Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinschaftliche obere Gericht
Gesetze: § 14 StPO
Gründe
I.
11. Das Landgericht Lüneburg - Strafvollstreckungskammer - führt seit dem die Bewährungsaufsicht über den Verurteilten aus einem Urteil des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal.
2Mit Schreiben vom übersandte das Amtsgericht Syke dem Landgericht Lüneburg eine neue Anklage gegen den Verurteilten wegen Betruges in 20 Fällen zur Kenntnis.
3Mit Schreiben vom , eingegangen beim Landgericht Lüneburg am , teilte die Staatsanwaltschaft Verden mit, dass der Verurteilte vom Amtsgericht Syke durch Urteil vom , rechtskräftig seit dem , zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wurde.
4Seit dem wird diese neue Strafe gegen den Verurteilten in der Justizvollzugsanstalt Lingen vollstreckt.
5In einem Vermerk vom führt die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg aus, dass aufgrund der Nachverurteilung ein Widerruf der Bewährung in Betracht käme. Für diese Entscheidung sei aufgrund der zwischenzeitlichen Inhaftierung des Verurteilten in Lingen gemäß § 462a StPO nunmehr die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit Sitz am Amtsgericht Lingen zuständig. Eine Vorbefaßtheit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg mit der Frage des Widerrufs der Bewährung läge nicht vor, weil ein solcher vor einer Versendung des Bewährungsheftes an die Staatsanwaltschaft Bremen am und auch bislang nicht beantragt worden sei.
6Die Staatsanwaltschaft Bremen beantragte daraufhin beim Landgericht Lüneburg mit Schreiben vom , die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB zu widerrufen. Zur Frage der gerichtlichen Zuständigkeit verhielt sie sich nicht.
7Mit Beschluss vom hat das Landgericht Lüneburg die Bewährungsaufsicht an die Auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit Sitz am Amtsgericht Lingen abgegeben, mit Verfügung vom wurde die Bewährungssache dort übernommen.
8Mit Beschluss vom hat das Landgericht Osnabrück - Strafvollstreckungskammer mit dem Sitz in Lingen - die dem Verurteilten bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung nach vorheriger Anhörung widerrufen.
9Mit Anwaltsschriftsatz vom hat der Verurteilte gegen den vorgenannten Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt.
102. Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht Oldenburg die Sache gemäß § 14 StPO dem Bundesgerichthof vorgelegt, mit dem Anliegen, das für den Bewährungswiderruf zuständige Gericht zu bestimmen. Das Oberlandesgericht führt aus, es beabsichtige, den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück aufzuheben und den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Bremen wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit Sitz in Lingen sei örtlich nicht zuständig gewesen. Durch die Übersendung der Anklageschrift sei die Strafvollstreckungskammer des Landgericht Lüneburg bereits mit dem Widerruf der Strafaussetzung befasst gewesen; die so begründete örtliche Zuständigkeit sei durch die Aufnahme des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Lingen am nicht beendet worden.
11Das Oberlandesgericht sieht sich indes an der beabsichtigten Entscheidung gehindert, weil diese zu einem Stillstand des Verfahrens führen würde. Das aus seiner Sicht zuständige Landgericht Lüneburg habe bereits aktenkundig gemacht, dass es sich für nicht zuständig halte. Es läge damit ein negativer Kompetenzkonflikt vor, welcher vom Bundesgerichthof als gemeinschaftlichem oberen Gericht zu entscheiden sei.
II.
12Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:
„Die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 14 StPO liegen nicht vor.
Erforderlich ist, dass zwischen mehreren Gerichten ein Streit über die Zuständigkeit besteht. Ein negativer Kompetenzkonflikt liegt vor, wenn sämtliche mit derselben Sache befassten Gerichte sich für unzuständig halten. Es ist nur dann nach § 14 StPO zu verfahren, wenn zwischen den Gerichten „Streit“ besteht, d.h. wenn mindestens zwei Entscheidungen anfechtbar sind (KK-StPO/Scheuten, 8. Aufl. 2019, StPO § 14 Rn. 1). Daran fehlt es hier:
Das Landgericht Lüneburg hat lediglich in einem Vermerk niedergelegt, dass es sich für unzuständig hält (s.o. I 10). Ob dieser Vermerk in einen anfechtbaren Beschluss umgedeutet werden könnte, kann dahinstehen, denn nach Aktenlage gibt es - noch - keinen Dissens zwischen den mit derselben Sache befassten Gerichten. Das Landgericht Lüneburg und das Landgericht Osnabrück sind sich vielmehr einig, dass das Landgericht Osnabrück für den Bewährungswiderruf zuständig ist. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat demgegenüber lediglich erklärt, wie es zu entscheiden beabsichtigt, in der Sache indes noch nicht entschieden. Eine bloße Beschlussabsicht kann einen negativen Kompetenzkonflikt aber nicht begründen. Dies ergibt sich auch nicht aus dem über die Kommentierung in Löwe/Rosenberg vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Senates vom (2 ARs 292/75; BGHSt 26, 212), denn dort hatten beide beteiligten Amtsgerichte eine Zuständigkeit bereits verneint, als das auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin mit der Sache befasste Landgericht die Akte dem Bundesgerichtshof zugeleitet hat.
Sollte nach einer etwaigen Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Osnabrück - Strafvollstreckungskammer mit dem Sitz in Lingen - vom (s.o. I 13) und erneuter Befassung des Landgerichts Lüneburg dort trotz der zutreffenden Begründung des Oberlandesgerichts Oldenburg, welche in dem Vermerk vom nicht berücksichtigt wurde, eine Zuständigkeit verneint werden, kann das Bewährungsheft zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes erneut vorgelegt werden. Ein Stillstand des Verfahrens ist damit nicht zu befürchten.“
13Dem schließt sich der Senat an.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:240919B2ARS229.19.0
Fundstelle(n):
EAAAH-36832