Feststellungslast des Finanzamtes für die Tatbestandsmerkmale
Zurechnung ausländischer Kapitalanlagen
behauptetes Treuhandverhältnis
Schätzung von Einkunften trotz Unkenntnis der konkreten Einkunftsquelle
eigene Schätzungsbefugnis des Finanzgerichts im Klageverfahren
Leitsatz
1. Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO bedarf es nicht einer Hinterziehungsabsicht oder eines direkten
Hinterziehungsvorsatzes; es genügt, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich
hält und billigend in Kauf nimmt.
2. Das Finanzgericht hat die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung, also einen der Tatbestände
des § 370 Abs. 1 AO, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Das Finanzamt trägt die Feststellungslast
für die Tatbestandsmerkmale der Steuerhinterziehung.
3. Umfangreiche Ausführungen zur Würdigung der von Finanzamt und Steuerfahndung zusammengetragenen Unterlagen und Beweismittel
im Hinblick auf die Frage, ob und in welcher Höhe der Kläger im Streitzeitraum nicht erklärte Erträge aus in- und ausländischen
Kapitalanlagen erzielt hat.
4. Ein in der Schweiz unterhaltenes Wertpapierdepot rechnete das Finanzgericht dem Kläger zu, da es die Geltendmachung der
Treuhänderstellung als objektiv wahrheitswidrige Schutzbehauptung bzw. notgedrungene Ausflucht des Klägers gewürdigt hat.
5. Die Schätzung der Höhe hinterzogener Steuern nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO in Verbindung mit § 162 AO bleibt trotz Geltung
des Grundsatzes „in dubio pro reo” möglich. Insofern ist lediglich ausgeschlossen, die Schätzung der hinterzogenen Steuern
an der oberen Grenze des für den Einzelfall zu beachtenden Schätzrahmens auszurichten.
6. Der Umstand, dass ein konkretes Depot oder Konto des Klägers nicht bekannt ist, steht einer Schätzung von Kapitalerträgen
nicht entgegen, wenn vom Kläger herrührende und von ihm selbst in einem anderen Kontext offengelegte Sachverhaltsumstände
bekannt sind, die zweifelsfrei dahin zu würdigen sind, dass der Kläger Kapitalerträge erzielt und dem Finanzamt bewusst verheimlicht
hat.
7. Dem Finanzgericht steht im Klageverfahren bei Vorliegen der Schätzungsvoraussetzungen eine eigene Schätzungsbefugnis zu;
es ist nicht auf eine Überprüfung der Schätzung des Finanzamtes beschränkt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): PAAAH-31471
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Online-Dokument
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.03.2019 - 3 K 2728/17
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