BGH Beschluss v. - VI ZB 8/18

Prozesskostenhilfeverfahren: Prozesskostenvorschussanspruch gegen den Ehegatten bei Abwehr eines in der beruflichen Tätigkeit des Anspruchsgegners begründeten Schadensersatzanspruchs

Leitsatz

Stützt der Anspruchsteller seinen Schadensersatzanspruch auf angeblich strafbares Verhalten des Anspruchsgegners, so ist die Abwehr dieses Anspruchs für den Anspruchsgegner grundsätzlich auch dann eine persönliche Angelegenheit im Sinne von § 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB, wenn der Anspruch seine Grundlage in der beruflichen Tätigkeit des Anspruchsgegners findet.

Gesetze: § 114 Abs 1 ZPO, § 1360a Abs 4 S 1 BGB

Instanzenzug: OLG Dresden Az: 8 U 1631/17vorgehend Az: 9 O 2876/15

Gründe

I.

1Der Kläger nimmt unter anderem den Beklagten zu 4 (im Folgenden: Beklagter) im Zusammenhang mit einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage auf Schadensersatz in Anspruch. Er wirft ihm insbesondere vor, für fehlerhafte Angaben im für die Kapitalanlage herausgegebenen Verkaufsprospekt, insbesondere für die fehlerhafte Darstellung der Ertragskraft der Anlagegesellschaft, mitverantwortlich zu sein, insoweit (Vermögens-)Straftaten zu seinen Lasten begangen und ihn sittenwidrig geschädigt zu haben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Für das vom Kläger betriebene Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht dem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt, ihm allerdings die Zahlung monatlicher Raten zu je 1.000 € auferlegt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, für die er zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe begehrt.

II.

21. Die statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

3a) Das Berufungsgericht hat die Festsetzung monatlicher Raten mit der Erwägung begründet, der Beklagte habe den ihm als Teil seines Vermögens zustehenden Prozesskostenvorschussanspruch gegen seine Ehefrau aus § 1360a Abs. 4 BGB in Höhe von monatlich 1.000 € einzusetzen. Ein solcher Anspruch stehe ihm zu und sei auch zeitnah durchsetzbar.

4Beim anhängigen Rechtsstreit handle es sich um eine persönliche Angelegenheit im Sinne von § 1360a Abs. 4 BGB. Zwar entspringe der Prozess der beruflichen Tätigkeit des Beklagten, er stelle sich für ihn aber trotzdem als persönliche Angelegenheit dar, weil seine Inanspruchnahme als Beklagter zum einen im Hinblick auf die erhobenen Vorwürfe seine persönliche Ehre berührten und zum anderen auch der persönliche Lebensbereich sowohl des Beklagten als auch seiner Ehefrau unmittelbar betroffen sei, wie die zugunsten von Anlegern ergangenen Arrestbeschlüsse, die auch gemeinschaftliche Vermögenswerte der Ehegatten wie Wohnungen und Gemälde betroffen hätten, zeigten. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass Familiensolidarität staatlicher Fürsorge vorgehe, entspreche es der Billigkeit im Sinne des § 1360a BGB, dass die Ehefrau des Beklagten an diesen aus ihrem Einkommen monatlich 1.000 € leiste. Denn zum einen sei der Beklagte bedürftig, weil er die im Berufungsverfahren voraussichtlich anfallenden eigenen Anwaltskosten nicht aufzubringen vermöge; zum anderen erziele die Ehefrau des Beklagten ein so hohes Einkommen, dass es ihr möglich und zumutbar sei, den genannten Betrag monatlich als Prozesskostenvorschuss aufzubringen, ohne ihren eigenen angemessenen Selbstbehalt zu gefährden oder den Stamm ihres (nicht unerheblichen) Vermögens antasten zu müssen.

