BGH Beschluss v. - IX ZB 16/18

Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines rumänischen Urteils: Nachweis der Berechtigung eines antragstellenden Dritten zur Vollstreckung im Erststaat

Gesetze: § 7 Abs 1 S 1 AVAG, § 574 Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO, § 726 ZPO, § 727 ZPO, Art 66 Abs 2 EGV 44/2001

Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 5 W 73/16vorgehend LG Stendal Az: 22 O 2/16

Gründe

I.

1Mit einer am registrierten Klage nahm der Insolvenzverwalter über das Vermögen der in Rumänien ansässigen Gesellschaft C.           den Antragsgegner vor dem rumänischen Fachgericht für Insolvenzsachen Mures auf Zahlung von 2.668.174,89 Lei nebst Prozesskosten in Anspruch. Die Klage wurde darauf gestützt, dass der Antragsgegner als früherer Geschäftsführer der Schuldnerin deren Insolvenz durch Gesetzesverstöße herbeigeführt habe und daher den Betrag an die Masse zahlen müsse, der die gesamten in der endgültigen Tabelle der Forderungen aufgeführten Passiva der Schuldnerin decke. Danach standen an Verbindlichkeiten zuletzt nur noch dem Rathaus G.      1.204 Lei und der Antragstellerin 159.176,89 Lei zu, so dass die Klageforderung in der Hauptsache auf 160.380,89 Lei (= 33.972,27 €) reduziert wurde. Mit Urteil vom verurteilte das Fachgericht Mures den Antragsgegner zu der Zahlung des Betrages an die Masse der Schuldnerin. Die Berufung des Antragsgegners hatte keinen Erfolg.

2Der Insolvenzverwalter teilte der Antragstellerin auf deren Anfrage mit, er halte es für am geeignetsten, wenn jeder Gläubiger selbst die Zwangsvollstreckung versuche. Das Fachgericht Mures erteilte der Antragstellerin nachfolgend beglaubigte Abschriften des rechtskräftigen Urteils und der Berufungsentscheidung.

3Die Antragstellerin hat beantragt, das rechtskräftige Urteil vom mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Das Landgericht hat dem Antrag entsprochen. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht den Antrag zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren ursprünglichen Antrag weiter.

II.

4Die Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.

51. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt:

6Sofern die Vollstreckungsklausel zu Gunsten eines anderen als des in dem Titel bezeichneten Berechtigten erteilt werden solle, sei auch die Frage, ob der Titel für die Antragstellerin vollstreckbar sei, gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 AVAG nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem der Titel geschaffen worden sei. Ein Rechtssatz des rumänischen Rechts, demzufolge die Antragstellerin berechtigt sei, aus dem Urteil vom die Zwangsvollstreckung zu betreiben, sei weder dem Vortrag der Parteien noch dem von dem Senat eingeholten Sachverständigengutachten zu entnehmen. Soweit der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Entscheidung nach rumänischem Recht für die Antragstellerin vollstreckbar sei, belegten seine Ausführungen das Ergebnis nicht. Aus den durch ihn herangezogenen Vorschriften folge weder, dass die in der endgültigen Tabelle verzeichneten Gläubiger materiell-rechtlich Inhaber der titulierten Forderung würden, noch, dass sie eine formelle Berechtigung zur Einleitung der Zwangsvollstreckung erlangten. Es sei auch nicht erkennbar, wie die titulierte Forderung aus dem Vermögen der Schuldnerin in das Vermögen der Gläubiger übergehen solle.

72. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 44 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan: EuGVVO aF) in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil sie nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

8a) Auf das Verfahren findet die EuGVVO aF Anwendung, die in allen (damaligen) Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme Dänemarks am in Kraft getreten ist (Art. 76 EuGVVO aF) und auf alle Klagen anzuwenden ist, die danach erhoben worden sind (Art. 66 Abs. 1 EuGVVO aF). Mit dem Beitritt zur Europäischen Union am wurde der Geltungsbereich der EuGVVO aF auf Rumänien als neuem Mitgliedstaat erstreckt (Art. 4 Abs. 2 des Vertrags über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union, ABl EU 2005 L 157/11). Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (fortan: EuGVVO nF) kommt nach Art. 66 Abs. 1 EuGVVO nF nicht zur Anwendung, weil das Verfahren nicht am oder danach eingeleitet worden ist. Für vor dem eingeleitete Verfahren findet nach Art. 66 Abs. 2 EuGVVO nF die EuGVVO aF weiterhin Anwendung.

