BGH Beschluss v. - 4 StR 541/18

Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Auslandsverfolgung

Gesetze: § 55 Abs 1 StPO

Instanzenzug: Az: 4 StR 541/18 Beschlussvorgehend LG Dessau-Roßlau Az: 115 Js 4512/12 - 1 Ksnachgehend Az: 4 StR 541/18 Urteilnachgehend Az: 4 StR 541/18 Beschluss

Tenor

Die Revisionen der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom , soweit sie den Angeklagten La.    L.        betreffen, werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts ist anzumerken:
Die vom Nebenkläger Dr. H.   M.    erhobene Verfahrensrüge, mit der eine Verletzung von § 55 Abs. 1, § 245 Abs. 1 Satz 1 und § 244 Abs. 2 StPO im Zusammenhang mit der Vernehmung des wegen der verfahrensgegenständlichen Tat bereits rechtskräftig verurteilten Zeugen S.      beanstandet wird, dringt nicht durch. Denn die Entscheidung der Strafkammer, dem Zeugen mit Blick auf das gegen ihn wegen des Verdachts einer Diebstahlstat in Litauen geführte Ermittlungsverfahren ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zuzubilligen, ist – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom zutreffend dargelegt hat – aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. zum revisionsgerichtlichen Prüfungsumfang , NStZ 2006, 178; vom – 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 326; vom – 5 StR 390/56, BGHSt 10, 104, 105).
Die Regelung des § 55 Abs. 1 StPO findet auch Anwendung, wenn ein Zeuge bei der Beantwortung von Fragen in die Gefahr gerät, wegen einer vor der Vernehmung begangenen Tat im Ausland strafrechtlich verfolgt zu werden (vgl. LG Freiburg, NJW 1986, 3036; Eschelbach in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 3. Aufl., § 55 Rn. 6; Maier in MüKo-StPO, § 55 Rn. 25; Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 55 Rn. 15; Rogall in SK-StPO, 5. Aufl., § 55 Rn. 39; Otte in Radtke/Hohmann, StPO, § 55 Rn. 4; Odenthal, NStZ 1985, 117; Ahlbrecht/Börgers, ZIS 2008, 218). § 55 StPO ist Ausfluss der durch die Garantie der Menschenwürde und das Rechtsstaatsgebot verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbelastungsfreiheit (vgl. BVerfG, wistra 2010, 299 mwN; vgl. Maier in MüKo-StPO aaO Rn. 1). Die Vorschrift, deren Wortlaut keine Beschränkung auf eine inländische Verfolgung zu entnehmen ist, soll den Zeugen durch die Gewährung eines Auskunftsverweigerungsrechts davor schützen, Angaben machen zu müssen, die geeignet sind, ihn zu belasten (vgl. BVerfG, NJW 2003, 3045; NStZ 2002, 378; , BGHSt 11, 213, 216). Die für die Zuerkennung des Auskunftsverweigerungsrechts maßgebliche Zwangslage besteht aber in gleicher Weise unabhängig davon, ob die Strafverfolgung für den Zeugen im In- oder Ausland droht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten, etwa wegen eines bereits eingeleiteten Strafverfahrens, mit einer Strafverfolgung im Ausland konkret zu rechnen ist (vgl. Rogall aaO; Odenthal aaO; Albrecht/Börgers aaO S. 219 f.).
Sost-Scheible     
      
Bender     
      
Quentin
      
Feilcke     
      
Bartel     
      

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:270319B4STR541.18.0

Fundstelle(n):
YAAAH-30175