5Nicht entgegen stehe der Annahme eines Anspruchs des Beklagten gegen seine Ehefrau, dass der Beklagte von Hunderten weiterer Anleger auf Schadensersatz im zweistelligen Millionenbereich in Anspruch genommen werde. Denn zum einen sei bei jeder Entscheidung über einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe die wirtschaftliche Situation im Zeitpunkt der Entscheidung zu bewerten; bislang sei dem Beklagen die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 1360a Abs. 4 BGB aber noch nicht abverlangt worden. Zum anderen habe der (Berufungs-)Senat im Rahmen der anderen bei ihm anhängigen Verfahren den im vorliegenden Verfahren berücksichtigten Prozesskostenvorschussanspruch zu Gunsten des Beklagten in Ansatz gebracht und ihm in den Parallelverfahren deshalb keine Leistungen aus seinem Vermögen abverlangt; denn die Ehefrau des Beklagten könne nicht in sämtlichen beim (Berufungs-)Senat gegen ihren Ehemann anhängigen Berufungsverfahren Prozesskostenvorschuss gewähren, ohne ihren Vermögensstamm anzugreifen.

6b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

7aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde betrifft der vorliegende Rechtsstreit eine "persönliche Angelegenheit" im Sinne von § 1360a Abs. 4 BGB.

8(1) Dass auch eine vermögensrechtliche Streitigkeit eine persönliche Angelegenheit betreffen kann, ist in Rechtsprechung (vgl. nur , NJW 2010, 372 Rn. 6; Urteile vom - VII ZR 5/63, BGHZ 41, 104, 110 f., juris Rn. 38; vom - IV ZR 145/59, BGHZ 31, 384, 386, juris Rn. 17; KG, NJW-RR 2018, 712 Rn. 8; OLG Celle, FamRZ 2015, 1420, 1421; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2010, 1689) und Literatur (vgl. nur Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 6. Aufl., § 21 Rn. 39; Rauscher, Familienrecht, 2. Aufl., Rn. 314a; FamR-Komm/Klein, Marion, 6. Aufl., § 1360a Rn. 54 f.; BeckOGK/Preisner, BGB, Stand , § 1360a Rn. 251; MüKoBGB/Weber-Monecke, 7. Aufl., § 1360a Rn. 26; Staudinger/Voppel, BGB, 2018, § 1360a Rn. 67) allgemein anerkannt. Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten eines Ehegatten mit einem Dritten kommt es darauf an, ob der Rechtsstreit eine genügend enge Verbindung zur Person dieses Ehegatten aufweist (vgl. , BGHZ 41, 104, 112, juris Rn. 43). Dabei wird davon ausgegangen, dass sich eine allgemeingültige begriffliche Formel, wann eine solche genügend enge Verbindung zwischen dem Rechtsstreit und der Person des betreffenden Ehegatten besteht, schwerlich finden lassen wird, die richtige Einordnung vielmehr fallgruppenbezogen vorgenommen werden muss (, aaO).

9(2) Der vorliegende Rechtsstreit weist eine genügend enge Verbindung zur Person des Beklagten auf. Zwar trifft es zu, dass - so die Rechtsbeschwerde - die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche ihre Grundlage in der beruflichen Tätigkeit des Beklagten finden. Im Streitfall spricht entscheidend für die Annahme einer persönlichen Angelegenheit aber der Umstand, dass der Kläger seine Schadensersatzansprüche auf angeblich strafbares Verhalten des Beklagten stützt. Der vom Kläger damit erhobene Vorwurf strafrechtlich relevanter Schuld und der in diesem Vorwurf enthaltene sozialethische Tadel (vgl. nur Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., Vorbemerkung zu den §§ 13 ff., Rn. 103/104) treffen den Beklagten gerade auch in seiner persönlichen Sphäre. Damit ist aber auch die Verteidigung gegen diesen Vorwurf eine persönliche Angelegenheit (vgl. auch OLG Köln, FamRZ 1979, 964, 965; FamR-Komm/Klein, Marion, 6. Aufl., § 1360a BGB, Rn. 57).

10Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird dieses Ergebnis im Übrigen auch durch die Regelung des § 1360a Abs. 4 Satz 2 BGB gestützt. Zwar unterstellt sie nur die Kosten der Verteidigung in einem gegen den Ehegatten geführten Strafverfahren ohne weitere Prüfung des Merkmals der persönlichen Angelegenheit (vgl. Glasmacher, Der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gemäß § 1360a IV BGB, 2003, S. 75; BeckOGK/Preisner, BGB, Stand , § 1360a Rn. 262; Staudinger/Voppel, BGB, 2018, § 1360a Rn. 73; MüKoBGB/Weber-Monecke, 7. Aufl., § 1360a Rn. 26) dem unterhaltsrechtlichen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss. Die Regelung legt aber nahe, dass nach der gesetzlichen Wertung der Vorwurf einer Straftat und seine Abwehr stets persönliche Angelegenheiten des vom Vorwurf Betroffenen sind (vgl. auch BeckOGK/Preisner, aaO). Dass die Rechtsverteidigung im - wie hier - Zivilprozess nicht die Abwehr strafrechtlicher Folgen bezweckt, sondern die Abwendung schadensersatzrechtlicher Konsequenzen des angeblich strafbaren Verhaltens zum Gegenstand hat, ändert an diesem aus Sicht des erkennenden Senats entscheidenden Gesichtspunkt nichts.

11bb) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht auch zum Ergebnis gelangt, es entspreche der Billigkeit, dass die Ehefrau des Beklagten monatlich 1.000 € Prozesskostenvorschuss an ihren Ehemann für den vorliegenden Rechtsstreit bezahlt.

12(1) Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, der Ehefrau des Beklagten sei es möglich, ihrem Ehemann, der die voraussichtlichen Prozesskosten nicht selbst aufbringen könne, monatlich 1.000 € als Prozesskostenvorschuss zur Verfügung zu stellen, ohne ihren eigenen angemessenen Selbstbehalt zu gefährden oder den Stamm ihres (nicht unerheblichen) Vermögens antasten zu müssen, wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist deshalb davon auszugehen, dass die Ehefrau des Beklagten - wie für § 1360a Abs. 4 BGB erforderlich - leistungsfähig ist (vgl. zu der im Rahmen des § 1360a Abs. 4 BGB ausreichenden Fähigkeit zur ratenweisen Zahlung: , NJW-RR 2004, 1662, 1663, juris Rn. 15 ff.).

13(2) Auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. , NJW 2010, 372 Rn. 11) ist es der Ehefrau des Beklagten unter dem Gesichtspunkt der gegenseitigen personalen Verantwortung aus der ehelichen Lebensgemeinschaft und der allgemeinen unterhaltsrechtlichen Pflicht zum finanziellen Beistand damit auch grundsätzlich zumutbar, ihren bedürftigen Ehemann bei der Finanzierung des Rechtsstreits hinsichtlich der gegen ihn geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu unterstützen.

14Besondere Umstände, die der Ehefrau des Beklagten die Finanzierung des vorliegenden Rechtsstreits trotz bestehender Leistungsfähigkeit unzumutbar machen würden, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde insbesondere nicht daraus, dass der Beklagte auch von zahlreichen anderen Anlegern auf Schadensersatz in zweistelliger Millionenhöhe in Anspruch genommen wird, sich zudem einem Strafprozess zu stellen hat und seiner Ehefrau durch die auferlegten Raten - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - die Möglichkeit genommen würde, den Beklagten in diesen Verfahren zu unterstützen. Die Rechtsbeschwerde legt bereits nicht dar, dass der Beklagte in der Vorinstanz geltend gemacht hätte, dass seine Ehefrau ihn in anderen Verfahren finanziell unterstütze oder ohne die Heranziehung zum Prozesskostenvorschuss im vorliegenden Verfahren beabsichtige, ihn in anderen Verfahren zu unterstützen; vielmehr ist dem Beklagten ausweislich des angegriffenen Beschlusses und der Rechtsbeschwerdebegründung jedenfalls in den bereits anhängigen Parallelverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt worden. Dass die Zahlung monatlicher Raten gerade im vorliegenden Rechtsstreit angeordnet worden ist, hat seinen - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hinreichenden - Grund darin, dass nicht ersichtlich ist, dass die Ehefrau des Beklagten bereits in einem anderen Verfahren zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses herangezogen wurde.