9b) Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten Verletzungen von Verfahrensgrundrechten liegen nicht vor.

10aa) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 AVAG die Zwangsvollstreckung aus einem im Ausland ergangenen Titel zugunsten eines anderen als des in dem Titel bezeichneten Berechtigten für zulässig erklärt werden kann, wenn der Titel nach dem Recht des Staates, in dem er errichtet worden ist, für den anderen vollstreckbar ist. Das Beschwerdegericht ist, ohne Verfahrensgrundrechte der Antragstellerin zu verletzen, aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der Würdigung des Vortrags der Parteien zu dem Ergebnis gelangt, dass dem rumänischen Recht ein Rechtssatz, demzufolge die Antragstellerin berechtigt wäre, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Fachgerichts Mures vom zu betreiben, nicht zu entnehmen ist.

11bb) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, das Beschwerdegericht habe Maßstäbe zum Nachweis der Berechtigung der Antragstellerin zur Vollstreckung aus dem Urteil im Sinne von Art. 38 EuGVVO aF angelegt, die der Antragstellerin eine Durchsetzung ihrer Ansprüche faktisch unmöglich machen würden, und sie dadurch in ihrem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt. Ferner beruhe die Verneinung der Berechtigung der Antragstellerin zur Vollstreckung aus dem Urteil auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewähr rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG. Diesbezüglich liegen Zulassungsgründe nicht vor.

12(1) Das Beschwerdegericht hat die Darlegungslast nicht in gehörswidriger Weise verkannt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 AVAG ist durch den die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung beantragenden Gläubiger nachzuweisen, dass er nach dem Recht des Staates, in dem der Titel errichtet worden ist, zur Zwangsvollstreckung berechtigt ist. § 7 Abs. 1 Satz 2 AVAG enthält hinsichtlich der Form des Nachweises zwar eine von den §§ 726, 727 ZPO abweichende Regelung. Es verbleibt aber bei dem Grundsatz, dass zur Erteilung der Vollstreckungsklausel der Vollstreckungsgläubiger den Nachweis seiner Berechtigung zu führen hat. Im Anwendungsbereich der hier einschlägigen EuGVVO aF ist nach § 55 Abs. 1 AVAG die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 AVAG nicht anzuwenden. Dies hat aber nur zur Folge, dass der erforderliche Nachweis mit allen Beweismitteln (und nicht nur durch Urkunden) geführt werden kann (vgl. , IPRspr 2012, 577 Rn. 4).

13(2) Ferner hat das Beschwerdegericht die Anforderungen an den durch die Antragstellerin zu erbringenden Nachweis nicht überspannt. Stellt ein Rechtsnachfolger eines früheren Rechtsnachfolgers der ursprünglichen Partei einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung, so ist für jeden dieser Rechtsnachfolger die Berechtigung zur Vollstreckung im Erststaat, in dem der Titel errichtet worden ist, festzustellen (vgl. , aaO). Erst Recht muss dann die Berechtigung eines Dritten zur Vollstreckung im Erststaat festgestellt werden. Den insoweit erforderlichen Beweis hat das Beschwerdegericht, sachverständig beraten, als nicht geführt angesehen. Zulässigkeitsrechtlich relevante Fehler sind ihm dabei nicht unterlaufen. Die Anwendung ausländischen Rechts wird in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht geprüft (, BGHZ 198, 14 Rn. 15 ff).

14(3) Schließlich hat das Beschwerdegericht erheblichen Vortrag der Antragstellerin nicht gehörswidrig übergangen. Einerseits hat es nicht außer Acht gelassen, dass eine von der Gesetzeslage abweichende Praxis behauptet worden ist. Andererseits ist eine Abtretung des titulierten Anspruchs gegen den Antragsgegner an die Antragstellerin oder aber zumindest die Einräumung einer gewillkürten Prozessstandschaft in dem bisherigen Verfahren nicht durch die Antragstellerin behauptet worden, sodass entsprechender Vortrag als neuer Tatsachenvortrag im Rechtsbeschwerdeverfahren ausgeschlossen ist (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:190919BIXZB16.18.0

Fundstelle(n):
FAAAH-36126