren Ingenieurseinkommen ungekürzt gezahlt worden. Nunmehr werde er durch das geringere Renteneinkommen und die Anrechnung der Unfallrente doppelt benachteiligt. § 93 SGB VI benachteilige die Arbeitnehmer, die einen Arbeitsunfall am Anfang ihres Arbeitslebens erlitten hätten, gegenüber denjenigen, die einen Arbeitsunfall erst spät erlitten hätten.
10Damit hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der Fragen nicht hinreichend aufgezeigt.
11Anders als erforderlich setzt er sich nicht ansatzweise mit den Vorschriften zur Berechnung der Verletztenrente anhand des Jahresarbeitsverdiensts noch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Anrechnung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) auf eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung auseinander (vgl zu § 93 SGB VI und den Vorgängervorschriften des § 1278 RVO und § 55 AVG ua BVerfG - Dreierausschussbeschluss vom - 1 BvR 696/67 - juris; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - SozR 2200 § 1278 Nr 11; - BSGE 82, 83 - 106 = SozR 3-2600 § 93 Nr 7). Insbesondere fehlt jegliche Beschäftigung mit dem Sinn und Zweck des § 93 SGB VI als einer verfassungsgemäßen "Verhinderung einer Doppelversorgung durch funktionsgleiche Leistungen aus verschiedenen Versicherungszweigen" (vgl ua - aaO RdNr 40 ff) und dem Charakter der Verletztenrente als durch einen Arbeitsunfall veranlasste "abstrakt berechnete Verdienstausfallentschädigung" (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 591/08; 1 BVR 593/08 - juris RdNr 38), mit der dasjenige Niveau an Einkommen aufrechterhalten werden soll, das der Versicherte bei Eintritt des Arbeitsunfalles aus jeweils in der UV versicherter abhängiger Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit hatte (vgl - aaO RdNr 43).
12Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
13Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
14Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2019:281019BB13R20018B0
Fundstelle(n):
DAAAH-36948