Einkommensteuer | Berücksichtigung des Forderungsverzichts nach Einführung der Abgeltungsteuer (BFH)
Der Verzicht eines Gesellschafters
auf eine Darlehensforderung gegen die Gesellschaft kann nach Einführung der
Abgeltungsteuer zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust bei den
Einkünften aus Kapitalvermögen führen (; veröffentlicht am
).
Sachverhalt: Der Kläger war zu mehr als 10 % an einer GmbH beteiligt. Er hatte Forderungen gegen die GmbH im Nennwert von 801.768,78 € für einen Kaufpreis von 364.154,60 € erworben. Der Kläger verzichtete gegenüber der GmbH auf einen Teilbetrag seiner Darlehensforderung i.H.v. 275.000 €. Im Hinblick auf einen teilentgeltlichen Erwerb zu 43,5 % ging er davon aus, dass er einen Veräußerungsverlust i.H.v. 119.625 € erlitten habe. Dem folgten Finanzamt und Finanzgericht (FG) nicht.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
Der Verzicht des Gesellschafters auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung gegen die Kapitalgesellschaft steht einer Abtretung gleich und führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Forderungsausfall.
Es liegt insoweit keine Einlage vor. Ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster, unbedingter Verzicht eines Gesellschafters auf einen Teil der ihm gegen die Kapitalgesellschaft zustehende Darlehensforderung führt nur insoweit zu einer Einlage i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG, als der Gesellschafter auf den werthaltigen Teil der Forderung verzichtet.
Die Einlage setzt dabei voraus, dass der Verzichtsbetrag den Nennwert des nicht werthaltigen Teils der Forderung übersteigt. Stehen dem durch die Einlage bewirkten Zufluss Anschaffungskosten in gleicher Höhe gegenüber, fällt somit kein Gewinn i.S. des § 20 Abs. 4 EStG an.
Dennoch wies der BFH die Klage im Ergebnis ab. Denn steuerliche Auswirkungen hätte der Forderungsverzicht nur gehabt, wenn der Steuerpflichtige für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen hätte. Hieran fehlte es im Streitfall. Der Kläger hatte die Forderung im Nennwert von 801.768 € zum Kaufpreis von 364.154 € erworben. Der Kaufpreis wurde bei wirtschaftlicher Betrachtung für den werthaltigen Teil der Forderung aufgewandt. Der Verzicht in Höhe von 275.000 € bezog sich somit auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung, für den dem Kläger keine Anschaffungskosten entstanden waren. Seine Leistungsfähigkeit wurde durch den Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung folglich nicht gemindert.
Mit seinem Urteil setzt der VIII. Senat des BFH seine Rechtsprechung fort, nach der seit Einführung der Abgeltungsteuer grundsätzlich sämtliche Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen zu erfassen sind und dies gleichermaßen für Gewinne und Verluste gilt (vgl. zum insolvenzbedingten Ausfall einer privaten Darlehensforderung).
Anmerkung von Dr. Christian Levedag, Richter im VIII. Senat des BFH:
1. Das Besprechungsurteil enthält die erste Auslegung des Ersatzrealisationstatbestands der "verdeckten Einlage in eine Kapitalgesellschaft" in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der VIII. Senat wendet dieses Merkmal in enger Anknüpfung an den Beschluss des Großen Senats des , BStBl II 1998, 307 auch auf den Forderungsverzicht auf ein Gesellschafterdarlehen an. Aufgrund der vom GrS vorgenommenen Zweiteilung der Forderung, auf die verzichtet wird, in einen werthaltigen und in einen nicht werthaltigen Teil kommt es zur Anwendung von zwei Ersatzrealisationstatbeständen des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG.
a) Der Einlagetatbestand gemäß 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 EStG erfasst den im Verzichtszeitpunkt noch werthaltigen Teil der Forderung. Diesem sind im Rahmen des § 20 Abs. 4 Satz 2 EStG anteilige Anschaffungskosten der Forderung in derselben Höhe gegenüberzustellen. Hat der Gesellschafter das Darlehen selbst ausgereicht, ergibt sich ein Gewinn von Null (ebenso BStBl I 2016, 85, Tz. 61). Dem Gesellschafter entstehen daneben Anschaffungskosten auf die Beteiligung.
b) Zudem bewirkt der Verzicht, dass der nicht werthaltige Teil der Forderung ausfällt. Hier entsteht ein gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG steuerbarer "Abtretungsverlust" (wie bei einem Erlöschen der Forderung durch Abtretung an den Schuldner) in Höhe der ausgefallenen und vom Gesellschafter getragenen Darlehensvaluta (= Anschaffungskosten), da auch im Beschluss des Großen Senats v. - GrS 1/94, BStBl II 1998, 307 "Verzicht" und "Abtretung" als gleichwertige Vorgänge eingeordnet wurden. Dies widerspricht der Auffassung im BStBl I 2016, 85, Tz. 61.
Der "Abtretungsverlust" unterliegt unter den Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG gemäß § 32d Abs. 2 Satz 2 EStG nicht dem Verrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 EStG und kann mit tariflich zu besteuernden positiven Einkünften anderer Einkunftsarten verrechnet werden. Im Besprechungsfall entstand ein solcher Verlust indes nicht. Der Gesellschafter hatte die Forderung zu Anschaffungskosten unterhalb des Nennwerts erworben und verzichtete nunmehr auf einen Teilbetrag. Aus Sicht des BFH betraf der Verzicht nur den wertlosen Teil der Forderung; die Anschaffungskosten ordnete der BFH aber nur dem werthaltigen Teil der Forderung zu.
2. Bei der Kapitalgesellschaft gelten die allgemeinen Grundsätze nach dem Beschluss des Großen Senats v. - GrS 1/94, BStBl II 1998, 307: Einlage in Höhe des werthaltigen Teils; Ertrag in Höhe des wertlosen Teils. Ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer verdeckten Einlage vorliegen, ist auf Gesellschaftsebene und Gesellschafterebene jeweils gesondert zu prüfen (, BFH/NV 2018, 838).
Quelle: BFH, Pressemitteilung v. zum Urteil v. - VIII R 18/16; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
EAAAH-34995