15(3) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, sind die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Billigkeit der Heranziehung der Ehefrau des Beklagten zum Prozesskostenvorschuss schließlich auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil in der angefochtenen Entscheidung der grundsätzliche Vorrang der Familiensolidarität vor staatlicher Fürsorge betont wird. Hat der zu finanzierende Rechtsstreit - wie hier - eine persönliche Angelegenheit des daran beteiligten Ehegatten zum Gegenstand, ist dieser nicht in der Lage, die Kosten selbst zu tragen, der andere Ehegatte aber leistungsfähig und liegen keine besonderen Umstände vor, die es für den leistungsfähigen Ehegatten unzumutbar erscheinen lassen, den Prozess zu finanzieren, so greift der § 1360a Abs. 4 BGB zugrundeliegende Grundsatz des Vorrangs der Familiensolidarität vor staatlicher Fürsorge (vgl. , NJW 2010, 372 Rn. 12). Nichts anderes hat das Berufungsgericht zum Ausdruck gebracht. Den von der Rechtsbeschwerde erhobenen Vorwurf, die Argumentation des Berufungsgerichts sei insoweit "zirkulär", vermag der erkennende Senat vor diesem Hintergrund nicht nachzuvollziehen.

162. Auch für das vorliegende Rechtsbeschwerdeverfahren war dem Beklagten - seinem Antrag entsprechend - Prozesskostenhilfe zu gewähren, allerdings nur unter Festsetzung von monatlichen Raten von 1.000 €.

17a) Obwohl die Rechtsbeschwerde mit dem vorliegenden Beschluss auch in der Hauptsache zurückgewiesen wird, hatte sie im Zeitraum zwischen Eintritt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags und dem jetzigen Beschluss in der Hauptsache (vgl. zum Beurteilungszeitpunkt in der vorliegenden Fallkonstellation nur , NJW 2012, 1964 Rn. 13 ff.; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 119 Rn. 44 ff.) hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

18aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist die hinreichende Erfolgsaussicht in aller Regel bereits dann zu bejahen, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt. Denn die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Verfahren der Prozesskostenhilfe bietet den nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geschützten Rechtsschutz nicht selbst, sondern will ihn erst zugänglich machen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 32/18, zVb; vom - XII ZA 6/04, NJW-RR 2004, 1662, juris Rn. 7; jeweils mwN).

19bb) Im Streitfall hat das Berufungsgericht die Rechtsbeschwerde mit der Begründung zugelassen, Rechtsprechung und Literatur sei es bislang noch nicht gelungen, eine allgemein anerkannte Definition für den Begriff der persönlichen Angelegenheit im Sinne des § 1360a Abs. 4 BGB zu finden. Die vorliegend entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob sich die schadensersatzrechtliche Inanspruchnahme durch Personen, die sich durch die Berufsausübung des Inanspruchgenommenen sittenwidrig geschädigt oder als Betrugsopfer sähen, als dessen persönliche Angelegenheit im Sinne des § 1360a Abs. 4 BGB darstelle, sei noch nicht hinreichend geklärt. Dies traf im vorliegend für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag maßgeblichen Zeitpunkt zu, weshalb ihre Klärung im dafür vorgesehenen Rechtsbeschwerdeverfahren veranlasst war.

20b) Auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren konnte Prozesskostenhilfe allerdings nur gegen Ratenzahlung bewilligt werden, weil der Beklagte über einzusetzendes Vermögen in Form des gegen seine Ehefrau gerichteten Anspruchs auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses verfügt.

III.

21Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst; eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 127 Abs. 4 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:270819BVIZB8.18.0

Fundstelle(n):
NJW 2019 S. 8 Nr. 49
NJW 2020 S. 55 Nr. 1
WM 2019 S. 2201 Nr. 47
DAAAH-35013