BGH Beschluss v. - 3 StR 181/19

Vorliegen eines Hangs bei Betäubungsmitteldelikten

Gesetze: § 64 StGB, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG

Instanzenzug: Az: 2090 Js 43279/18 - 10 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln, sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; zudem hat es den Wert der Taterträge in Höhe von 10.525 € eingezogen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den zu Fall II.1.c) der Urteilsgründe (Tat 3) rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kaufte der Angeklagte neben der zum Weiterverkauf bestimmten nicht geringen Menge Amphetamin und Marihuana auch 200 g Marihuana zum Eigenkonsum. Da sowohl die Handelsmenge als auch die Eigenverbrauchsmenge jeweils oberhalb des Grenzwertes für die nicht geringe Menge lagen, hat er sich wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht; als Qualifikation verdrängt diese Vorschrift den Erwerb von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 268/01, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5; vom - 4 StR 547/12, juris Rn. 8; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29a Rn. 205 mwN).

3Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Vorschrift des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sicher auszuschließen ist, dass sich der geständige Angeklagte insoweit bei einem entsprechenden Hinweis anders als geschehen hätte verteidigen können.

42. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abzusehen, hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Zuschrift ausgeführt:

"a) Schon die Ausführungen im Zusammenhang mit der Schuldfähigkeit (UA S. 15 f.), es lägen unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen eine mehr als zwölf Monate andauernde Abhängigkeit, ein starkes Verlangen und eine Art Zwang zum Konsum psychotroper Substanzen, eine verminderte Kontrolle über den Substanzgebrauch, eine Toleranzentwicklung gegenüber den Wirkungen der Substanzen und eine Einengung auf den Substanzgebrauch und ein anhaltender Substanzgebrauch trotz eindeutig schädlicher Folgen sowie Entzugserscheinungen vor, sind mit der Bewertung eines fehlenden Hanges nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen.

b) Darüber hinaus legt die Kammer einen unzureichenden Maßstab des Hanges i.S.d. § 64 StGB zu Grunde, wenn sie meint, dieser setze stets einen Konsum voraus, durch den Gesundheit sowie Arbeit- und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt würden (UA S. 23). Denn ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. Senat, Beschluss vom - 3 StR 645/17 -, juris m.w.N.). Wenngleich erheblichen Beeinträchtigungen der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs zukommt und in der Regel mit übermäßigen Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (Senat, aaO).

c) Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass aus mehreren Laborbefunden eine zwischenzeitliche Suchtmittelabstinenz hervorgehe, ist dies für die Frage des Vorliegens eines Hanges nicht entscheidend. Denn auch Intervalle der Abstinenz stehen der Annahme eines Hanges nicht entgegen (Senat, aaO; BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 87/12 -, NStZ-RR 2012, 271; vom - 3 StR 88/10 -, NStZ-RR 2010, 216). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (Senat, Beschluss vom - 3 StR 645/17 -, juris). Gerade auch vor dem Hintergrund, dass sich der Angeklagte selbst als suchtkrank ansieht (UA S. 17), er nach wie vor unter Suchtdruck steht (vgl. UA S. 23) und er sich um eine dauerhafte Abstinenz erst bemüht (UA S. 23), kommt den Laborbefunden - wie auch das Landgericht erkannt hat - nicht mehr als die Bedeutung einer Momentaufnahme zu.“

5Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Erwägungen an.

3. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne des § 64 Satz 1 StGB ist, sind nicht ersichtlich. Da auch die für die Anordnung der Maßregel erforderliche Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) angesichts der festgestellten hohen Therapiemotivation des Angeklagten nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden.

Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (

§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO

;

,

BGHSt 37, 5, 9

; Beschluss vom -

5 StR 485/07

,

NStZ-RR 2008, 107

); er hat die Nichtanwendung des

§ 64 StGB

nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:050619B3STR181.19.0

Fundstelle(n):
QAAAH-30195