Über unscharfe Grenzen
Das Problem, wie viele Körner einen Haufen ergeben, hat von den Philosophen der Antike, über Väter der modernen Ökonomie (John Stuart Mill) bis zu den neuzeitlichen Vertretern der Fuzzy Logic viele Denker beschäftigt. Allgemein lösbar ist das Problem nicht. Jede regelbasierte Definition – „50 oder mehr zusammenliegende Körner sind ein Haufen, 49 oder weniger sind es nicht“ ist offensichtlich willkürlich. Jeder prinzipienbasierte Ansatz – „Wann ein Haufen vorliegt hängt von den Umständen ab, die quantitativ und qualitativ zu würdigen sind.“ – neigt zur Inhaltsleere. So unvollkommen geht es eben zu, wenn Begriffe auf die Realität treffen. Zwischen diesen beiden Polen kann man sich aber pragmatisch und redlich um die Verringerung konkreter Abgrenzungsprobleme bemühen, wohl wissend, dass eine perfekte, für jeden Fall und jedermann akzeptierte Lösungen sich nie ergeben wird.
Solch redliches Bemühen kennzeichnet auch das von Josef Baumüller und Zoltán Novotny-Farkas dargestellte „IASB-Projekt „Financial Instruments with Characteristics of Equity“ (FICE).“ Das der Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital gewidmete Projekt wird von den Autoren in seiner Entwicklung seit 2008 beschrieben und gewürdigt. Fortschritte wurden dabei gemacht, aber – wenig überraschend – nicht alle Probleme gelöst. Das Fazit der Autoren ist daher, dass das FICE-Projekt noch lange Gegenstand kontroverser Debatten im Schrifttum wie in der Praxis bleiben wird.
Ein stärker eingrenzbares Problem behandeln Carsten Heuring und Dirk Schmallenbach in ihrem Beitrag zum „Ausweis von „state plans“ nach IAS 19. Konkret geht es um das Verhältnis von IAS 19.9 mit der Erwählung von Sozialversicherungsbeiträgen als „kurzfristig fällige Leistungen an Arbeitnehmer“ zu IAS 19.43-.45 mit der Zuordnung staatlicher Rentenversicherungen zu „Leistungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses“. Je nach rechtlicher Ausgestaltung der Rentenversicherung in einzelnen Ländern kann es hier zu unterschiedlichen, teils auch ermessensbehafteten Klassifikationen kommen. Folgewirkungen ergeben sich insbesondere für die Anhangangaben.
Auch Juliane-Rebecca Upmeier widmet sich einer konkreten Abgrenzungsfrage, nämlich der „Bilanziellen Behandlung nachträglicher Ausgaben für Umwelt- oder Sicherheitsmaßnahmen.“ Dabei zeigt sich, dass über die Aktivierungsfähigkeit insbesondere die solchen Maßnahmen inhärente, indirekte Nutzenstiftung entscheidet. Die Autorin zeigt dabei auch auf, dass die Grenzziehung zwischen Aktvierung und Aufwandsverrechnung in den IFRS konzeptionell besser begründet ist als nach HGB/EStG.
Zurück zu einer übergreifenden Fragestellung führt der Beitrag von Oliver Scheid und Stefan Müller zur „Notwendigkeit der klimabezogenen Berichterstattung“. Im Mittelpunkt steht der „Nachtrag“ der EU-Kommission aus Juni 2019 zur Konkretisierung dieser Berichterstattung. Er hält die Berichtsinhalte checklistenartig fest und entfernt sich damit deutlich vom früheren Ziel der Unterstützung einer prinzipienorientierten Berichterstattung. Die Autoren untersuchen, wie in diesem Spannungsfeld ein integriertes Reporting gelingen kann.
Beste Grüße
Norbert Lüdenbach
Fundstelle(n):
PiR 11/2019 Seite 1
NWB AAAAH-33420