BGH Beschluss v. - I ZR 91/18

Voraussetzungen einer Beschränkung der Revisionszulassung

Gesetze: Art 10 Abs 3 EGV 1924/2006, § 12 Abs 1 S 2 UWG, § 543 Abs 2 S 1 Nr 2 ZPO, § 552 ZPO

Instanzenzug: OLG Celle Az: 13 U 124/17vorgehend LG Lüneburg Az: 7 O 121/16nachgehend Az: I ZR 91/18 Urteil

Gründe

1I. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die vom Landgericht ausgesprochenen Verbote gemäß den Urteilsaussprüchen des Landgerichts zu den Ziffern I.2.1., I.2.2., I.2.3.1., I.2.4.1., I.2.5.1., I.2.5.2., I.2.7., I.2.8., I.2.10. und I.2.11.2. beschränkt. Soweit die Revision der Beklagten das Berufungsurteil darüber hinaus angreift, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (§ 552 ZPO).

21. Die Revision ist vom Berufungsgericht nur eingeschränkt zugelassen worden.

3a) Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält zwar keine Beschränkung der Revisionszulassung. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch anerkannt, dass sich eine Eingrenzung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (st. Rspr., etwa , NJW 2004, 1324 [juris Rn. 7]; Urteil vom - IX ZR 172/06, WM 2008, 748 Rn. 8; Urteil vom - VIII ZR 96/09, NJW 2010, 3015 Rn. 18; Versäumnisurteil vom - IX ZR 143/11, WM 2012, 1451 Rn. 4; Urteil vom - II ZR 91/11, WM 2013, 468 Rn. 8; Beschluss vom - I ZR 58/14, NJOZ 2016, 1580 Rn. 2, jeweils mwN). Der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit, wonach es für die Parteien zweifelsfrei zu erkennen sein muss, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. BVerfGE 108, 341, 349 [juris Rn. 25]), verlangt jedoch, dass eine Eingrenzung der Zulassung der Revision zweifelsfrei geschehen muss. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (, GRUR 2013, 1213 Rn. 14 = WRP 2013, 1620 - SUMO; Urteil vom - I ZR 162/13, GRUR 2015, 498 Rn. 12 = WRP 2015, 569 - Combiotik, jeweils mwN). Von einer beschränkten Zulassung der Revision ist aber auszugehen, wenn die Zulassung wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs erheblich sein kann (BGH, WM 2008, 748 Rn. 8; , WuM 2009, 733 Rn. 11; Urteil vom - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Urteil vom - II ZR 152/10, juris Rn. 13; BGH, NJOZ 2016, 1580 Rn. 2, , GRUR 2019, 522 Rn. 9 = WRP 2019, 749 - SAM, jeweils mwN).

4b) Im Streitfall ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils, dass die Zulassung der Revision nur die Zurückweisung der Berufung der Beklagten in Bezug auf solche Verbotsaussprüche des Landgerichts umfasst, die allein auf der Annahme eines Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (nachfolgend VO (EG) Nr. 1924/2006) beruhen. Nicht umfasst sind diejenigen Verbotsaussprüche, die das Berufungsgericht - entweder ausschließlich oder selbständig tragend - auf andere Verbotstatbestände der VO (EG) Nr. 1924/2006 gestützt hat.

5Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Zulassung der Revision beruhe auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO, weil es mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Anwendbarkeit von Art. 10 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1924/2006 vor der vollständigen Erstellung der Listen zugelassener gesundheitsbezogener Angaben nach Art. 13 oder Art. 14 dieser Verordnung abweiche. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision ist damit eindeutig so zu verstehen, dass das Berufungsgericht die Revision nur auf die Verbotsaussprüche beschränkt hat, die entscheidungserheblich auf der Anwendung von Art. 10 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1924/2006 beruhen.

62. Die Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam.

7a) Die Zulassung der Revision kann zwar nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente beschränkt werden, wohl aber auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst ihre Revision beschränken könnte (, NJW 2005, 894, 895 [juris Rn. 7], insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 161, 115; Urteil vom - XI ZR 182/10, WM 2011, 2268 Rn. 8, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 191, 119; Beschluss vom - XI ZR 368/11, juris Rn. 14, jeweils mwN). Dafür reicht es aus, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und kein Widerspruch zwischen dem noch zur Entscheidung stehenden und dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (, WM 2003, 2232, 2233 [juris Rn. 7]; Urteil vom - XI ZR 334/11, WM 2013, 24 Rn. 9; Beschluss vom - XI ZR 400/11, juris Rn. 8, jeweils mwN). Es muss sich dabei nicht um einen eigenen Streitgegenstand handeln, der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz muss zudem nicht teilurteilsfähig sein; zulässig ist auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs (vgl. , GRUR 2017, 702 Rn. 17 = WRP 2017, 962 - PC mit Festplatte I, mwN; Beschluss vom - I ZR 230/16, ZUM 2018, 182 Rn. 10; Beschluss vom - VIII ZR 247/17, WRP 2018, 710 Rn. 20 f.; Urteil vom - I ZR 73/17, GRUR 2019, 82 Rn. 14 = WRP 2019, 68 - Jogginghosen). Für die Frage, ob die Beschränkung der Revisionszulassung nach diesen Grundsätzen wirksam ist, kommt es aus Gründen der Rechtsmittelklarheit auf den Zeitpunkt der beschränkten Zulassung der Revision an. Die Frage, ob eine Partei gegen ihre Verurteilung Revision einlegen kann, darf nicht - nachträglich - davon abhängen, ob gegen die Entscheidung von ihr oder einer anderen Partei Revision eingelegt worden ist (BGH, ZUM 2018, 182 Rn. 12; GRUR 2019, 82 Rn. 15 - Jogginghosen).

8b) Diese Voraussetzungen einer wirksamen Beschränkung der Revision sind vorliegend erfüllt. Bei sämtlichen Verbotsaussprüchen, die allein auf einer Anwendung von Art. 10 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1924/2006 beruhen, handelt es sich um eigene Streitgegenstände und damit um selbständige Teile des Gesamtstreitstoffs.

9c) Nicht von der Revisionszulassung umfasst ist zudem die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zurückweisung der Berufung der Beklagten hinsichtlich deren Verurteilung zur Erstattung von Abmahnkosten gemäß dem Urteilsausspruch zu Ziffer II. des Landgerichts.

10Dabei ist es unerheblich, ob die dem Erstattungsanspruch zugrundeliegende Abmahnung der Klägerin auch solche Verstöße umfasste, die nach dem Vorstehenden Gegenstand der Revisionszulassung sind. Zwar kann nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen nur verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Erstattung der Abmahnkostenpauschale eines Verbandes. Diese ist auch dann in voller Höhe geschuldet, wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt ist (vgl. , GRUR 2010, 744 Rn. 51 = WRP 2010, 1023 - Sondernewsletter, mwN; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 12 Rn. 23; Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 12 Rn. 1.122). Es kommt deshalb für die vom Berufungsgericht angenommene Begründetheit des Antrags auf Erstattung der Abmahnkostenpauschale in Höhe von 178,50 € nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Abmahnung auch in Bezug auf die von der Revisionszulassung umfassten Beanstandungen berechtigt war.

11II. Soweit die Revision vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden ist, ist sie auch nicht auf die von der Beklagten hilfsweise eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:250619BIZR91.18.0

Fundstelle(n):
IAAAH-32574