Beschränkte Zulassung der Revision - Klage und Widerklage - Arresturteil - Hauptsacheverfahren - Schadensersatzpflicht nach § 945 ZPO
Gesetze: § 945 ZPO
Instanzenzug: Az: 8 Ca 107/17 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 2 Sa 244/18 Urteil
Gründe
1I. Die Klägerin hat mit ihrer Klage vom Beklagten die Zahlung von 9.513.114,61 Euro verlangt. Der Beklagte hat widerklagend die Feststellung eines Schadensersatzanspruchs aus § 945 ZPO wegen der Vollziehung eines zur Sicherung dieser Klageforderung ergangenen rechtskräftigen Arresturteils begehrt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, etwaige Ansprüche der Klägerin seien gemäß § 18 des Arbeitsvertrags verfallen. Der Widerklage hat das Berufungsgericht mit der Begründung stattgegeben, dass es an einem Arrestanspruch fehle, weil die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche zum Zeitpunkt der Beantragung des dinglichen Arrestes nach § 18 des Arbeitsvertrags bereits verfallen gewesen seien. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision für die Klägerin zugelassen, soweit die Klage abgewiesen wurde. Im Übrigen hat es die Revision nicht zugelassen.
2II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Revision unbeschränkt zugelassen war. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Beschränkung der Revisionszulassung ist - entgegen der Rechtsansicht des Beklagten - wirkungslos. Das Landesarbeitsgericht durfte die Zulassung der Revision nicht - wie geschehen - beschränken.
31. Zwar kann die Zulassung der Revision nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente beschränkt werden; sie kann aber grundsätzlich auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden (vgl. etwa - Rn. 5; - 5 AZN 798/14 - Rn. 5, BAGE 150, 279), der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein (vgl. etwa - Rn. 8; - 7 AZR 669/84 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 53, 105; - 7 AZR 581/84 - zu I 1 der Gründe, BAGE 52, 122; - Rn. 12; - VI ZR 520/16 - Rn. 8; - VI ZR 262/16 - Rn. 15; - VI ZR 100/14 - Rn. 19; - V ZR 179/06 - Rn. 6) oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. - Rn. 7; - VI ZR 141/18 - Rn. 12; - VI ZR 520/16 - Rn. 8; - VI ZR 262/16 - Rn. 15; - XI ZR 428/15 - Rn. 4; - VI ZR 100/14 - Rn. 19; - V ZR 179/06 - Rn. 6). Letzteres setzt eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne voraus, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Es muss sich hierbei weder um einen eigenen Streitgegenstand handeln, noch muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz teilurteilsfähig sein (vgl. etwa - Rn. 7; - XI ZR 42/12 - Rn. 27, BGHZ 198, 294; - XI ZR 368/11 - Rn. 18; - III ZR 127/10 - Rn. 5).
42. Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Zulassung der Revision nicht - wie geschehen - beschränken.
5Zwar ist bei einer Entscheidung des Berufungsgerichts über Klage und Widerklage eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Entscheidung über die Klage und damit zugleich eine entsprechend beschränkte Revisionszulassung grundsätzlich möglich (vgl. etwa - Rn. 7; - VIII ZR 206/11 - Rn. 7; - VIII ZR 96/09 - Rn. 21). Ausweislich der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung hängen der Erfolg der Klage und der Widerklage im vorliegenden Verfahren allerdings gleichermaßen davon ab, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein - nicht verfallener - Anspruch auf Zahlung (in der geltend gemachten Höhe) zusteht. Die Frage, ob etwaige Ansprüche der Klägerin verfallen sind, ist demnach sowohl für die Entscheidung über die Klage als auch für die Entscheidung über die Widerklage erheblich. Aus diesem Grund ist es jedenfalls nicht auszuschließen, dass im Falle einer Zurückverweisung - insbesondere aufgrund weiteren Parteivorbringens - ein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftritt. Etwas anderes folgt - anders als die Nebenintervenientin meint - deshalb nicht aus dem Umstand, dass es sich bei Klage und Widerklage um unterschiedliche Streitgegenstände handelt.
6Soweit die Nebenintervenientin die Möglichkeit einer beschränkten Revisionszulassung daraus ableiten möchte, dass es für den Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO ausschließlich darauf ankomme, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Arresturteils vorgelegen haben, übersieht sie nicht nur, dass auch dann, wenn die Anordnung des Arrestes rechtskräftig ist, keine Bindungswirkung für den nachfolgenden Schadensersatzprozess besteht ( - Rn. 44; Zöller/Vollkommer ZPO 32. Aufl. § 945 Rn. 9). Ebenso übersieht sie, dass es im vorliegenden Verfahren nicht um das Verhältnis des Arresturteils zum Schadensersatzverfahren nach § 945 ZPO, sondern um das Verhältnis des Hauptsacheverfahrens zum Schadensersatzverfahren nach § 945 ZPO geht. Insoweit ist sogar anerkannt, dass - umgekehrt - die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache im Rahmen der materiellen Rechtskraft Bindungswirkung für das Bestehen des Anspruchs aus § 945 ZPO entfaltet ( - zu II 1 der Gründe, BGHZ 122, 172; Zöller/Vollkommer ZPO 32. Aufl. § 945 Rn. 11).
7III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:091019.B.8AZN562.19.0
Fundstelle(n):
AAAAH-33527