BGH Urteil v. - I ZR 91/18

Wettbewerbsverstoß im Zusammenhang mit der Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel: Zulässigkeit allgemeiner, nichtspezifischer gesundheitsbezogener Angaben - Gelenknahrung III

Leitsatz

Gelenknahrung III

Die Anwendung von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 setzt grundsätzlich nicht voraus, dass die Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung erstellt sind (Aufgabe von , GRUR 2013, 958 Rn. 14 bis 16 - Vitalpilze; Urteil vom - I ZR 36/11, GRUR 2015, 403 Rn. 38 - Monsterbacke II; Beschluss vom - I ZR 29/13, GRUR 2015, 611 Rn. 31 - RESCUE-Produkte I).

Gesetze: Art 10 Abs 3 EGV 1924/2006, Art 13 EGV 1924/2006, Art 14 EGV 1924/2006, § 3 UWG, § 3a UWG

Instanzenzug: Az: I ZR 91/18 Beschlussvorgehend OLG Celle Az: 13 U 124/17vorgehend LG Lüneburg Az: 7 O 121/16 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb e.V., ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört.

2Die Beklagte stellt her und vertreibt Nahrungsergänzungsmittel. Sie bewarb ihr Nahrungsergänzungsmittel "a.     p.   " im Internet. Auf ihrer Website waren die Packungsbeilage, eine Verbraucherinformation sowie zahlreiche das Mittel betreffende Veröffentlichungen abrufbar.

3Der Kläger sieht in der Produktbezeichnung sowie einer Vielzahl von Werbeaussagen einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 und 3 sowie Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (nachfolgend: Verordnung [EG] Nr. 1924/2006). Er hat die Beklagte auf Unterlassung sowie Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

4Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Unterlassung des Vertriebs und der Bewerbung des streitgegenständlichen Produkts unter der Bezeichnung " a.     p.   " sowie zur Unterlassung des überwiegenden Teils der angegriffenen Werbeaussagen verurteilt.

5Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen und hierzu in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Zulassung der Revision beruhe auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO, weil es mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Anwendbarkeit von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vor der vollständigen Erstellung der Listen zugelassener gesundheitsbezogener Angaben nach Art. 13 oder 14 dieser Verordnung abweiche.

6Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts hat sich die Beklagte mit dem Rechtsmittel der Revision gewandt. Sie hat - vorsorglich für den Fall, dass die Zulassungsentscheidung des Berufungsgerichts nur einen Teil des Streitstoffs erfassen sollte - hilfsweise Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

7Mit Beschluss vom hat der Senat die Revision insoweit als unzulässig verworfen, als sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung im Hinblick auf die Verurteilung zur Erstattung von Abmahnkosten sowie diejenigen Verbote des Landgerichts richtet, die nicht entscheidungserheblich auf einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gestützt sind. Die insoweit hilfsweise eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Senat zurückgewiesen. Im vorliegenden Revisionsverfahren geht es damit allein noch um die vom Berufungsgericht mit einem Verstoß gegen §§ 8, 3, 3a UWG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) 1924/2006 begründeten Verbotsaussprüche zu I.2.1., I.2.2., I.2.3.1., I.2.4.1., I.2.5.1., I.2.5.2., I.2.7., I.2.8., I.2.10. und I.2.11.2. Damit hat das Landgericht der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten,

8Mit der in diesem Umfang vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

9I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Revisionszulassung umfassten Verbote seien gemäß §§ 8, 3, 3a UWG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) 1924/2006 begründet. Es hat dazu ausgeführt:

10Selbst wenn es sich - wie die Beklagte geltend gemacht habe - bei den vom Landgericht mit den Verbotsaussprüchen zu I.2.1., I.2.2., I.2.3.1., I.2.4.1., I.2.5.1., I.2.5.2., I.2.7., I.2.8., I.2.10. und I.2.11.2. untersagten Äußerungen um allgemeine, nicht spezifische gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handelte, könnten diese nach dieser Bestimmung nur zulässig sein, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 dieser Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt worden sei. Daran fehle es vorliegend. Der Anwendbarkeit des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 stehe nicht entgegen, dass die Listen nach Art. 13 oder 14 der Verordnung noch nicht abschließend erstellt seien. Der anderslautenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne nicht beigetreten werden.

11II. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass gesundheitsbezogene Angaben, die Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 enthalten, nach dieser Bestimmung nur dann zulässig sind, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.

121. Gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen in Kapitel IV entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 aufgenommen sind. Gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sind Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.

132. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG darstellt, deren Missachtung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern und Verbrauchern im Sinne des § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen (st. Rspr.; vgl. nur , GRUR 2015, 498 Rn. 15 = WRP 2015, 569 - Combiotik; Urteil vom - I ZR 81/15, GRUR 2016, 1200 Rn. 12 = WRP 2016, 1359 - Repair-Kapseln, jeweils mwN).

143. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob es sich bei den vorliegend in Rede stehenden werblichen Äußerungen um spezielle gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 oder um nichtspezifische gesundheitsbezogene Angaben gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung handelt. Es ist dabei davon ausgegangen, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht vorliegen und die Äußerungen allenfalls dann zulässig sind, wenn diese - wie von der Beklagten geltend gemacht - als allgemeine, nichtspezifische Verweise gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung anzusehen sind. Dagegen wendet sich die Revision nicht.

154. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 im Streitfall nicht vorliegen, weil den in Rede stehenden Werbebehauptungen jeweils nicht eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Gegen diese Feststellung erhebt die Revision keine Rüge.

165. Das Berufungsgericht ist ferner mit Recht davon ausgegangen, dass der Anwendung von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht entgegensteht, dass die Listen gemäß Art. 13 und 14 der Verordnung noch nicht vollständig erstellt sind.

17a) Allerdings hat der Senat bislang angenommen, dass Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht durch diese Verordnung reglementiert sind, solange die Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung nicht erstellt sind (, GRUR 2013, 958 Rn. 14 bis 16 = WRP 2013, 1179 - Vitalpilze; Urteil vom - I ZR 36/11, GRUR 2015, 403 Rn. 38 = WRP 2015, 444 - Monsterbacke II; Beschluss vom - I ZR 29/13, GRUR 2015, 611 Rn. 31 = WRP 2015, 721 - RESCUE-Produkte I).

18b) An dieser Auffassung hält der Senat nicht fest (vgl. bereits Beschluss vom - I ZR 162/16, GRUR 2018, 959 Rn. 25 f. = WRP 2018, 1062 - B-Vitamine sowie Meisterernst/Haber, WRP 2019, 413 Rn. 36). Sie ist mit dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sowie dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung kaum vereinbar (vgl. OLG Hamm, WRP 2015, 228 Rn. 32 bis 38 [juris Rn. 67 bis 76]; KG, WRP 2016, 265 Rn. 22 bis 35 [juris Rn. 32 bis 45]; Stallberg, LMuR 2013, 189 Rn. 5 f.; Grundmann, LMuR 2014, 1 f.) und führt außerdem nicht durchgehend zu sachgerechten Ergebnissen (vgl. Meisterernst, WRP 2018, 397 Rn. 15). Der Vorstellung abschließend zu erstellender Listen steht darüber hinaus die aus Art. 13 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 folgende Zulässigkeit von Ergänzungen entgegen (vgl. Meyer in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., S 4 Rn. 328; Schlussanträge des Generalanwalts Bobek vom in der Rechtssache C-177/15, juris Rn. 75 f.).

19c) Es kann offenbleiben, ob Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auf Angaben anwendbar ist, deren Bewertung durch die Behörde oder deren Prüfung durch die Kommission noch nicht abgeschlossen ist, wie Angaben, die sich auf die Wirkung pflanzlicher Stoffe beziehen und die gemeinhin als "Botanicals" bezeichnet werden, und bestimmte andere gesundheitsbezogene Angaben, über deren Aufnahme in die Liste zulässiger Angaben die Kommission noch nicht abschließend befunden hat (vgl. dazu die Erwägungsgründe 10 und 11 der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 sowie die Erwägungsgründe 4 und 5 der Verordnung (EU) Nr. 536/2013; Meisterernst, WRP 2018, 397 Rn. 29; Meisterernst/Haber, WRP 2019, 413 Rn. 27; zu bereits überprüften Angaben in Bezug auf "Botanicals" vgl. , juris Rn. 8 f.; Beschluss vom - I ZR 233/15, juris Rn. 13 f.; Meisterernst, WRP 2018, 397 Rn. 30). Um derartige Angaben geht es im Streitfall nicht.

20III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. , Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici, mwN). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union macht die Anwendung des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht von einer vollständigen Erstellung der Listen gemäß Art. 13 und 14 der Verordnung abhängig (, GRUR 2014, 587 Rn. 36 = WRP 2014, 819 - Ehrmann; vgl. auch OLG Hamm, WRP 2015, 228 Rn. 38 [juris Rn. 75 f.]; KG, WRP 2016, 265 Rn. 35 [juris Rn. 45]). Ferner lässt sich Art. 1 in Verbindung mit Nr. 3 des Anhangs des - adressatenlosen und daher gemäß Art. 288 Abs. 4 Satz 1 AEUV allgemeinverbindlichen - Durchführungsbeschlusses 2013/63/EU der Kommission vom (ABl. L 22 vom , S. 25) entnehmen, dass auch die Kommission der Europäischen Union Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 für anwendbar hält (vgl. Meisterernst, WRP 2018, 397 Rn. 6; OLG Hamm, WRP 2015, 228 Rn. 38 [juris Rn. 75 f.]; KG, WRP 2016, 265 Rn. 33 [juris Rn. 43]).

21IV. Danach ist die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:190919UIZR91.18.0

Fundstelle(n):
XAAAH-34043